Neue Gefahr durch Mischvarianten?Was wir bisher über Deltakron wissen

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Die neue Virusvariante Deltakron wurde nun auch offiziell in Deutschland nachgewiesen.

Köln – Die Kombination aus den Virusvarianten Delta und Omikron sorgte Anfang Januar kurzzeitig für Schlagzeilen. Schnell stellte sich jedoch heraus: Bei der Mutation handelte es sich lediglich um einen Laborfehler. In einem Labor auf Malta waren offenbar Proben der beiden jeweiligen Virusvarianen verunreinigt worden. Falscher Alarm also. Mittlerweile häufen sich aber wieder Berichte über sogenannte Deltakron-Fälle, wie Kreuzungen aus den Corona-Varianten Delta und Omikron manchmal inoffiziell genannt werden. Doch was ist bislang darüber bekannt? Und wie gefährlich ist eine solche Variante? Ein Überblick.

Was ist Deltakron?

Wie der inoffiziell häufig verwendete Name der Variante bereits nahelegt, besteht Deltakron aus Genanteilen der beiden Virusvarianten Delta und Omikron. Solch eine Kombination aus zwei Virusvarianten wird auch als Rekombinations-Variante oder Hybridvariante bezeichnet.

Die internationale Forschungsinitiative Gisaid, die Daten über sämtliche Influenza Viren und Sars-CoV-2 öffentlich zugänglich macht, hat Anfang März erstmals eindeutige Hinweise für eine Rekombinations-Variante aus Delta und Omikron veröffentlicht. Die entsprechende Analyse wurde vom Pasteur Institut in Frankreich geteilt.

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Laut einer Mitteilung auf der Gisaid-Webseite sei die Rekombinante in mehreren Regionen Frankreichs identifiziert worden. Vermutet werde, dass sie seit Januar 2022 in Umlauf ist. Genome mit ähnlichem Profil seien auch in Dänemark und den Niederlanden gefunden worden. Jedoch seien weitere Untersuchungen nötig, um zu klären, ob die Rekombinanten den selben Ursprung haben. Denkbar sei demnach auch, dass sie aus mehreren voneinander unabhängigen Rekombinationen entstanden sein könnten.

Welche Merkmale hat Deltakron?

In einem Preprint schreibt ein französisches Forscherteam, dass die Hybridvariante, die sie „Deltamikron“ nennen, typische Mutationen der Delta- und Omikronvarianten enthalte. Demnach bestehe Deltamikron aus einem nahezu vollständigen Spike-Gen der Omikron BA.1-Variante innerhalb einer Delta-Linie.

Eine strukturelle Analyse des Spike-Gens der Rekombinante lege nahe, so das Forscherteam, dass die hybride Zusammensetzung beider Virustypen die Fähigkeit des Virus verbessern könne, sich an Wirtszellen zu binden. Die Ergebnisse sind noch nicht von Fachexperten geprüft worden. Es handelt sich um eine Vorveröffentlichung.

Was sagt die WHO?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beobachtet die in Frankreich entdeckte Rekombinante aus je einem Subtyp von Delta (AY.4) und Omikron (BA.1). Das Fachkürzel dafür lautet XD. Für Deutschland spricht das Robert Koch-Institut (RKI) auf Anfrage von einem bestätigten Fall und verweist auf weitere Beschreibungen in Frankreich, Dänemark und den Niederlanden.

Von der WHO hieß es, es gebe bisher keine Anzeichen einer guten Vermehrung. Die Beobachtung durch die WHO bedeutet nicht, dass XD als besorgniserregend oder von Interesse eingestuft ist. Sie hat folglich bisher keinen eigenen Namen bekommen. Die in Medien teils gängige Bezeichnung Deltakron wird von der WHO ausdrücklich nicht verwendet.

Was spricht gegen die Bezeichnung Deltakron?

Für Fachleute ist der Begriff sehr ungenau und eher nur zur Veranschaulichung geeignet. Denn er wurde zuletzt nicht nur für XD genutzt, sondern für unterschiedliche Mischformen aus Delta und Omikron.

Es sei „keine hilfreiche Bezeichnung, da unklar ist, welche Rekombinante gemeint ist und in dem Begriff ein Alarmismus mitschwingt, für den es keinen guten Grund gibt“, sagte etwa der Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien am Biozentrum der Universität Basel, Richard Neher.

Der britische Virologe Tom Peacock stellte kürzlich auf Twitter klar, dass die in Frankreich entdeckte Mischform XD sich von der in Großbritannien beschriebenen unterscheide, die XF heißt. XD sei die einzige Variante, bei der das Spike-Protein von Omikron „mehr oder weniger perfekt“ in ein Delta-Genom eingesetzt ist, erläuterte Neher. Mit dem Spike-Protein entert das Virus menschliche Zellen.

Wie kann eine Mischvariante entstehen?

Entstehen kann eine solche Hybridvariante dann, wenn mehrere Varianten eines Virus in einer Bevölkerung zirkulieren. Um die Jahreswende, als Omikron die zuvor dominante Delta-Variante ablöste, waren beide Varianten stark im Umlauf. Die Wahrscheinlichkeit, sowohl mit Omikron als auch mit Delta in Kontakt zu kommen, war also relativ hoch.

Auch wenn es selten ist, kann es passieren, dass sich eine Person mit mehreren Coronavirus-Varianten ansteckt. Wenn sich die Viren dann in denselben Zellen vermehren, kann sich das Erbmaterial miteinander vermischen. Das Ergebnis ist eine Rekombination aus unterschiedlichen Virustypen.

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Allgemein sind solche Rekombinationen bei Coronaviren durchaus üblich, sind also erstmal nichts Ungewöhnliches. Damit sich eine solche Rekombinante aber überhaupt durchsetzen kann, oder sich neben den Ursprungsvarianten verbreiten kann, muss sie dem Virus einen evolutionären Vorteil bieten.

Neben Mischformen aus Delta und Omikron sind laut Experten auch solche aus den Omikron-Subtypen BA.1 und BA.2 aufgetaucht.

Wie gefährlich und wie ansteckend ist Deltakron?

Omikron ist als die bislang ansteckendste Coronavirus-Variante bekannt, Delta wiederum hat zu schwereren Krankheitsverläufen geführt. Die Sorge bei Deltakron ist also vor allem, dass das Virus sowohl infektiöser als auch gefährlicher ist, als vorherige Varianten. Da bislang allerdings nur wenige Fälle von Deltakron-Infektionen identifiziert worden sind, gibt es noch keine stichhaltigen Daten. Ebenso wenig ist bisher bekannt, wie effektiv die Covid-Impfung vor einem schweren Deltakron-Verlauf schützt.

Experten beruhigen dennoch: Da die Variante offenbar schon seit Anfang Januar im Umlauf ist, gebe es bislang keine Anzeichen für eine exponentielle Ausbreitung. Zudem gehen Fachleute zum jetzigen Stand davon aus, dass die Delta- und Omikron-Infektionswellen, wie auch die Impfungen einen gewissen Immunschutz auch vor sogenannten Deltakron-Varianten bieten. Bevor man allerdings über belastbare Fakten verfügt, ist zunächst weitere Forschung und Beobachtung der Rekombinations-Varianten notwendig.

Droht sich die Pandemie durch Mischvarianten zu verschlimmern?

„Es wäre falsch anzunehmen, dass solche Rekombinanten zwangsläufig Horrorvarianten sind, die die schlimmsten Eigenschaften der Ursprungsvarianten vereinen“, sagte Weber.

Der derzeit in Deutschland vorherrschende Omikron-Subtyp BA.2 sei fast schon so ansteckend wie Masern - viel mehr zulegen könne das Virus da kaum noch. „Omikron wird zwar oft mit milderen Krankheitsverläufen in Verbindung gebracht, aber inwieweit das auch bei älteren Ungeimpften gilt, muss sich erst noch zeigen.“

Virologe Peacock schrieb, dass von den bisher beobachteten Rekombinanten nur XD vielleicht etwas mehr Sorge bereite. Falls sich überhaupt eine dieser Mischformen anders verhalten sollte als ihre Ursprungsvarianten, könne es XD sein.

Was ist jetzt zu tun?

„In einigen Fällen traten solche Rekombinanten nur in begrenzten Ausbrüchen auf. Andere scheinen im Moment linear anzusteigen, aber glücklicherweise noch nicht exponentiell. Dies muss man beobachten und auch ernst nehmen“, fasste der Virologe Christian Drosten in einem „Zeit“-Interview von Mittwoch die Lage zusammen.

Zum weiteren Beobachten rät auch Weber - er erinnerte daran, dass in der Pandemie schon einige Varianten auftauchten, von denen man dann nie wieder hörte. „Auch diese Rekombinanten könnten wieder im Nebel der Geschichte verschwinden.“

Wie gut werden Varianten bei den aktuell hohen Fallzahlen überwacht?

In Deutschland wird nur bei einem sehr kleinen Teil aller positiven Befunde eine vollständige Erbgutanalyse vorgenommen und den Laboren vergütet. Bei voller Auslastung sequenzierten die Labore aus Kapazitätsgründen sogar weniger als fünf Prozent der Proben, sagte die Virologin Sandra Ciesek vom Universitätsklinikum in Frankfurt.

Seltene Virusvarianten würden also nur durch Zufall entdeckt. Sie bedauert zudem, dass die variantenspezifische PCR mit der kürzlich geänderten Testverordnung gestrichen worden sei: Mit dem Verfahren ließen sich Auffälligkeiten aufspüren, was bereits zum Fund einiger seltenerer Virusvarianten geführt habe. (mit dpa)

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