Verwirrung um FahrverboteAlte Verordnung nach Formfehler wieder in Kraft

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Autofahrer in NRW sollten Bußgelder überprüfen.

  • Der neue Katalog sieht unter anderem einen Monat Führerscheinentzug vor, wenn man innerorts 21 Kilometer pro Stunde oder außerorts Tempo 26 zu schnell fährt.
  • In der alten Fassung galt dies bei Überschreitungen von Tempo 31 im Ort und 41 außerhalb.
  • Am vergangenen Donnerstag wurde bekannt, dass ein Formfehler im Gesetz steckt, das es in Teilen ungültig macht.
  • Der ADAC empfiehlt Autofahrern Einspruch einzulegen.

Düsseldorf/Köln – Der umstrittene neue Bußgeldkatalog wird in NRW vorerst nicht mehr angewandt. Laut NRW-Innenministerium werden Verkehrsverstöße bei neuen und laufenden Verfahren ab sofort nach der alten Regelung behandelt, die bis zum 28. April gültig war.

Das Land setzt damit eine Empfehlung des Bundesverkehrsministeriums um und hat einen entsprechenden Erlass an die Bußgeldstellen und Polizeibehörden im Land herausgegeben. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) kann den neuen Bußgeldkatalog nicht eigenmächtig zurücknehmen. Die Straßenverkehrsordnung ist Sache des Bundes . „Wir können nur darüber informieren, dass der Bundesverkehrsminister diese neue Linie fährt und wir uns dem anschließen“, sagte eine Sprecherin. Gesichert sei, dass alle Verfahren, über die ab sofort entschieden wird, für die Autofahrer rechtssicher sind. Der Bund hatte die Länder am Donnerstag aufgefordert, ab sofort den alten Bußgeldkatalog wieder anzuwenden. Unter den Ländern fand sich keine einheitliche Linie.

ADAC empfiehlt Autofahrern Einspruch einzulegen

Der neue Katalog sieht unter anderem einen Monat Führerscheinentzug vor, wenn man innerorts 21 Kilometer pro Stunde oder außerorts Tempo 26 zu schnell fährt. In der alten Fassung galt dies bei Überschreitungen von Tempo 31 im Ort und 41 außerhalb. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte die Bestimmungen zuletzt selbst „unverhältnismäßig“ genannt.

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Am vergangenen Donnerstag wurde bekannt, dass ein Formfehler im Gesetz steckt, das es in Teilen ungültig macht. In der Präambel zur Neufassung der Straßenverkehrsordnung war ein Paragraf nicht aufgeführt worden.

Kein einheitliches Vorgehen der Bundesländer

Dass es für die Übergangszeit keine bundesweite Regelung gibt, macht die Sache kompliziert. „Bis wenige Ausnahmen wie Thüringen und Bremen verfahren alle Länder derzeit wie Nordrhein-Westfalen“, sagt Gabriele Schön, Rechtsanwältin beim ADAC Nordrhein, die sich um Fragen des Verbraucherschutzes kümmert. „Das ist äußerst unbefriedigend.“

Mit einer Reparatur des Formfehlers, der den Erlass zunichte gemacht hat, ist laut ADAC so schnell nicht zu rechnen. „Das bedarf der Zustimmung des Bundesrats.“ Man könne Autofahrern derzeit nur raten, bei noch nicht rechtskräftigen Bescheiden Einspruch einzulegen und bei noch nicht angetretenen Fahrverboten Gnadengesuche einzureichen.

Bundesrat hatte Scheuers Verordnung verschärft

Wie mit Bußgeldbescheiden verfahren wird, die nach dem neuen Katalog bereits Bestandskraft haben, will das Bundesverkehrsministerium nach Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium erläutern. Bei Fahrverboten, die bereits angetreten wurden, könne es letztlich nur um Schadenersatz gehen, heißt es dazu aus dem Innenministerium des Landes.

STARKER ANSTIEG BEI FAHRVERBOTEN IN KÖLN

Das Land NRW hat keine Zahlen darüber, wie sich die Bußgeldverfahren in den zwei Monaten seit der Novelle der Straßenverkehrsordnung entwickelt haben. Diese Zahlen habe man nicht erhoben.

Ein Trend zeichnet sich aber ab. Die Zahl der Fahrverbote dürfte stark gestiegen sein. Die Stadt Köln hat vor ein paar Tagen erste Zahlen veröffentlicht. Danach hat sie vom 28. April bis zum 27. Juni hat 3324 Tempo-Überschreitungen festgestellt, die nach dem neuen Bußgeldkatalog ein Fahrverbot nach sich ziehen. Das ist ein extremer Anstieg. Im gesamten Jahr 2019 war es nur in 2517 Fällen zu Fahrverboten gekommen.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und der ADAC hatten Teile des neuen Bußgeldkatalogs schon immer für unverhältnismäßig gehalten. Dabei ging es vor allem um die Regel, dass ein Monat Fahrverbot droht, wenn man innerorts 21 Stundenkilometer oder außerorts 26 km/h zu schnell fährt. Der Bundesrat hatte im Februar Scheuers ursprüngliche Vorlage in vielen Punkten verschärft, unter anderem die Regel zum Fahrverbot bei Tempoverstößen. Der Minister hatte diese gegen seinen Willen geänderte Verordnung dennoch in Kraft gesetzt.

ADAC fordert Nachbesserung bei Tempoverstößen

Der ADAC fordert nun, den Formfehler zu nutzen, um den neuen Erlass nachzubessern „Insbesondere die Geschwindigkeitsverstöße werden unverhältnismäßig hart bestraft“, sagt ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand. „Durch die Neuregelung geht die seit Jahren bewährte Differenzierung in leichte, mittlere und grobe Verkehrsverstöße und damit das Gleichgewicht aus Geldbußen, Punkten und Fahrverboten verloren. Hier macht eine Differenzierung Sinn.“ Damit liegt der Automobilclub voll auf Scheuers Linie.

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Der Bundesverkehrsminister will die rechtlichen Unsicherheiten bei neuen Regeln über Fahrverbote bei zu schnellem Fahren so rasch wie möglich beseitigen. „Ich will eine klare, faire und zügige Lösung. Richtigstellung und Verhältnismäßigkeit in einem Paket“, sagte Scheuer. „Das bedeutet, die überzogenen Fahrverbote an nur zwei Stellen müssen weg, denn alles andere ist weitgehend unstrittig.“

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