Geschichte der StromversorgungBerggeist brachte die Energie an die Sieg

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Vor dem Umspannwerk in Siegburg blicken Thomas Niemann (l.) und Christoph Brombach zurück auf die Entwicklung der Energieversorgung im Rhein-Sieg-Kreis.

Rhein-Sieg-Kreis – Wer bei Berggeist und Strom an ein alkoholisches Getränk und dessen Folgen denkt, liegt – zumindest im Rheinland – völlig falsch. Christoph Brombach und Thomas Niemann jedenfalls kämen nie auf diese Idee. Auch wenn das lange vor ihrer Zeit war, wissen die RWE-Veteranen dass sich hinter Berggeist ein Unternehmen verbirgt, das weite Teile des heutigen Rhein-Sieg-Kreises und darüber hinaus elektrifiziert hat.

Beide gehören über Jahrzehnte zum Energieriesen und den diversen Nachfolgegesellschaften. Sie haben über die Entwicklung im Stromgeschäft eine Menge zu erzählen.

Nicht nur im Rheinland sei die Einführung des elektrischen Stroms kleinteilig erfolgt, berichtet Brombach, der in den vergangenen 30 Jahren Sprecher der RWE und zuletzt Innogy und Westnetz in Siegen war. Im linksrheinischen Braunkohlegebiet habe die aus der Grube Berggeist auf Brühler Gebiet hervorgegangene Electricitätswerk Berggeist AG 1899 begonnen, Bonn und schließlich das Siegtal mit Strom zu versorgen.

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Die ursprünglich bei Berggeist eingesetzten 5,5 Kilo-Volt-Trafos wurden in Serie geschaltet, um mit 11 KV bis hinauf nach Windeck mehr Leistung zu bekommen.

Elf Kilovolt-Netz existiert in Bonn bis heute

Landesweit betrachtet sei das 11 KV-Netz eher selten. Während noch heute große Teile Bonns mit der Spannung versorgt würden, seien schon in der Elektrifizierungsphase des vergangenen Jahrhunderts andernorts zehn Kilovolt üblich gewesen. Das zu drehen wäre heute nicht zu bezahlen, meinen die Experten. Jede Trafostation in den Mittelspannungsnetzen bis hinein in Wohn- und Gewerbegebiete müsste umgerüstet werden.

Berggeist ist wie andere regionale Stromerzeuger und Verteiler sowie viele örtliche Genossenschaften längst Geschichte. Kostendruck habe immer größere Einheiten gefordert, berichtet Brombach.

RWE habe schon in der Mitte des 20. Jahrhunderts regionale Netze übernommen. Heute betreue Westnetz das Mittelspannungsnetz rechtsrheinisch aus Siegen, linksrheinisch aus Düren. Aus Sicht der RWE-Experten hat die Liberalisierung des Strommarktes mit der Trennung von Netz und Vertrieb den Trend zu größeren Einheiten verstärkt.

Angesichts purzelnder Preise galt es, Kosten zu senken, Technik zu vereinheitlichen. Noch vor Jahrzehnten beriet RWE Endkunden, bot Kochkurse an. Heute konzentriert sich Westnetz auf die Netze.

Digitalisierung hilft Störungen früh zu erkennen

Früher sei durchgehend ein Mitarbeiter pro Umschaltanlage nötig gewesen. Heute werde alles ferngesteuert. Auch bei Hoch- und Mittelspannung sei die Digitalisierung auf dem Vormarsch. „Der nächste Schritt sind intelligente Ortsnetzstationen“, berichtet Niemann.

Die könnten auch im Niederspannungsnetz Störungen erkennen und noch vor dem Eintreffen der Techniker selbst auf alternative Leitungen umschalten, um die Kunden möglichst flott wieder mit Energie zu versorgen.

Außer den organisatorischen seien auch die technischen Anforderungen und die Abhängigkeit vom Strom gestiegen. Computer in allen möglichen Steuergeräten bräuchten gleichmäßige Spannung. Private Photovoltaik- und Wasserkraftanlagen müssten integriert werden.

Mit der Zeit, in der Lichtstrom 60 Pfennige und Gewerbestrom 30 Pfennige kostete und die Grundgebühr nach Räumen und Verbrauchern berechnet wurde, sei das schon lange nicht mehr zu vergleichen.

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Als schmerzliche Einschnitte, die weh taten, haben die RWE-Veteranen manch einen Schritt der Regionalisierung des Marktes empfunden. Als die oberbergische Gemeinde Nümbrecht als eine der ersten kleinen Kommunen in den 1990er Jahren ihr Stromnetz selbst betreiben wollte und dafür sogar gegen den Energiegiganten RWE vor Gericht zog, oder als Troisdorf eigene Stadtwerke gründete, mussten die Monopolisten lernen, „dass wir zu Partnern und Dienstleistern wurden“. So auch in Neunkirchen-Seelscheid, wo die Gemeinde 51 Prozent der Anteile der gemeinsamen Gesellschaft besitzt.

Auch wenn gelegentlich noch ein wenig Wehmut mitschwingen mag, haben Brombach und Niemann mit der Monopol-Vergangenheit klar abgeschlossen: Damit gehen sie inzwischen professionell um.

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