Synodaler WegTränen, Fouls und ein Eklat beim Katholikentreffen in Frankfurt

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Bischof Georg Bätzing (r.) und Thomas Sternberg, Präsidenten des Synodalen Wegs

Frankfurt am Main – Tränen des scheidenden Co-Präsidenten Thomas Sternberg, die Beschwörung des „Geists von Frankfurt“ und pathetische Worte über eine „Sternstunde“ der katholischen Kirche in Deutschland. Fast hätte man nach der zweiten Vollversammlung des „Synodalen Wegs“, einer Reaktion auf den Missbrauchsskandal, denken können, Bischöfe und Laien hätten gerade die existenzielle Krise ihrer Kirche wegbeschlossen.

Aber über Wunderkräfte oder den Zauberstab, nach dem Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz zu Beginn gefragt wurde, verfügt keiner der gut 230 Synodalen (eine Mitgliederliste finden Sie hier).

Ende mit Eklat

Im Gegenteil, prozedural endete ihr dreitägiges Treffen am Samstag mit einem Eklat: Im Lauf des Tages hatten schon so viele Stimmberechtigte, unter ihnen die Kardinäle Rainer Woelki (Köln) und Reinhard Marx (München), die Rückreise angetreten, dass die Verbliebenen nicht mehr beschlussfähig waren – ausgerechnet als es um eine Rechenschaftspflicht von Pfarrern und Bischöfen gegenüber den Gläubigen ging, ein als zentral erachtetes Instrumente für mehr Mitbestimmung und eine wirksamere Machtkontrolle.

Alles zum Thema Rainer Maria Woelki

Wenn es noch weit vor dem – auf Anfang 2023 verschobenen – Ziel schon jetzt Absetzbewegungen oder Erschöpfungserscheinungen in dem Gremium gibt, das über die Reformpläne abstimmt – wie mag es dann um die Erneuerungskraft der Kirche insgesamt bestellt sein?

Bischof Bätzing erkennt die Gefahr

Bätzing erkannte die Gefahr eines solchen Zweifels, tadelte die Frühheimkehrer und sprach von einem „pädagogischen Moment“, das künftig alle zu mehr Disziplin anhalten solle.

Im Saal selbst aber war manchen der Eindruck offenbar gar nicht so unrecht, die Synodalversammlung sei eine Laientruppe, die sich beim Demokratie spielen übernimmt. Einem begründeten Verdacht zufolge wurde die elektronische Zählung der Anwesenden von einigen Synodalen mutwillig unterlaufen.

Reformtexte in erster Lesung gebilligt

Zuvor hatte die große Mehrheit eine Reihe von Texten in erster Lesung gebilligt (hier geht es zu den Texten), in denen die Zeichen sämtlich auf Reform stehen: So soll die katholische Sexualmoral künftig nicht mehr von der Verurteilung aller nicht-ehelichen Lebensformen ausgehen, sondern beim Gelingen von Beziehungen – auch homosexueller – ansetzen. Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode sprach von einem „Paradigmenwechsel“.

Das Prinzip hierarchischer Leitung in der Kirche soll um partizipative Elemente ergänzt werden, allesamt im Rahmen des geltenden Kirchenrechts, wie die Autoren der entsprechenden Papiere mehrfach betonten.

Die großen Räder dreht der Papst

Aus gutem Grund: Erstens müssen die Beschlüsse am Ende von mindestens zwei Dritteln der Bischöfe mitgetragen werden. Zweitens muss jeder Ortsbischof sie in seinem Bistum in Kraft setzen oder sich in Form einer Selbstverpflichtung daran binden. Und drittens werden die ganz großen Räder weder von der Synodalversammlung gedreht noch von den deutschen Bischöfen, sondern von der römischen Kurie und vom Papst.

Entschließungen etwa zu den Weiheämtern für Frauen wurden in Frankfurt diesmal nur in Aussicht, aber noch nicht zur Diskussion gestellt. „Sie dürfen gespannt sein“, orakelte die Münsteraner Theologin Dorothea Sattler, die diesen Themensektor mitverantwortet.

Vertreter des Papstes wittert zweite Reformation

Es dürften solche Ankündigungen gewesen sein, die bei Erzbischof Nikola Eterovic als Vertreter des Vatikans den Argwohn nährten, die deutsche Kirche stehe nach Martin Luther 1517 mal wieder „kurz vor der Reformation“.

Mit erklärten Gegnern des Synodalen Wegs wie Woelki oder dem Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer wurde Nuntius Eterovic am Freitagabend in trauter Runde beim Italiener gesichtet – Ausdruck der Distanzierung von der Mehrheit der Synodalen, genau wie die Messe im kleinen Kreis, die einige Bischöfe abseits der gemeinsamen Feier für sich zu zelebrieren beliebten.

Ärger über den Papst und Woelki

Wie steinig, steil und voller Schlaglöcher der Synodale Weg mit ungewissem Ausgang noch werden wird, verdeutlichte eine hitzige Aussprache noch vor Beginn der Textarbeit. Eine Reihe von Synodalen machte ihrem Ärger Luft über die Entscheidung des Papstes, Woelki sowie etliche andere Bischöfe, die im Umgang mit Missbrauch Pflichten verletzt haben, im Amt zu belassen und zu exkulpieren.

Auf dem Synodalen Weg sei das „wie der Film zum Buch“, sagte Claudia Lücking-Michel, Mitglied des erweiterten Präsidiums. „Das System hat gewirkt“, zürnte Gregor Podschun, Chef des Jugenddachverbands BDKJ. Das Bischofsamt sei beschädigt, räumten aber selbst Bischöfe ein, so Peter Kohlgraf (Mainz) und Gebhard Fürst (Rottenburg).

Scharfe Kritik von Opfervertretern

Auch von Betroffenenvertretern kam scharfe Kritik am Papst, die sein Nuntius demonstrativ ungerührt ablaufen ließ.

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Kardinal Rainer Woelki

Woelki selbst reagierte nicht auf die ihm geltenden Vorwürfe einer Vertrauenskrise. Anders als vor einem Jahr in Frankfurt, blieb er kurz vor Beginn seiner „Auszeit“ in der Rolle des passiven Zuhörers.

Ungeahnt böses Foul

Voderholzer indes ging nach einem Beitrag der Betroffenen, die um der Missbrauchsopfer willen und zur Vermeidung neuen Leids umfassende Reformen anmahnten, zur Attacke über: „Was ich ablehne, ist eine Emotionalisierung und das unfehlbare Lehramt der Betroffenen.“

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Bischof Rudolf Voderholzer, Regensburg

Zwar rief dieses bestürzend bösartige Foul, von Bätzing später diplomatisch als „sprachliche Zuspitzung“ heruntergespielt, vereinzelt Widerrede hervor – eine junge Synodale sprach von einer „Unverschämtheit“, und Bischof Franz-Josef Overbeck (Essen) rückte die Opfer mit ihrem Leid „in die Nähe Jesu". Dies sei in der Kirche „das einzige wirklich unfehlbare Lehramt“.

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Dennoch zeigte sich die Opfervertreterin Johanna Beck noch am folgenden Tag tief verletzt von Voderholzers Angriff. Wer so redet, zerstört das Vertrauen in die Bereitschaft der Kirche, toxische Lehren, „sündhafte Strukturen“ und systemische Ursachen für Missbrauch zu beseitigen.

Da genau dies erklärtes Ziel des Synodalen Wegs ist, stand mit Voderholzers Worten in Frankfurt für einen quälend langen Moment nichts weniger im Raum als die Sinnfrage an das ganze Unternehmen.  

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