Peter Schwimmbeck vom Klinikum LeverkusenBei Herzstillstand bleiben zehn Sekunden

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Defibrillator in groß und in klein: Peter Schwimmbeck, Chef der Kardiologie am Klinikum, kennt sich mit beiden Geräten aus.

Defibrillator in groß und in klein: Peter Schwimmbeck, Chef der Kardiologie am Klinikum, kennt sich mit beiden Geräten aus.

Leverkusen – Hand aufs Herz: Wissen Sie, wofür ein Defibrillator gut ist? Genau, diese meist grünen oder schwarzen Kästen, die überall hängen. Prof. Dr. Peter Schwimmbeck, Chef der Kardiologie am Klinikum erklärt anlässlich der Herzwochen, worauf man achten muss, wenn ein Mensch einen Herz-Kreislauf-Zusammenbruch erleidet.

Was genau macht ein Defibrillator?

Schwimmbeck: Das sind Geräte, die einen kurzen elektrischen Stromstoß, einen elektrischen Schock, abgeben und das Herz wieder auf Null stellen. Dann fängt es wieder regelmäßig an zu schlagen. Sie müssen sich das wie beim Computer vorstellen: Wenn der verrückt spielt, schalten Sie ihn einmal kurz aus und starten ihn wieder neu.

Wie ein Reset-Knopf?

Genau. Herzmuskelzellen kennen nur eins: Sie wollen sich zusammenziehen. Wenn sie das aber unkontrolliert tun – beim Kammerflimmern zum Beispiel – dann kann das Herz nicht mehr pumpen, weil es nicht mehr koordiniert abläuft.

Das heißt, man sorgt mit dem Defibrillator dafür, dass es für eine kurze Zeit gar keinen Herzschlag mehr gibt?

Für den Teil einer Sekunde. Meist nimmt dann das Herz ein, zwei Sekunden Zeit und fängt dann wieder an zu schlagen. Das Problem bei Reanimation ist folgendes: Die Zeit läuft! Meist sind es Leute, die plötzlich umfallen – da gibt es ja auch bekannte Politiker, die erst kürzlich verstorben sind. Wenn das Gehirn nicht mehr durchblutet wird, haben Sie zehn Sekunden Zeit, bis man bewusstlos wird und zehn Minuten, bis irreversible Schäden eintreten. Der Defibrillator hilft, das Herz wieder in einen regelmäßigen Kreislauf zu bringen. Es macht aber keinen Sinn, wenn man alleine ist, rumzulaufen und einen Defibrillator zu holen. Dann müssen Sie zuerst mit der Wiederbelebung beginnen! Sollten mehrere Leute vor Ort sein, ist es aber sicherlich sinnvoll, wenn einer dieses Hilfsgerät anschließt.

Vorträge zum Thema Herz

Das Klinikum beteiligt sich an der Herzwoche mit Online-Vorträgen. Der nächste Vortrag ist am Dienstag, 17. November, um 18 Uhr. Sportwissenschaftlerin Meike Mayer spricht über „Herz und Bewegung“ und wird auch Übungen bei Herzinsuffizienz vorstellen. Bernd Waidmann, Leitender Arzt der Kardiologie und Internistischen Intensivmedizin, hält am Dienstag, 24. November, um 18 Uhr den Vortrag zum Thema „Wie helfen Defibrillatoren und Herzschrittmacher?“ Weitere Infos gibt es online. (aga)

www.klinikum-lev.de/herzwochen

Viele Leute wissen vielleicht gar nicht, wie man ihn benutzt oder haben Hemmungen.

Viele haben eine gewisse Scheu ihn zu benutzen oder haben es nie geübt. Deswegen gehen wir an die Schulen. Ich mache Reanimationstraining an der Marienschule, am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium, am Landrat-Lucas-Gymnasium, siebte bis zehnte Klasse, – dieses Jahr geht das leider nicht. Das ist echt blöd.

Glauben Sie denn, dass Jugendliche geringere Hemmungen haben sich mit diesem Thema zu beschäftigen?

Ja, das glaube ich schon. Jugendliche sind da leichter zu begeistern, da geht es ja auch etwas um Technik. Deutschland ist übrigens gar nicht schlecht bei der Wiederbelebungsrate. Wir waren vor zehn Jahren mal bei 20 Prozent, und sind jetzt bei mehr als 30 Prozent. Das bedeutet: Wenn Menschen bewusstlos werden, werden knapp 30 Prozent von Laien wiederbelebt.

Wann muss was bei einem Herz-Kreislaufzusammenbruch getan werden?

Ist ein Mensch umgekippt: Rufen Sie als erstes die 112 und schauen Sie, ob er ansprechbar ist und atmet, ob sich sein Brustkorb hebt. Dann fangen Sie an zu reanimieren. Damit bringen Sie das Blut, das im Körper ist, nochmal in den Kreislauf. Das ist das Blut in den Oberschenkelmuskeln, das hat noch genügend Sauerstoff drin, während das Gehirn den Sauerstoff ausschöpft. Das Schlimme ist ja: Leute wollen mit dem Reanimieren nicht anfangen, weil sie nicht beatmen wollen. Bewusstlose Menschen erbrechen sich auch zum Teil.

Warum gibt es denn dann die Defibrillatoren, wenn die Herzdruckmassage das Wichtige ist?

Bei der Herzdruckmassage ersetzen Sie die Herzfunktion, Sie hätten aber gerne, dass das Herz wieder selber etwas macht. Und das machen Sie, indem Sie das Herz wieder starten. Durch den Defibrillator.

Wie hoch ist das Risiko, aufgrund eines Herz-Kreislauf-Zusammenbruchs einfach bewusstlos zu werden?

Das passiert knapp Hunderttausend Mal in Deutschland im Jahr, in Leverkusen sind es knapp 300 Fälle. Wir sehen bei uns in Leverkusen auch zwei bis drei Reanimationen in der Woche. Wir hatten schonmal eine junge Frau beim Handballtraining, die wir mit einem Defibrillator versorgt haben, bis hin zu dem 90-Jährigen – da ist alles dabei.

Funktioniert der in den Körper eingesetzte Defibrillator genauso wie die externen Geräte?

Der Unterschied ist der, dass der eingebaute Defibrillator ein automatisches Gerät ist, da gibt es keinen Knopf zu drücken. Die Geräte von früher, das waren Monsterdinger, die wurden in den Bauchraum eingesetzt. Die Elektroden wurden auf das Herz aufgenäht. Heutzutage sind die etwas kleiner und eleganter, die werden mit einer Sonde verbunden, die bis ins Herz geht. Das Gerät kontrolliert, ob das Herz normal schlägt und gibt einen elektrischen Schock ab.

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Sie können damit rechnen: Wenn Sie sieben solcher Defibrillatoren einsetzen, retten Sie ein Menschenleben. Im Klinikum setzen wir im Jahr ungefähr Hundert solcher Geräte ein. Das wären 13 gerettete Menschenleben.

Wo ist der Unterschied zum Herzschrittmacher?

Der kann nur Impulse geben, wenn das Herz zu langsam schlägt, kann aber keine elektrischen Schocks setzen. Im Klinikum erhalten im Schnitt 300 Patienten im Jahr einen Schrittmacher und Hundert einen „Defi“.

Wie alt war der jüngste und älteste Patient, dem Sie einen Schrittmacher eingesetzt haben?

Jüngste? 14 Jahre, aus der Kinderklinik. Bei noch kleineren machen das die Kinderkardiologen. Die ältesten: Da geht es bis 97 Jahre. Bei Defibrillatoren muss man immer im Hinterkopf haben: Ist die Maßnahme noch sinnvoll? Wenn Sie einen dementen Patienten haben, der überhaupt nicht mehr weiß, was um ihn herum vorgeht, kommen Sie in ethische Grenzbereiche. Letztens hatten wir einen 93-jährigen Patienten bei uns gehabt, schon gebrechlich. Der sagte von sich aus – er hatte mal einen Defi bekommen – »mit 93 ist es jetzt gut.« Er merkt, es geht dem Ende entgegen, wir sollten doch die Defi-Funktion abstellen, sagte er, damit er die Möglichkeit eines ganz natürlichen Todes habe.

Zur Person

Prof. Dr. Peter Schwimmbeck ist Chef der Kardiologie am Klinikum, 61 Jahre, hat in München studiert, drei Jahre in den USA geforscht. Seit 16 Jahren arbeitet er am Schlebuscher Klinikum. Seinen Facharzt hat er an der Uni Düsseldorf gemacht und zehn Jahre an der Berliner Charité gearbeitet.

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