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Rettungsdienst-AffäreDisziplinarverfahren gegen Leverkusens Baudezernentin kann lange dauern

3 min
Ein Rettungswagen fährt mit Blaulicht auf den Berliner Platz in Opladen

Seit Jahren macht die Stadt Leverkusen mit ihrem Rettungsdienst – hier ein Einsatz am Berliner Platz in Opladen – riesige Defizite. Das soll sich schnell ändern. 

Die SPD hält an ihrem Plan fest, Andrea Deppe abzuwählen. Die Stadt soll schnell eine neue Gebührensatzung bekommen.

Suspendierung und Disziplinarverfahren reichen nicht. Baudezernentin Andrea Deppe soll auch abgewählt werden, und diese Initiative, die von der SPD-Fraktion ausgeht, hat auch beste Chancen auf Verwirklichung. Am späten Montagabend wurde im Stadtrat deutlich, dass die für einen Abwahlantrag erforderlichen 27 Stimmen zusammenkommen. Das ist die Hälfte des Rats.

„Wir haben auch eine politische Verantwortung“, kommentierte SPD-Fraktionschefin Milanie Kreutz ihre Initiative. Eine Abwahl, die in der Ratssitzung am 27. Oktober vollzogen werden könnte, sei wichtig, „damit wir schnell wiederbesetzen können“, so Kreutz.

Ohne Abwahl keine Wiederbesetzung in Leverkusen

Das am Samstagmittag von Oberbürgermeister Uwe Richrath in Gang gesetzte Disziplinarverfahren gegen die Dezernentin könne sich Jahre hinziehen. Und so lange sollte Leverkusen die Position lieber nicht neu besetzen. Was angesichts der Tatsache, dass der Stadtverwaltung binnen Wochen zwei Dezernenten aus disziplinarischen Gründen abhandengekommen sind, keine gute Idee wäre. „Denken Sie an die Zukunft dieser Verwaltung“, so Kreutz’ Appell an den Stadtrat.

Begründet sieht die scheidende Vorsitzende der SPD-Fraktion den Abwahlantrag unter anderem dadurch, dass die Baudezernentin, die auch für Feuerwehr und Rettungsdienst zuständig ist, in der Affäre um die Gebühren für die Rettung „ihrer Informationsverpflichtung nicht nachgekommen ist“. Sie habe im Zusammenhang mit den seit 2018 immer weiter auflaufenden Defiziten auf diverse Anfragen der SPD in der Sache nicht reagiert. Ihrer Kenntnis nach, so Kreutz, habe sich auch die Bezirksregierung erkundigt – und keine Antworten bekommen. Seit einer Woche weiß man, dass über die Jahre gut 78 Millionen Euro Defizit entstanden sind.

Andrea Deppe

Die seit dem Wochenende suspendierte Baudezernentin Andrea Deppe soll zusätzlich abgewählt werden. Dabei bleibt die SPD.

Oberbürgermeister Uwe Richrath geht mittlerweile offenbar davon aus, dass dieses Geld verloren ist. Auch Benedikt Rees von der Klimaliste redete einer Abwahl der Baudezernentin das Wort: „Das bereinigt die Situation – auch für die Dezernentin.“

Die Grünen wollen weitere Fakten

Die Grünen, auf deren Vorschlag hin Deppe im Jahr 2013 aus dem Planungsamt der Stadt Paderborn nach Leverkusen geholt wurde, setzen bislang allerdings nur auf die disziplinarische Untersuchung. Einen Abwahlantrag befürworten sie nicht. „Wir haben die Gegenseite noch nicht gehört“, argumentierte Stefan Baake im Stadtrat. Aus seiner Sicht ist es zu einfach, die gesamte Verantwortung für das Gebührendesaster der Dezernentin anzulasten. Die von den Grünen beantragte Untersuchung der Organisation rund um das Rettungswesen soll Aufschluss bringen. Deren Ergebnis müsse man abwarten. „Am Ende der Kette kann auch für uns stehen, dass ein Kopf rollen muss“, so Baake.

Seine Parteifreundin Claudia Wiese will erst noch in die Akten schauen; „danach werden wir weitersehen“, so ihre Ankündigung. Die Vorsitzende der Grünen-Fraktion will in der Personalie aber ebenfalls nichts ausschließen: „Es ist gut möglich, dass wir uns von Frau Deppe trennen müssen.“

Die Expertin in der Kämmerei geht bald in Pension

Unterdessen bemüht sich der Oberbürgermeister, nach vorne zu schauen. Uwe Richrath sprach zwar mit Blick auf den mutmaßlich bei gut 78 Millionen Euro verbleibenden Schaden zwar von einer „dramatischen Situation“. Nun aber müsse man dringend „aus Fehlern lernen“. Deshalb geht das Thema Rettungsdienstgebühren wieder von der Feuerwehr in die Hände der Kämmerei über. Dort tut noch die Expertin Dienst, der in früheren Jahren die Gebührensatzung ausarbeitete. Es gelte, so der OB, ihr Wissen zu sichern, bevor sie in Pension geht.

Um das Desaster mit immer weiter auflaufenden Defiziten einzugrenzen, soll nun ganz schnell eine neue Satzung mit den Krankenkassen verhandelt werden. Die Blaupause dafür kommt vom in Leverkusen ansässigen Berater. Der Experte geht davon aus, dass die Gespräche bereits in der ersten Septemberhälfte geführt werden können. Sie soll, das ist Teil des Plans, rückwirkend ab dem 1. Juli gelten.

Gegen dieses Vorgehen erhob sich im Rat kein Widerspruch. Die Aufarbeitung der zweiten Leverkusener Finanzkatastrophe binnen eines Jahres kann also beginnen.