Studie zu Covid-19Jeder dritte Patient überlebt die künstliche Beatmung nicht

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Eine Studie der Helios Kliniken zeigt, dass rund jeder fünfte Sars-CoV-2-Krankenhauspatient auf der Intensivstation behandelt werden muss (Symbolbild).

  • Eine Studie mit den Daten von 1.904 Covid-19-Patienten der Helios Kliniken und der Medizinischen Hochschule Brandenburg bringt neue Erkenntnisse.
  • Demnach ist das Risiko für ältere Männer mit einer Lungenvorerkrankung am höchsten, an einer Covid-19-Infektion zu sterben.
  • Die Mediziner Irit Nachtigall und Julius Dengler erklären, welche Patienten noch durch eine Sars-CoV-2-Infektion gefährdet sind.

Berlin/Köln – 245 Menschen werden laut dem aktuellen Lagebericht des Robert Koch-Instituts wegen einer Covid-19-Infektion intensivmedizinisch behandelt. Schwere Verläufe von Sars-CoV-2 treten in Deutschland nicht so oft auf wie beispielsweise in Italien, Belgien oder Großbritannien. Doch eine Studie der Helios Kliniken und der Medizinischen Hochschule Brandenburg zeigt, dass auch in Deutschland rund jeder fünfte Sars-CoV-2-Patient, der wegen seiner Infektion ins Krankenhaus kommt, auf der Intensivstation behandelt werden muss. Davon stirbt jeder vierte Patient.

Muss ein Erkrankter beatmet werden, überlebt jeder dritte Patient diese künstliche Beatmung nicht. Irit Nachtigall, Regionalleiterin der Krankenhaushygiene der Helios Klinik Bad Saarow, erklärt: „Patienten werden nur dann intubiert, wenn es ihnen wirklich schlecht geht, dies kann die erhöhte Sterblichkeit erklären.“

Aus 86 Helios-Krankenhäusern in der ganzen Bundesrepublik hat ein Expertenteam Daten von allen 1.904 Covid-19-Patienten, die dort zwischen März und Mitte Juni behandelt worden sind, analysiert. Der Median des Alters liegt bei 73 Jahren. Das bedeutet: 50 Prozent der Patienten in der Studie sind älter und 50 Prozent sind jünger. Irit Nachtigall und Julius Dengler, Versorgungsforscher an der Medizinischen Hochschule und Chefarzt für Neurochirurgie am Helios Klinikum Bad Saarow, sowie Michael Hauptmann, Biometriker der Hochschule, haben mit ihrem Team herausgefunden, dass die Zahl der Corona-Fälle in Deutschland zwar niedriger sein mag als in europäischen Nachbarländern. Doch eine Sars-CoV-2-Infektion ist für Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, nicht weniger kritisch. 

Alt, männlich, mit Lungenvorerkrankung

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Irit Nachtigall.

Das höchste Risiko an Covid-19 zu sterben, haben ältere Männer mit einer Lungenvorerkrankung. „Es sind gleich drei Risikofaktoren in einer Person“, sagt Irit Nachtigall. Warum Männer schlechter gegen Infektionskrankheiten wie Covid-19 gewappnet sind, sei noch nicht klar – die Forschung dazu stecke in den Kinderschuhen. Sicher ist aber: Die Wahrscheinlichkeit für Frauen, bei einer Corona-Infektion intensivmedizinisch behandelt werden zu müssen, ist geringer als bei Männern. 16 Prozent der Frauen mussten intensivmedizinisch behandelt werden, bei den Männern war es rund jeder Vierte. „Werden Frauen aber erstmal auf der Intensivstation behandelt, machen sie sich nicht besser als Männer.“

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Julius Dengler

Neben dem Geschlecht spielen auch Alter und Vorerkrankungen eine Rolle für schwere Krankheitsverläufe. Julius Dengler erklärt, dass sie in der Studie erstmalig gemessen haben, wie groß die Gefahr für diese Patienten genau ist: „Wir haben herausgefunden, dass das Risiko für unter 60-jährige Covid-19-Patienten nur halb so groß ist wie für die zwischen 70- und 79- jährigen, intensivmedizinisch behandelt werden zu müssen. Das Risiko zu versterben, war bei Patienten unter 60 Jahren sogar nur rund ein Zehntel des Risikos bei über 70-Jährigen.“ 

Besonders gefährlich ist eine Sars-CoV-2-Infektion für Menschen mit Vorerkrankungen: Diabetiker müssen um 50 Prozent häufiger auf der Intensivstation behandelt werden wie Menschen ohne Diabetes. Wer unter einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leidet, hat ein um 30 Prozent erhöhtes Sterberisiko gegenüber Menschen ohne diese Nebenerkrankung und muss um 50 Prozent häufiger beatmet werden.

Besonders gefährdeten Covid-19-Patienten gezielter helfen

Schlüsse zur Sterblichkeit und zu den Auswirkungen von Vorerkrankungen bei Covid-19-Infektionen hat auch ein Team um den Kölner Lungenfacharzt Dr. Christian Karagiannidis in einer AOK-Studie analysiert, wie diese Zeitung berichtete. Auch hier konnten die Ärzte herausfinden, dass Patienten mit Vorerkrankungen wie Diabetes, hohem Blutdruck oder Herzrhythmusstörungen eine schlechtere Prognose haben.

Wie groß das Risiko für Covid-19-Patienten für schwere Verläufe ist, sei für behandelnde Ärzte sehr wichtig zu wissen, sagt Julius Dengler. „Durch unsere Daten wissen wir jetzt, welche Patienten besonders gefährdet sind und Ärzteteams können ihre Aufmerksamkeit und Ressourcen gezielt bei diesen Menschen einsetzen. So können Mediziner möglicherweise durch eine gezielte Behandlung schwere Sars-CoV-2-Erkrankungen abmildern oder abwenden.“ Die Studie der Helios Kliniken hat erneut verdeutlicht, dass vor allem Ältere gefährdet sind.

Das bedeutet: Die Bedürfnisse und Besonderheiten von älteren Patienten müssen bei der Behandlung eine Rolle spielen. „Ich würde meine Eltern ungern ausschließlich von einem Arzt ohne Zusatzqualifikation in Altersmedizin behandeln lassen, sondern einen Geriater, einen Spezialisten für Altersmedizin, hinzuziehen“, verdeutlicht Irit Nachtigall. Es sei bekannt, dass individualisierte Medizin erfolgreicher sei. „Man weiß, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen sind und so weiß man auch, dass sich bei älteren Menschen zum Beispiel die Nieren- und Leberfunktion verändert.“

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Bevölkerung kann aus den Studienergebnissen lernen

Doch nicht nur Ärzte können aus der Studie etwas lernen, auch die Bevölkerung insgesamt, ist Julius Dengler überzeugt. Wer Kontakt zu über 70-jährigen Menschen hat, sollte besonders auf das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes achten, um sie nicht als unwissentlich Infizierter mit Covid-19 anzustecken, rät der Arzt. Die Studie zeige deutlich, dass bei Diabetes, Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ein schwerer Sars-CoV-2-Verlauf häufig auftrete. 

„Für diese Krankheiten gibt es aber glücklicherweise gute Präventionsmaßnahmen: Jeder von uns sollte auf seine Ernährung achten, zweimal die Woche Sport treiben und auch weitere Strecken zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegen und das Auto stehen lassen.“ Mit einem gesunden Lebensstil beuge man dem im Alter auftretenden Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor und stärke das Immunsystem. „So hat es jeder auch selbst mit in der Hand, Krankheiten vorzubeugen und sich so besser vor einem schweren Covid-19-Verlauf zu schützen“, sagt Dengler.

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