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LadenschließungenIn Waldbröl verschwinden Traditionsgeschäfte aus dem Stadtbild

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Bis er einen neuen Job gefunden hat, engagiert sich der frühere Geschäftsinhaber Thomas Braatz im Waldbröler „Kaufhaus für Alle“. Haushaltswaren Wehner, das eigene Geschäft, hat der heutige 56-Jährige im August 2025 aufgegeben.

Bis er einen neuen Job gefunden hat, engagiert sich der frühere Geschäftsinhaber Thomas Braatz im Waldbröler „Kaufhaus für Alle“. Haushaltswaren Wehner, das eigene Geschäft, hat der heutige 56-Jährige im August 2025 aufgegeben.

In diesem Jahr endet in der Marktstadt die Geschichte von Garten- und Landschaftsbau Barth wohl ebenso wie die von Haushaltswaren Wehner und K-Line.

Acht Hektar tief im Grünen, Entenweiher, Baumschule, Gewächshäuser, Aufzuchtflächen, dazu auf Wunsch ein Wohnhaus – und das alles in höchstidyllischer Lage. Und wer möchte, der bekommt oben drauf auch noch ein Startkapital. Wo es das gibt? In Waldbröl – in Hermesdorf, um genau zu sein. Wer dort das Unternehmen des Ehepaars Wilma und Walter Barth übernimmt, der hockt sich ins gemachte Nest. Ende dieses Jahres schließen die beiden den 1978 gegründeten Betrieb für Garten- und Landschaftsbau ebenso wie das Garten-Centrum.

Ein Nachfolger ist aber nicht in Sicht: „Das tut weh, sehr weh“, bekennt Walter Barth, heute 77 Jahre alt. „Wenn man 65 wird, denkt man zum ersten Mal an den Ruhestand – ich habe für diese Entscheidung ein paar Tage länger gebraucht.“ Die Hoffnung, dass sich doch noch jemand findet, der das Geschäft fortführen möchte, will der Gründer nicht aufgeben.

Auch wünscht sich der Diplom-Ingenieur und Sachverständige im Garten- und Landschaftsbau, dass die drei verbliebenen von vormals 20 Beschäftigten dann auch weiterhin ihren Arbeitsplatz am Bettinger Weg haben: „Jeden von ihnen habe ich selbst ausgebildet.“ Sven-Oliver, der Sohn, lebt in Berlin und arbeitet als Kinderarzt.

Schweren Herzens wollen Werner Barth (heute 77) und seine Ehefrau Wilma (67) ihr Unternehmen in der Waldbröler Ortschaft Hermesdorf ausgeben. Dazu gehört auch ein Garten-Centrum.

Schweren Herzens wollen Werner Barth (heute 77) und seine Ehefrau Wilma (67) ihr Unternehmen in der Waldbröler Ortschaft Hermesdorf ausgeben. Dazu gehört auch ein Garten-Centrum.

Mehrmals hat Walter Barth das Gelände – alles ist Eigentum – bereits zum Kauf angeboten. Vergeblich. Auch das eigene Wohnhaus darauf würde das Ehepaar veräußern. „Unser Betrieb ist wirtschaftlich gesund, ein Einkommen ist garantiert“, betont der Inhaber, der selbst 1978 einen Vorgängerbetrieb in Hermesdorf vor der Aufgabe bewahrt hat. Er warnt jedoch: „Wer einsteigt, braucht nicht nur Fachwissen im Garten- und Landschaftsbau, sondern auch kaufmännisches Wissen.“

Um den Neustart zu erleichtern, verspricht Barth eben auch ein Startkapital. „Wir haben den größten Teil des Maschinenparks verkauft, man muss also in neue Geräte investieren“, schildert der Geschäftsmann, der etwa die Gestaltung der Waldbröler Kaiserstraße, des Bürgerdorfes am Alsberg und die der Grünanlagen der Kölner „Motorworld“ zum Portfolio seiner Firma zählt. „Dieses Geld muss später natürlich zurückgezahlt werden, aber es gibt keine Bank, die einem im Nacken sitzt.“

Auch Thomas Braatz ist den schweren Schritt gegangen und hat in Waldbröl ein alteingesessenes Geschäft geschlossen

Der Name Barth ist in diesem Jahr indes nicht der einzige, der aus Waldbröls Wirtschaftslandschaft verschwindet: Thomas Braatz hat diesen Schritt bereits hinter sich, am 30. August hat er das Ladenlokal von Haushaltswaren Wehner an der Kaiserstraße 5 zum letzten Mal abgeschlossen. 1932 haben Annedore und Bruno Wehner das Geschäft als Eisenwarenhandlung in der Stadtmitte gegründet und zur festen Adresse gemacht für jeden, der Praktisches, Robustes und Hochwertiges suchte für das eigene Heim, Angelgeräte und Schlüssel gehören später ebenso zum üppigen Sortiment.

Am 1. Juli 2000 übernimmt Thomas Braatz das Fachgeschäft. „Nach 40 Jahren bei Wehner und nach einer Selbstständigkeit von genau 25 Jahren, habe ich schweren Herzens das Licht für immer ausgemacht – das Ende einer echten Institution“, bedauert er und erklärt: „Es ging nicht mehr, unterm Strich blieb nicht genug zum Leben übrig.“

Den Internethandel nennt der heute 56-Jährige als größten und gefährlichsten Konkurrenten: „Früher haben wir unendlich viele Hochzeitstische gemacht – heute kaufen die Leute solche Sachen lieber im Internet und fahren für den Rest des Geldes in den Urlaub. Für hochwertige Tischwäsche oder Geschirr zum Beispiel ist dann kein Euro mehr übrig.“ Nun sucht der gebürtige Waldbröler einen neuen Job – und bis er den gefunden hat, engagiert er sich ehrenamtlich im „Kaufhaus für Alle“ und betreut die Abteilung Elektro.

Vor zwei Jahren hat sich der Geschäftsmann Braatz zum ersten Mal mit einer möglichen Schließung beschäftigt

Als 2023 die letzte von zuvor sechs Mitarbeiterinnen in den Ruhestand geht, beschäftigt Thomas Braatz zum ersten Mal der Gedanke, den Laden mit einer Verkaufsfläche von mehr als 170 Quadratmetern zu schließen. Genau dort hat er als 16-Jähriger einst die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann begonnen: „Damals kaufte meine Mutter Marlies eine Backform und fragte nebenbei, ob es im kommenden Jahr einen Ausbildungsplatz für mich gebe.“ Diesen Platz gibt es – allerdings will Annedore Wehner den jungen Mann sofort haben. „Ich verließ die Hauptschule und stürzte mich in die Arbeit“, blickt Braatz zurück.

Unterdessen kündigt sein früherer Nachbar an der Kaiserstraße, der Taschen-, Koffer- und Schulranzenhändler K-Line mit Hauptsitz in Wiehl, ebenfalls das nahende Aus der Waldbröler Filiale an und lädt bis Ende dieses Monats noch ein zum Räumungsverkauf: Die Gründe für die Schließung seien allein privater Natur, auch spiele das hohe Alter des Betreibers eine Rolle, heißt es auf Nachfrage aus der Niederlassung. Damit wird bald jedoch eine große Ecke an der Verkehrsmeile wohl vorerst leerstehen. 22 Jahre hat es K-Line in der Marktstadt gegeben.

„Das Geschäft ist ein echtes Schmuckstück in toller Lage“, schwärmt Joachim Jacobs, Vermieter und Besitzer der Immobilie mit einer Nutzfläche von fast 340 Quadratmetern. Ein neuer Mieter sei bisher nicht in Sicht, klagt der Waldbröler und betont: „Wer einziehen möchte, der kann aber auch eine kleinere Fläche bekommen: Das Ladenlokal kann aufgeteilt werden.“


Niklas Discher ist neuer Wirtschaftsförderer der Stadt Waldbröl

Zum ersten Mal hat die Stadt Waldbröl in diesem Jahr die Stelle eines Wirtschaftsförderers und Stadtentwicklers ausgeschrieben und die Stabsstelle Wirtschaftsförderung eingerichtet: Anfang September hat Niklas Discher diesen Posten angetreten.

Nach Auskunft von Waldbröls Bürgermeisterin Larissa Weber soll er sich zunächst auf die Innenstadt und insbesondere auf die Vermarktung des früheren Merkur-Geländes konzentrieren. Dort möchte das Rathaus Handel, Gewerbe und Dienstleister ansiedeln. Die Vermarktung der freien Flächen im Industrie- und Gewerbegebiet Hermesdorf III ist eine weitere Aufgabe Dischers.

Der neue Mann im Rathaus ist gebürtiger Oberberger, in Köln hat er Geografie studiert. Zuvor war Discher eigenen Angaben zufolge „bei einem der größten Einzelhandelsunternehmen in Deutschland“ beschäftigt sowie in einem durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekt zum Thema Transformation und Strukturwandel tätig.