GeschichteAls Köln seinen Namen bekam

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Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner mit Museumsleiter Marcus Trier (rechts) und Historiker Carl Dietmar am „alten Dom“. (Bild: Worring)

Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner mit Museumsleiter Marcus Trier (rechts) und Historiker Carl Dietmar am „alten Dom“. (Bild: Worring)

Den Franken sei Dank! Denn ohne deren Herrschaft lebten die Kölner heute in Agrippina. Es ist die wohl aufregendste Erkenntnis, mit dem das im DuMont Buchverlag erschienene Werk „Colonia – Stadt der Franken“ seine Leser überrascht. Nachdem die Franken – was so viel wie „die Freien“ bedeutete – einst die Stadt Agrippina eingenommen hatten, „nannten sie sie Colonia, so als ob Siedler in ihr wohnten“. So sagte es Carl Dietmar am Montag bei der Präsentation des Stadtporträts vor den Mauern des „alten“ Dom, der aus dem Frühmittelalter stammt. Entdeckt hat er den Hinweis auf die Namensgebung in einem Text aus dem frühen 8. Jahrhundert.

Der Historiker und Lokalredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“ verfasste die Untersuchung über eine bislang wenig erforschte Epoche der Kölner Stadtgeschichte zusammen mit Marcus Trier, dem kommissarischen Direktor des Römisch-Germanischen Museums, der auch zuständig ist für Bodendenkmalpflege in Köln. In den letzten beiden Jahrhunderten der römischen Herrschaft hieß die Stadt fast nur noch Agrippina. „Die Kölner Bürger nannten sich bis ins 4. Jahrhundert überwiegend Agrippinensier“. Hätten die Franken den Namen nicht geändert, spräche man heute wohl Agri statt Kölsch und besuchte die Spiele des 1. FC Agrippina.

Zwischen dem 5. und 10. Jahrhundert war Köln eine fränkische Metropole. Eine Zeit, über die man mangels aussagekräftiger Quellen bis vor kurzem kaum etwas wusste. Dieses bislang „dunkle Kapitel der Stadt“, wie Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner den Zeitraum nannte, hellte sich erst durch die jüngsten Ausgrabungen unter dem Heumarkt und beim Bau der Nord-Süd-Stadtbahn auf. Es ist das Verdienst der beiden Autoren, schriftliche Quellen (Dietmar) und archäologische Befunde (Trier) sinngebend zusammengeführt zu haben.So entsteht ein aussagekräftiges Bild vom frühmittelalterlichen Köln, das damals eine „Boomtown“ war, wie Trier versichert. Ein dynamischer und facettenreicher Stadtorganismus. Die neuen Erkenntnisse widersprechen alten Vorstellungen radikal. Früher habe man gedacht, so Trier, „als die Römer weg waren, passierte ein paar Jahrhunderte lang nichts.“ In ihrer Untersuchung verweisen die Autoren auf den Stadtarchivar Hermann Keussen, der noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts in seiner „Topographie der Stadt Köln im Mittelalter“ behauptete, die Kommune sei „in nachrömischer Zeit verödet und zur Schweineweide für umliegende fränkische Landgemeinden verkommen.“ Ein Fehlschluss. „Ohne das Frühmittelalter“, erklärt Trier, „wäre das Hochmittelalter nichts gewesen.“ Es waren die Grabungen Mitte der 1990er Jahre beim Bau der Tiefgarage am Heumarkt, die zu einem „archäologischen Durchbruch“ führten und das Wissen über das urbane Leben in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends in Köln „revolutionierten“ (Trier). Die Franken hatten eine weitgehend intakte Stadt vorgefunden; sie lebten in den alten römischen Gebäuden, benutzten römische Gläser und Keramiken, bauten aber – „völlig unrömisch“ – einfache Holzhäuser. Sie verfügten zudem über spezifische Waffen und Trachten.

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Die Franken waren Söldner, die im Auftrag Roms die Rheingrenze verteidigt hatten und später mit ihren Familien die Kontrolle in der Stadt übernahmen. Trier kommt zu dem Ergebnis: „Sie gründeten ein eigenes fränkisches Kleinkönigtum.“ Mehrere tausend Menschen hatten sich damals zwischen der Hohe Straße – der „cardo maximus“ der Römerzeit – und dem Rhein auf einem 40 Hektar großen Areal niedergelassen.

Die Studie handelt auch vom rechtsrheinischen Köln. So widmet sie sich dem Kastell Divitia (Deutz), das die Franken Mitte des 5. Jahrhunderts in Besitz nahmen. Weitere Themen sind die „frühen Kirchen in der Colonia“, die neue Königsdynastie der Karolinger und Erzbischof Hildebold.

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