„Man muss es fühlen“Leverkusener Star-Dirigentin zeigt Schülerinnen und Schülern ihr Handwerk

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Konrad Adam und Bar Avni stehen vor dem Orchester und dirigieren gemeinsam.

Unterstützung durch Bar Avni: Konrad Adam leitet das Streich-Ensemble durch „In der Halle des Bergkönigs“ der „Peer-Gynt-Suite“

Den Abschluss des Dirigier-Workshops mit Bayer-Chefdirigentin Bar Avni macht am Freitagmittag ein Konzert in Schlebusch. 

Durch die Aula des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums klingen am Donnerstagvormittag die Töne von Edvard Griegs „Morgenstimmung“. Gehört haben die Melodie wohl die meisten schon einmal, gerne taucht sie in Werbung, Film und Fernsehen auf. Dirigiert wird das Streich-Ensemble, das die Stimmung des Tagesanbruchs in der Schlebuscher Schule erwecken lässt, in diesem Moment von Miro Forner.

Normalerweise sitzt der Musikschüler mitten im Orchester an der Geige, heute steht er für etwa 20 Minuten ganz vorne, die Blicke der Musikerinnen und Musiker nur auf ihn gerichtet. „Welche Farben spürst du dabei?“, will Bar Avni von ihm wissen. Sie ist die preisgekrönte Chefdirigentin der Bayer-Philharmoniker und gibt normalerweise den Ton an. Heute leitet sie die jungen Dirigentinnen und Dirigenten an, gibt ihnen Tipps und Einblicke in ihre Arbeit. 

Dirigier-Workshop: Teil des Education-Programms der Bayer-Philharmoniker

„Ein helles Orange“, antwortet Forner auf Avnis Frage. „Wie der Sonnenaufgang“, sagt er. „Dann zeig' uns die Farben, zeig' uns das Bild in deinem Kopf. Die Sonne ist da oben“, sagt Avni während sie aufrecht und in ausladenden Bewegungen demonstriert, was sie meint: „Groß werden.“ 

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Es sei wichtig, die Musik mit Vorstellungen zu verbinden, erklärt Avni später. Forte und Piano, laut und leise, das stehe in allen Notenblättern, sei aber zu technisch, zu ungenau. „Man muss es fühlen“, sagt sie. Das merkt man ihr an. Es gehe um Kommunikation, klare Schläge, die Richtung der Bewegungen und vor allem um Emotionen.

Der dreitägige Workshop, an dem Avni mit Jugendlichen verschiedener Leverkusener Schulen und Orchester Auszüge aus der „Peer-Gynt-Suite“ erarbeitet, ist Teil des Education-Programms der Bayer-Philharmoniker. Am Freitag endet das Projekt in einem Abschlusskonzert. Nur einige wenige der Teilnehmenden erhalten die Ehre: Sie dürfen ihr Stück als musikalische Leiterinnen und Leiter vor Publikum präsentieren, mit Bar Avni an ihrer Seite.

Bar Avni steht hinter dem Orchester, ihre Hand ist nach vorne ausgestreckt.

Immer im Blick hat Bar Avni beim Workshop die Dirigierenden.

Konzentriert, streng und fordernd, aber voller Wertschätzung probt die 35-Jährige dafür intensiv mit den Schülerinnen und Schülern. Im lässigen schwarzen Outfit huscht sie zwischen Celli, Geigen und Kontrabässen hin- und her. Immer im Blick: die Person, die gerade den Takt angibt. Mal dirigiert sie synchron, mal steht sie mit einem mutmachenden Nicken an der Seite, mal zählt sie laut den Rhythmus mit. 

Doch nicht nur von der Ausnahmedirigentin profitieren die Nachwuchsmusikerinnen und -musiker, sondern auch von einigen Mitgliedern der Bayer-Philharmoniker, die das Orchester mit ihren Instrumenten unterstützen, darunter Konzertmeister Martin Haunhorst.

Das ist etwas, was man sonst nur selten erleben kann. Das Gefühl, wenn man da oben steht, ist abgefahren
Bar Avni, Chefdirigentin der Bayer-Philharmoniker

Warum sich die gefragten Profis Zeit für den Nachwuchs nehmen? Trotz ihrer jüngsten Erfolge – erst im März gewann Avni die internationale Auszeichnung als „La Maestra“ – liege ihr und ihren Kolleginnen und Kollegen der Philharmoniker die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in der Stadt am Herzen. „Weil es uns wichtig ist, für Leverkusen zu spielen und zu arbeiten“, sagt sie. Sie selbst sei durch so eine Gelegenheit mit dem Dirigieren in Kontakt gekommen. „Das ist etwas, was man sonst nur selten erleben kann. Das Gefühl, wenn man da oben steht, ist abgefahren“, sagt sie.

Ihr gehe es nahe, zu sehen, was das mit den Schülerinnen und Schülern mache. Zum Beispiel mit Konrad Adam. Im Sportshirt, anfangs noch recht unscheinbar, stellt er sich vor die Gruppe und scheint beim Ertönen der Musik  „seines Orchesters“ erst so richtig aufzublühen. „Es ist total cool, weil man seinen Emotionen freien Lauf lassen und mitbestimmen kann“, sagt er. Genauso wie Forner darf er am Freitag einen Teil des Konzerts leiten.

Dass es sich dabei um klassische Musik handelt – in der Altersklasse auch gerne mal als altbacken verrufen – störe ihn dabei kein bisschen, im Gegenteil. „Man wird vielmehr mitgenommen, es geht einem richtig unter die Haut“, sagt Adam. Das findet auch Forner: Klassikmusiker und -musikerinnen wie Bar Avni, „die können richtig was.“

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