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WahlnachleseLeverkusens Grüne kritisieren sich – und Uwe Richrath

5 min
Mitgliederversammlung der Leverkusener Grünen

Das Wahlergebnis war Thema bei der Mitgliederversammlung der Leverkusener Grünen

Auf eine Unterstützung in der Stichwahl können sich die Grünen nicht einigen, vor allem am amtierenden Oberbürgermeister gab es scharfe Kritik.

Gerade einmal 48 Stunden haben die Leverkusener Grünen sich gegeben, um das Wahlergebnis von Sonntag zu verarbeiten. Am Dienstagabend trafen sie sich zur Mitgliederversammlung im Schlebuscher Treibhaus, um über das Ergebnis und die Konsequenzen daraus zu diskutieren. Schließlich steht die Frage im Raum, ob die Grünen einen der verbleibenden Oberbürgermeisterkandidaten unterstützen sollen. Dazu gab es am Dienstag klare Worte, aber keine eindeutige Antwort, so viel sei vorab verraten. Zu kompliziert ist die Gemengelage.  

Das Wahlergebnis

Im Diagramm der Gewinn- und Verlustverrechnung ragt der grüne Balken deutlich hervor – auf der negativen Seite. Minus 7,3 Prozentpunkte sind der größte absolute Verlust aller Parteien im Vergleich zur Kommunalwahl 2020. 10,7 Prozent stehen am Ende, durch die Aufstockung des Stadtrates verlieren die Grünen aber nur einen Sitz und sind künftig mit acht statt bislang neun Personen im neuen Stadtrat vertreten. Von Katerstimmung ist am Dienstag nichts mehr zu spüren. „Das Ergebnis hat nicht sonderlich überrascht“, sagt Fraktionsvorsitzende Claudia Wiese. „Bei 12 Prozent hätten wir Luftsprünge gemacht.“ Christoph Kühl sieht die Ursache für den Verlust in Berlin. „Ich sehe hier kein Leverkusener Ergebnis, ich sehe den Bundestrend.“ Positiv hervorgehoben werden außerdem gute Ergebnisse in der Waldsiedlung und die Tatsache, dass Grüne wieder in allen Bezirksvertretungen vertreten sind, wenn auch mit weniger Sitzen. 

Der Wahlkampf

Während der Vorstand mit dem engagierten Wahlkampf zufrieden ist, kommt aus dem Publikum auch Kritik: zu wenig Inhalte, zu wenig konkrete Projekte, zu wenige Abgrenzung zu anderen Parteien und Kandidaten. „Viele fragen mich: Wofür steht ihr eigentlich“, sagt Henning Kaltheuner. „Mir haben Ambition und Leidenschaft gefehlt.“ Der von der Landespartei übernommen Wahlspruch „Macht für das Morgen“ sei ebenso nichtssagend wie „sprachlicher Horror“.  Auch Bürgermeisterin Zöhre Demirci kritisiert: „Wir hatten an den Wahlständen keine Antworten auf konkrete Fragen, etwa zur Schließung der Stadtteilbüchereien oder zu schlechten Radwegen in Opladen.“

Vorstandsprecherin Rupy David sagt, sie tue sich in Zeiten einer Haushaltssperre schwer damit, Dinge zu versprechen, die man vielleicht nicht halten könne. „Ich kann nicht sagen, dass wir in fünf Jahren alle Schulen saniert haben. Oder auch nur eine.“ Wenn Opladen Plus in Schlebusch Werbung mit der Wiederbelebung des Freibads Auermühle mache, sei das „easy, aber unglaubwürdig“, sagt Claudia Wiese. Dennoch schlägt sie vor, sich im nächsten Wahlkampf für jeden Bezirk ein konkretes Projekt vorzunehmen, „das wir direkt umsetzen würden, wenn wir an der Macht wären.“

Die Oberbürgermeisterwahl

Nur positive Worte gab es für Sven Weiss, der seine Kandidatur als Oberbürgermeister in der Woche vor der Wahl aus gesundheitlichen Gründen abbrechen musste. Er habe viele Sympathien gewonnen und sei in Diskussionen immer besser informiert gewesen als seine Mitbewerber, so die einhellige Meinung. Ob er seinen Platz im Stadtrat wahrnehmen wird, ist unklar. Er werde sich bald dazu äußern. Auf die Frage, was die Mitbewerber vielleicht besser gemacht hätten, sagt Christoph Kühl: „Stefan Hebbel ist seit mindestens einem Jahr auf jeder Veranstaltung präsent, mit mehreren Parteimitgliedern im Schlepptau.“ Auch Sven Weiss sei viel unterwegs gewesen, Kühl wünschte sich aber, dass das künftig nicht nur sechs Wochen vor der Wahl passiert und die Grünen auch häufiger „mit dem ganzen Mob“ auftreten. 

Positionierung in der Stichwahl

Schon am Tag nach der Wahl seien SPD und CDU bei den Grünen aufgelaufen, um über künftige Zusammenarbeit und Unterstützung in der Stichwahl zu sprechen, berichtet Nagel. Das Problem: „Keiner von beiden kann mit uns eine Mehrheit bilden und die Stadt hat kein Geld“, fasst Nagel zusammen. Kurzum, die Kandidaten haben den Grünen nichts anzubieten. Einen der beiden vakanten Dezernentenposten könne man vielleicht beanspruchen, wird laut gedacht.

Unabhängig davon wird schnell klar, dass es große Vorbehalte gibt. Gegen beide Kandidaten, vor allem aber den amtierenden Oberbürgermeister. „Richrath noch einmal zu unterstützen, kann ich bei dem Zustand der Stadt nicht mit meinem Gewissen vereinbaren“, kommt ein Statement aus dem Publikum. Auch Rupy David fragt sich: „Wie kann ich versichern, dass dieser Mann der Beste für die Stadt ist?“ Und Claudia Wiese ist überzeugt: „Wir brauchen einen Wandel in der Stadtverwaltung und eine andere Person an der Spitze der Stadtverwaltung.“ Auch wenn sie kein großer Fan von Stefan Hebbel sei. Das sind auch andere nicht, die dem CDU-Kandidaten Spaltung der Gesellschaft vorwerfen und das etwa an der Einladung des umstrittenen Polizeigewerkschafters Rainer Wendt festmachen.  

Stefan Pausch stellt schließlich den Antrag, mit keinem der Kandidaten weitere Gespräche zu führen und keine Wahlempfehlung auszusprechen: „Unsere Wähler haben andere Prioritäten, als diese beiden Personen. Jeder soll sein eigenes Gewissen fragen.“ Dafür findet er 13 Unterstützer, was bei den zu inzwischen vorgerückter Stunde noch 32 Anwesenden allerdings keine Mehrheit darstellt. Die vereint schließlich Klaus Wolf auf seinen Antrag: Der Vorstand möge mit beiden nochmal sprechen und klarmachen, dass es Unterstützung der Grünen nur mit einer „Machtperspektive“ gibt. Und dann schauen, ob sie etwas anbieten können. 

Letztendlich seien beide Bewerber vermutlich froh, wenn man sich nicht für den anderen entscheide. Was aber vielleicht ein Trugschluss ist: „Die Leverkusener Grünen haben sich in ihrer Geschichte nur zwei Mal entschlossen, eine Wahlempfehlung auszusprechen“, berichtet Roswitha Arnold. „Beide Male hat der Kandidat verloren.“