Köln – 90 Prozent seines Studiums hat Sebastian Spicker bereits absolviert. Der 26-jährige Lehramtsstudent hat Seminare in Mathe und Physik an der Kölner Uni bestanden, hat innerhalb von zehn Semestern Vorlesungen in Erziehungswissenschaften gehört, Scheine gemacht, Klausuren geschrieben und auch die Zwischenprüfung gemeistert.
Jetzt scheint der angehende Lehrer kurz vor dem Staatsexamen aber in die Mühlen einer Studienreform zu geraten, die ihn weit zurückwerfen könnte. Im schlimmsten Fall drohen ihm und 6200 weiteren Studenten sogar der Rauswurf aus der Hochschule.
Der Reihe nach: 2009 beschloss das Land NRW, das Lehramtsstudium von Staatsexamen auf das Bachelor/Master-System umzustellen. Seit 2011 können die angehenden Lehrer nur noch nach dem neuen System studieren, für die Alt-Studenten gelten seitdem Übergangsfristen: für die Fächer Grund-/Haupt- und Realschule bis Sommersemester 2016, für Gymnasium/Berufskolleg und Gesamtschule bis 2017. Wer bis dahin seinen Abschluss nicht geschafft hat, fliegt raus – oder muss in einen Bachelor-Studiengang wechseln.
„Ich würde Jahre verlieren“
Ein Wechsel mit gravierenden Nachteilen für Studenten wie Sebastian Spicker. „Ich würde ins dritte Semester zurückgestuft und dreieinhalb Lernjahre verlieren“, sagt er. Unter anderem müsste er ein Praxissemester und die Bachelorarbeit nachholen, Scheine wiederum, die er bislang gemacht hat, würden nicht anerkannt. Schlimmer noch: Spicker hätte nicht einmal die Sicherheit, dass er nach dem Bachelor-Abschluss auch einen der raren Masterplätze in Köln bekäme und so sein Studium zügig beenden könnte.
Damit es nicht so weit kommt, hat ein Studenten-Bündnis nun eine landesweite Unterschriftenkampagne unter dem Titel „Keine Zwangsexmatrikulationen“ gestartet, in dem die Aussetzung der Fristenregelung gefordert wird. Die Online-Petition wurde bereits nach 24 Stunden von 1025 Internet-Nutzern unterzeichnet. Zudem ging am Mittwoch ein offener Brief der Landeslehramtsfachschaften an Schulministerin Sylvia Löhrmann und Wissenschaftsministerin Svenja Schulze, in dem die Studenten auch mehr Zeit für ihr Studium verlangen, um sich „umfassend und kritisch bilden zu können“. Das sei mit der Fristenregel kaum möglich, sagt Studentin und Mitorganisatorin des Protestes, Agnes Kamerichs. „Stattdessen müssen wir uns von Prüfung zu Prüfung hetzen.“
Rückenwind erhalten die Studenten von der Universität: Die Hochschule rechnet in einem Bericht an das Wissenschaftsministerium damit, dass 3000 der 6200 Alt-Studenten massive Probleme haben werden, ihr Studium im Rahmen der Frist zu beenden. Rektor Axel Freimuth setzt sich daher für eine Verlängerung der Fristen ein. Dies würde dazu führen, dass immerhin zwei Drittel der Alt-Studenten einen Abschluss nach der alten Studienordnung machen könnten. Freimuth plädiert außerdem dafür, Härtefall-Regeln einzuführen.
Eine Podiumsdiskussion zum Thema beginnt am Dienstag, 12. Mai, um 18 Uhr in der Uni Köln, Hörsaal XXIV, Hauptgebäude, Albertus-Magnus-Platz. Auf dem Podium stellen sich die Bildungspolitiker Karl Schultheiß (SPD) und Ali Bas (Grüne) den Fragen der Besucher. Weitere Informationen zur Kampagne: fristen-kippen.de