Museum MorsbroichEine vom gesamten Team konzipierte Ausstellung, die begeistert

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Glückliche Kuratorin auf Zeit: Alice Steinbach aus dem Museumsshop in „ihrem“ Raum mit der Jeppe-Hein-Leuchtskulptur.

Glückliche Kuratorin auf Zeit: Alice Steinbach aus dem Museumsshop in „ihrem“ Raum mit der Jeppe-Hein-Leuchtskulptur.

Leverkusen  – Es ist nicht nur eine Schau zum 70. Jahrestag der Eröffnung dieses Museums. Diese Ausstellung mit dem Titel „Das Ensemble schreibt das Stück“ ist kurios, spannend, mit Bedeutung aufgeladen. Sie ist ein Statement, das derart deutlich hinausgeht an die Menschen in Leverkusen, wie es kein Gastspiel irgendeines Weltstars der Kunstszene schaffen würde.

Denn: Kuratiert haben dieses Mal nicht alleine diejenigen, die das von Berufswegen machen. Also nicht der neue Museumsdirektor Jörg van den Berg, nicht sein Stellvertreter Fritz Emslander und auch nicht die seit ihrem Antritt im Hause 2020 bereits extrem umtriebige Kuratorin Thekla Zell. Nein: Zusammengestellt – oder eben dem Namen entsprechend „geschrieben“ – haben diese Schau alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aktuell rund um das 1951 eröffnete erste deutsche Museum für Gegenwartskunst arbeiten.

Das sind 16. Und jeder und jede von ihnen durfte sich aus der Sammlung, aus dem Archiv der Kunstwerke geschenkter, gekaufter, geliehener Natur, sechs Arbeiten aussuchen. Ohne Vorgaben. Maßgeblich waren ausschließlich persönliche Präferenzen.

Die Essenz des Kunstbegriffs

Dieses Vorgehen ist nichts anderes als ein konsequentes Runterbrechen des von vielen ja gerne als zu elitär gegeißelten und somit abschreckenden Hochkultur-Kunstbegriffs auf die Essenz, die Ursuppe. Sie lautet: „Kunst ist immer subjektiv. Die einen mögen es. Die anderen nicht. Und das ist gut so.“

So etwas ist mindestens charmant. Im besten Fall indes baut es Schwellen- und Berührungsängste ab – und schafft somit etwas, das bezüglich dieses großen Kleinodes Morsbroich in der Stadt seit Jahren schon bitter nötig ist: Weg von: „Ach ja, die da draußen in Morsbroich“. Hin zu: „Das haben wir gleich hier bei uns vor der Haustüre. Wer sonst kann so etwas bitteschön sein Eigen nennen?“ Es geht um Miteinander. Es geht – zumindest museumsintern – auch um eine konzertierte Teambuilding-Maßnahme anlässlich des Jobantrittes des neuen Chefs am 1. August.

Lang vermisste Harmonie

Und all das kann und soll eben auch draußen bei den Menschen ankommen, die das Museum bislang viel zu häufig links liegen ließen. „Ich möchte eine Antwort auf die Frage finden: Wie mache ich aus dem ersten Museum für Gegenwartskunst das erste gegenwärtige Museum“, sagt der neue Chef. Und wenn er das sagt – flankiert von seinem kuratierenden Team –, dann nimmt man ihm das nicht nur ab. Dann sieht man auch, dass da eine lange vermisste Harmonie bei den Morsbroicher Verantwortlichen zu herrschen scheint. Sie bekräftigt van den Bergs Aussage: „Mit dieser Ausstellung, an der wir alle zusammen beteiligt waren, wollen wir einen Nullpunkt setzen.“ Sprich: Tabula rasa. Von jetzt an wird alles neu gedacht. Ab jetzt beginnt – vielleicht – eine neue Geschichtsschreibung in Morsbroich. Nicht kunsthistorischer, sondern gesellschaftlicher, kulturpolitischer Natur.

Denn das kann Kräfte freisetzen. Oder wie Thekla Zell es treffend ausdrückt: „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben bei der Auswahl der Ausstellungsstücke, beim Blick ins Archiv sofort angefangen zu suchen: Wo und wann bin ich eigentlich hier beim Museum eingestiegen, in diese Geschichte eingestiegen?“ Und das führe dann zur nächsten Frage: „Wo wollen wir in Zukunft hin?“

Persönliche Geschichten

Der Gang durch die über alle drei Etagen bespielten Räume, von denen jede und jeder Bedienstete mindestens einen konzipierte – Zell, van den Berg und Emslander behielten sich nur vor, den Arbeiten ihren endgültigen Platz zuzuweisen –, ist ein großer Spaß. Und das nicht etwa, weil tatsächlich auch einige millionenschwere Gerhard-Richter-Bilder wie dessen „Tiger“ aufgehängt wurden.

Sondern vielmehr weil jeder Raum mit einer ganz persönlichen Geschichte verknüpft ist. Die ist nicht immer offensichtlich und ohne Erläuterung meist nur den jeweiligen Museumsangestellten bekannt. Aber die Auswahl und die Komposition wecken die Neugier, mehr über die Beweggründe dafür zu erfahren, warum es denn nun gerade dieses oder jenes Kunstwerk wurde.

Claudia Leyendecker, seit Jahren im Sekretariat beschäftigt, etwa wählte nur Arbeiten aus, die dem Museum im Laufe der Zeit geschenkt wurden und nannte ihren Raum entsprechend: „Der geschenkte Raum.“ Josef Pacharzina, Haustechniker und dienstältester Mitarbeiter, entschied sich für mehrere Skulpturen, „weil er darin Handwerklichkeit sieht – und somit seinen eigenen Beruf“, wie Emslander erklärt.

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Herrliches Ausrufezeichen

Angela Hoogstraten aus der Verwaltung wiederum entschied sich unter anderem für eine gewaltige, schwere Collage von Vic Gentils aus Holz und Teilen eines Flügels („Oubou“). Ihr Museumsraum, so erschlagend er auch wirkt, ist das herrliche Ausrufezeichen einer Frau, die dieses Haus aus dem Effeff kennt und liebt, obwohl sie in ihm doch normalerweise eher mit Bürokratie und Aktenpapier tun hat denn mit Leinwand und Pinsel.

Alice Steinbach, ehrenamtliche Mitarbeiterin des Museumsshops, steuerte Bilder in grellen Farben und die Jeppe-Hein-Leuchtskulptur „Enlightment A-E“ bei. Sie habe bei der Ankündigung der Ausstellung übrigens gejubelt und dann laut gerufen: „Endlich!“, erinnert sich Zell. Endlich nämlich dürfe sie mal ihre Favoriten präsentieren. Das ist: offen gezeigte Begeisterung für die Sache.

Das Museum „gebrauchen“

Und auch Lucia Riemenschnitter, zuständig für die Sparte Kunst und Bildung und somit die Kooperation mit Schulen, hatte eine bestechende Idee: Sie entschied sich für einen Schriftzug „Museum“, dessen Buchstaben zerfallen und „use“ ergeben – also: „Gebrauche“. Gebrauche das Museum. „Genau darum geht es ja“, sagt sie: „Bemerkt dieses Haus! Und nutzt es!“

Kein Zweifel: Das klingt wie ein Aufruf an die Menschen, nach Morsbroich zu kommen. Das klingt wie die Blaupause dessen, was der neue Museumsleiter und sein Team wollen. Und das klingt nach etwas, dem sie mit „Das Ensemble schreibt das Stück“ bereits ein gutes erstes Stück näher gekommen sind.

Die Ausstellung eröffnet am Sonntag, 19. September, um 11 Uhr und ist bis zum 14. November im Schloss zu sehen. Alle Informationen sind im Internet zu finden sowie unter ☎ 0214/4 06 45 00 zu bekommen.

www.museum-morsbroich.de

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