In großem Stil wurde in Steinbüchel Cannabis angebaut. Entdeckt wurde das zufällig bei einem Brand.
ProzessAngeklagte wollen Hanfplantage in Leverkusen nur geerbt haben

Was sich in diesem Gebäude verbirgt, ahnten die Feuerwehrleute nicht, als sie am 25. Mai 2023 nach Steinbüchel ausrückten.
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Wäre nicht dieses Feuer ausgebrochen Ende Mai 2023 – die Cannabis-Plantage in Steinbüchel wäre wohl noch ewig weiterbetrieben worden. Oder nicht? Das kommt darauf an, wie glaubwürdig die Aussage eines der beiden Angeklagten ist, die seit Freitag vor dem Kölner Landgericht stehen. Den Brüdern Klaus und Walter P. (Namen geändert) wird vorgeworfen, eine große, professionell angelegte Cannabis-Plantage im Haus ihrer Großmutter betrieben zu haben. Das kam nur heraus, weil im Mai 2023 ein Schuppen in Brand geraten war. Ein Trafo hatte für einen Kabelbrand gesorgt.
Als Feuerwehr und Polizei das verschieferte Haus unweit der Steinbücheler Straße betraten, trauten die Männer ihren Augen nicht. Über vier Räume erstreckten sich die Anpflanzungen, 112 Hanfpflanzen und 127 Setzlinge zählten die Polizisten. Geht man davon aus, dass die Plantage seit Anfang 2017 betrieben wurde, ergibt sich mehr als eine Tonne Ernte. Verkauft man das zum Großhandelspreis, ergibt sich ein Erlös von mehr als einer Dreiviertel Million Euro.

Auch im Anbau fand sich Ausrüstung für den Hanfanbau.
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Damit nicht genug. Die Polizisten fanden auch ein Luftgewehr und eine Gaspistole nebst Munition. Drogenhandel mit Waffen – das ist noch mal eine ganz andere Hausnummer.
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Oder trügt der Schein? Die beiden Angeklagten erzählten am Freitag vor der 24. großen Strafkammer jedenfalls eine ganz andere Geschichte. Danach hatte der Ältere praktisch überhaupt nichts mit dem Hanfanbau zu tun. Und der Jüngere nur gewissermaßen das Erbe angetreten: Es sei ihr Vater gewesen, der nach dem Aus für seinen Betrieb in der Nachbarschaft auf die Idee gekommen sei, nun Geld mit Cannabis zu verdienen. Stück für Stück habe sich der Handwerker das Wissen angeeignet, wie man eine ertragreiche Plantage anbauen kann. Ein Freund habe ihn auf diese Idee gebracht, berichtete der Ältere. Wobei dem Vater diese Idee von vornherein nicht fremd gewesen sei: „Der war ein Kiffer, seit er 17 war.“
Vater kämpft zehn Jahre mit Leberzirrhose
Später war es dann offenbar Alkohol. Am Wochenende hatte der Vater regelmäßig getrunken. Das Resultat: eine Leberzirrhose. Zehn Jahre lang habe der Vater gegen diese Krankheit gekämpft, zum Schluss auch geistige Aussetzer gehabt. „Ich hatte immer eine Morphium-Spritze dabei – für das Ende“, so der ältere Sohn.
Er habe dann auch den Betrieb übernommen und dabei festgestellt, dass er mit enormen Schulden belastet war. Der Vater wiederum habe es nicht ertragen können, von der Unterstützung seiner Söhne zu leben. Ein Grund mehr, auf Cannabis und dessen Verkauf zu setzen.
Licht, Abluft – alles professionell
Was der Vater, der im Oktober 2018 gestorben war, sich da erarbeitet hatte, wirkte durch und durch professionell. Die Polizisten fanden in dem alten Schieferhaus eine ausgefeilte Abluftanlage. Die Beleuchtung war ebenfalls vom Feinsten. Weil Hanfpflanzen sehr viel Licht brauchen, sei die Stromrechnung auf 900 Euro im Monat gestiegen, berichtete der ältere Sohn. Auch dagegen hat der Vater etwas getan: Das Stromnetz wurde angezapft, die Zähler umgangen. Es gab außerdem eine Rüttelmaschine und alles, was man für die Verpackung von Drogen braucht.
Beim Vertrieb habe der Vater auf alte Bekannte gesetzt, ausschließlich. Die seien dann in einen eigenen Raum im Haus gekommen, wurden versorgt. Diesen Job übernahm irgendwann der jüngere Sohn. Allerdings behauptet der heute 39-Jährige, er habe die Plantage erst 2020 wieder hochgefahren. Eineinhalb Jahre lang habe er von den Vorräten gelebt und die weiterverkauft. Insgesamt seien rund 375.000 Euro dabei herumgekommen.
Geld habe er gebraucht, weil er seit 2012 nicht mehr in seinem Beruf als Kaufmann gearbeitet habe, vielmehr habe er sich um die Pflege seiner älteren Verwandten gekümmert. Im September 2022 habe er einen Teilzeit-Job bei der „Tafel der Dinge“ angenommen. Seit November 2023 arbeitet er dort in Vollzeit. Und dieser soziale Job mache ihm großen Spaß.
Eineinhalb Jahre Stillstand? Unwahrscheinlich
Dass die Plantage rund eineinhalb Jahre außer Betrieb gewesen sein soll, kann der Staatsanwalt nicht glauben. Es sei auch absurd, zu behaupten, man könne eineinhalb Jahre altes Cannabis verkaufen: „Damit kann man alles Mögliche machen. Aber einen Rausch bekommt man nicht“, sagte Bernd Hildenstab. Die Regel sei: Nach 90 Tagen lasse die Wirkung schon extrem nach. Die behauptete zeitweise Stilllegung würde sich indes stark auf das Strafmaß für Klaus P. auswirken.
Für die Waffen hatten die beiden Brüder eine Erklärung, die plausibler erscheint. Auch da spielt der verstorbene Vater die entscheidende Rolle. Der habe sich immer für Waffen interessiert, in völlig harmloser Weise: „Der war ein Spielkind“, so die Beschreibung von Walter P. im Landgericht. Dass Luftgewehr und Gaspistole ziemlich frei zugänglich waren in der Wohnung, sei eher ein Zufall gewesen, so der Ältere. Woraus folgen würde: Auf keinen Fall sollten diese Waffen der Selbstverteidigung dienen, falls beim Drogenhandel etwas schiefgeht.
Inwieweit die Richter dieser Version Glauben schenken, wird sich erweisen. Die Vernehmung eines Kommissars, der die Wohnung nach dem Fund der Plantage durchsucht hatte, brachte in Bezug auf die Zugänglichkeit der Waffen noch keine neuen Erkenntnisse. Hätten sie griffbereit dagelegen, würde das ein Strafmaß bis 15 Jahre ermöglichen. Hätte man sie erst heraussuchen müssen, endet der Strafrahmen bei fünf Jahren. Schon in dieser Hinsicht bleibt dieser ungewöhnliche Drogenprozess spannend. Er wird nächste Woche fortgesetzt.