Geothermie statt BraunkohleAm Kraftwerk Weisweiler soll Wärme aus der Erde kommen

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Blick in den Tagebau Inden, im Hintergrund das Kraftwerk Weisweiler

Blick in den Tagebau Inden, im Hintergrund das Kraftwerk Weisweiler

Köln/Eschweiler – Die Möglichkeiten zur Energiegewinnung sind begrenzt. Man geht entweder in die Tiefe, wo die Vorräte von Steinkohle, Öl und Gas lagern. Oder man geht in die Fläche und legt immer größere Parks an für immerhin erneuerbare Energie durch Windräder und Sonnenkollektoren.

Die heimische Braunkohle hat den Nachteil, dass sie auf beides angewiesen ist – in den endlosen Tagebaufeldern des Rheinischen Reviers wurde unlängst in Hambach mit 411 Metern der tiefste Punkte der regionalen Tagebau-Historie erreicht. Der Ausstieg aus dieser Technik ist beschlossene Sache.

Kraftwerk Weisweiler schließt als erste Anlage 

Bei der Suche nach Alternativen wird häufig auf die Möglichkeiten der Geothermie verwiesen – wenn alles klappt, könnte diese Technologie das Beste beider Welten verbinden: Erneuerbare Energie aus der Tiefe und somit ohne großen Flächenverbrauch.

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Eine Pilotanlage für diese Technik ist bei Eschweiler geplant – aus einer Reihe von guten Gründen: Laut aktueller Gesetzeslage schließt als erste Anlage das Kraftwerk Weisweiler, das exklusiv vom Tagebau Inden mit Braunkohle versorgt wird. Im Jahr 2029 ist Schluss.

Die Frage ist, wie es weiter geht – in der Region? Mit den Arbeitsplätzen? Und mit der Energieversorgung in der Gegend.

Das sind die nächsten Schritte 

Bereits vor eineinhalb Jahren hatte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) am Standort Weisweiler die Vorbereitungen für eine Geothermie-Forschung gestartet. Nun folgte der nächste wesentliche Schritt – die Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung und Kraftwerksbetreiber RWE Power schlossen einen Kooperationsvertrag ab.

Eine formale Folge: In Weisweiler siedelt sich eine Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen an.

Die praktischen Konsequenzen sind umfassend. Ziel ist nunmehr, richtungsweisend im Sinne einer alternativen Stromgewinnung zu forschen und die gewonnenen Erkenntnisse in den laufenden Strukturwandel der Region einzuspeisen. Zunächst wird der Untergrund am RWE-Standort Weisweiler schrittweise auf das Potenzial dieser erneuerbaren Energie hin erkundet werden.

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Die Voraussetzungen sind gut, RWE beschreibt die Lage so: „Das Rheinische Revier ist eine Vorzugsregion für Tiefengeothermie, prominent manifestiert in den Aachener Thermalquellen. Im Untergrund werden weitere Gesteinsschichten mit großen Mengen an heißem Thermalwasser erwartet; namentlich die Massen- und Riffkalke des Devons und des Unterkarbons, also rund 350 Millionen Jahre alte Kalkgesteine.“

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Kraftwerk Weisweiler

Es gibt für den Fortgang der Arbeiten einen ungefähren Zeitplan. In 2022 soll am Kraftwerk Weisweiler eine 1500 Meter tiefe Erkundungsbohrung stattfinden, im folgenden Winter sind seismische Erkundungen geplant. Dafür wird ein seismologisches Netzwerk eingerichtet – in 45 Stationen wird der Untergrund kontinuierlich auf Bewegungen und Verwerfungen untersucht und überwacht.

Im Jahre 2023 soll mit dem Bau einer Speicher- und Forschungskraftwerks begonnen werden. In weiteren Schritten wird eine detaillierte, dreidimensionale, wissenschaftliche Vermessung des Untergrundes und darauf aufbauend eine Tiefenbohrung von bis zu 4000 Metern Länge angestrebt, die im Erfolgsfall warmes Thermalwasser fördert. Für das Jahr 2027 ist schließlich die erste Einspeisung von aus Geothermie gewonnener Wärme ins Fernwärmenetz vorgesehen.

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Dies ist ein weiterer Standort-Vorteil: Schon jetzt werden Teile der Stadt Aachen und das Forschungszentrum Jülich mit Fernwärme aus dem Braunkohle-Kraftwerk versorgt. Die Infrastruktur ist also vorhanden und könnte künftig ohne große Umstellungen weiter genutzt und dann ausgebaut werden für das geplante Industriedrehkreuz Inden/Stolberg/Weisweiler.

Erkenntnisse könnten europaweit von Bedeutung sein

Wenn alles gut geht, könnten die technologischen und geologischen Erkenntnisse eine bundes-, ja europaweite Wirkung entfalten. In der Folge, so die Hoffnung, könnten zahlreiche Arbeitsplätze entlang der Wertschöpfungskette entstehen.

Rolf Bracke, Leiter der neuen Fraunhofer-IEG, sagte in Weisweiler: „Über 50 Prozent der in Deutschland umgesetzten Energie wird als Wärme in Haushalten und Industrie genutzt. Für den Klimaschutz müssen wir Wärme in wenigen Jahren ohne die fossilen Energieträger Kohle, Erdgas und Öl erzeugen. Geothermie und moderne Wärmenetze können hier langfristig eine klimaneutrale Energiequelle erschließen, die auf regionalem Knowhow fußt und so die Brücke vom Kohlebergbau zum Wärmebergbau schlägt.

Das Reallabor in Weisweiler dient zugleich geologisch und energiewirtschaftlich als Pilotstandort für den gesamten nordwesteuropäischen Raum.“

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