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InterviewSo reagiert die Caritas Rhein-Erft auf den Fachkräftemangel in Pflege und Kita

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Das Foto zeigt die Finanzvorständin vor dem Caritas-Logo.

Kirsten Hols ist seit Anfang 2025 Finanzvorstand beim Caritasverband Rhein-Erft.

Jede Menge zu tun hat Kirsten Hols, seit Januar Finanzvorstand der Caritas. Vor allem der Personalmangel und Bauprojekte beschäftigen sie.

Frau Hols, Sie haben sich inzwischen sicher einen Überblick über die Seniorenzentren der Caritas im Kreis verschaffen können. In welchem würden Sie sich selbst zur Ruhe setzen?

(lacht) In allen! Wirklich, jedes Zentrum ist auf seine Art besonders. Sie sind sehr unterschiedlich, haben alle ihren eigenen Charme. Ich glaube, ich könnte mich in jedem wohlfühlen.

Sie stammen aus dem Münsterland, waren zuletzt in Düsseldorf tätig und wohnen nun in Odenthal. Was hat Sie in den Rhein-Erft-Kreis verschlagen?

Tatsächlich der Caritasverband. Er ist ein sehr lebhafter, wachsender und aktiver Verband. Ich habe gespürt, dass das gut passen könnte.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für den Caritasverband in den nächsten Jahren?

Ganz klar der Fachkräftemangel – sowohl in der Pflege als auch in der Kita-Landschaft. Wir steuern dem entgegen, indem wir vor allem ausbilden. Im August eröffnen wir in Kerpen eine neue Pflegeschule. Dort werden wir rund 100 Auszubildende pro Jahr schulen. Außerdem rekrutieren wir auch Personal aus dem Ausland. Wir haben eine Kooperation in Marokko, von dort kommen Auszubildende in den Kreis. Wir haben eine neue Mitarbeiterin aus Italien für die Kita, und ein Mitarbeiter war gerade in Indien unterwegs, um dort Menschen für uns zu gewinnen.

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Gelingt es Ihnen, genügend Nachwuchskräfte für eine Pflegeausbildung zu gewinnen?

Ja, tatsächlich. Wir können die Ausbildungsplätze in unseren Häusern gut besetzen.

Der Wettbewerb auf dem Pflegemarkt ist hart. Was macht die Caritas zu einem attraktiven Arbeitgeber?

Uns ist Wertschätzung besonders wichtig, das leben wir. Gleichzeitig entwickeln wir uns als moderner, innovativer Träger weiter.

Worin zeigt sich das?

Ein Beispiel ist die Digitalisierung. Wir setzen bei der Pflegedokumentation zukünftig künstliche Intelligenz ein. Die Pflegekraft spricht etwa gerade gemessene Blutdruckwerte einfach ins Smartphone, und diese landen automatisch an der richtigen Stelle im System. Auch flexible Arbeitszeiten und sichere Dienstpläne sind uns ein Anliegen. Dafür bauen wir gerade einen Mitarbeiter-Pool auf, um besser auf Ausfälle reagieren zu können.

Wo sehen Sie weitere sinnvolle Einsatzmöglichkeiten für Digitalisierung und den Einsatz von KI in der Pflege?

Etwa durch Sensoren in den Räumen, die registrieren, wenn jemand das Bett verlässt. Oder durch besseren digitalen Austausch mit Ärzten und Apotheken. Auch die Telematikinfrastruktur, die wir derzeit einführen, vereinfacht Abläufe enorm.

Können Sie sich Roboter in der Pflege vorstellen?

Als Assistenz ja – etwa für Unterhaltung oder zur Unterstützung des sozialen Dienstes. In Japan sind Roboter schon weiter verbreitet. Bei uns haben wir zum Beispiel schon den kleinen Roboter „Pepper“ mit den großen Kulleraugen getestet, der bei den Bewohnerinnen und Bewohnern sehr beliebt ist. Dass Roboter Pflegekräfte vollständig ersetzen könnten, sehe ich allerdings nicht.

Wäre eine Reduktion des Fachkräfteanteils denkbar, um den Personalbedarf zu decken?

Das passiert aktuell bereits. Der Personalschlüssel wird inzwischen abhängig vom Pflegegrad des Bewohners berechnet – dadurch sinkt der Anteil an examiniertem Personal teilweise. Das ist eine gesetzliche Vorgabe. Natürlich versuchen wir immer, Engpässe zu vermeiden – im Notfall auch mit Leiharbeitskräften.

Verdient man als Pflegefachkraft eigentlich gut?

Ja. Die Vergütung hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert – auch in der Ausbildung. Pflegefachkräfte liegen heute über dem Durchschnittsverdienst.

Warum können denn manche Leiharbeitsfirmen offenbar bessere Konditionen bieten?

Sie zahlen teils höhere Löhne, weil sie nicht in einem Tarifgefüge sind wie wir, wir haben auch ganz andere Fixkosten. Und sie bieten flexiblere Arbeitszeiten – daran arbeiten wir auch.

Das Foto zeigt eine Gruppe von Menschen mit Spaten hinter einem Sandhaufen.

In Hürth baut die Caritas einen Seniorenwohnpark. Zum Spaten griffen im Mai Architekt Dr. Michael Abels, Vorstand Kirsten Hols, Bürgermeister Dirk Breuer, Caritas-Vorstandsvorsitzende Dr. Petra Rixgens und Klaus Jacobs (Hochtief).

Der Anteil an Frauen ist groß in der Pflege. Verlieren Sie viele weibliche Pflegekräfte nach der Elternzeit an die Familien?

Nein, das ist nicht mein Eindruck. Viele kehren mit reduzierter Stundenzahl zurück. Wir bieten auch verschiedene Modelle an, um die Rückkehr zu vereinfachen – wie etwa in der ambulanten Pflege mit angepassten Mommy- und Daddy-Touren oder reinen Nachtdiensten, um das zu ermöglichen.

Die Caritas lebt auch stark vom ehrenamtlichen Engagement. Welche Rolle spielen Ehrenamtliche in Ihren Einrichtungen?

Eine sehr große! Wir haben über 1000 Ehrenamtliche – fast so viele wie hauptamtliche Mitarbeitende. Sie engagieren sich beim Vorlesen, bei Festen, beim Spazierengehen oder im Garten. In Pulheim zum Beispiel gibt es die „Wühlmäuse“, eine Gruppe, die ehrenamtlich die Gartenpflege übernimmt. Dieses Engagement bereichert unseren Alltag sehr.

Die Caritas ist ein katholischer Träger. Wie stark wirkt sich das im Alltag in den Einrichtungen aus?

Unsere Werte sind uns sehr wichtig. Dabei geht es um Gemeinschaft, Wertschätzung und Respekt. Wir sind offen für alle Religionen und kulturellen Hintergründe. Die Kirchenzugehörigkeit spielt im Alltag aber kaum eine Rolle. Unsere Angebote – zum Beispiel die Gottesdienste in den Seniorenzentren – sind offen für alle. Auch evangelische oder konfessionslose Menschen sind herzlich willkommen.

Viele Mitarbeitende und Bewohner haben inzwischen einen Migrationshintergrund. Wie begegnen Sie dieser Vielfalt?

Das ist für uns ganz selbstverständlich. Unsere neuen Kolleginnen und Kollegen werden integriert wie alle anderen auch. Vielfalt ist für uns Alltag.

Der Caritasverband investiert derzeit stark in Neubauten von Pflegeeinrichtungen. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus?

Die Baukosten werden über einen Zeitraum von 50 Jahren refinanziert – das heißt, sie sind langfristig abgesichert. Aber natürlich müssen wir im Kostenrahmen bleiben, was bei steigenden Baupreisen eine Herausforderung ist. Dafür brauchen Sie ein gutes Team. Zu einer echten Aufgabe kann es werden, wenn wir während dieser Zeit größere Sanierungsmaßnahmen durchführen müssen. Auch das liegt an den Kostensteigerungen. Ebenso ein Thema ist auch die Suche nach qualifiziertem Personal für die neuen Einrichtungen, weil wir expandieren. Ein Problem hätten wir, wenn es Leerstände gäbe. Aber das ist nicht abzusehen.

Wie finanziert sich ein Pflegeplatz bei der Caritas?

Die Kosten setzen sich zusammen aus Leistungen der Pflegeversicherung und einem Eigenanteil, den der Bewohner trägt. Ist dieser nicht finanzierbar, springt die Sozialhilfe ein. Für uns als Einrichtung ist die Finanzierung in der Regel auskömmlich – für die Bewohner und ihre Familien stellt der Eigenanteil aber mitunter eine Belastung dar. Um dem entgegenzuwirken, muss die Pflegeversicherung umstrukturiert werden. Da sehen wir den Gesetzgeber in der Pflicht.

Neben der Pflege – welche Themen beschäftigen den Verband sonst?

Der Kinder- und Jugendbereich sowie die Beratung sind wichtige Arbeitsfelder. Dort stellt sich zunehmend die Frage der Refinanzierung, da wir hier oft Eigenmittel einbringen müssen. Diese stammen zum Teil aus Kirchensteuern, deren Einnahmen aber sinken – das wird eine Herausforderung.

Steigt die Nachfrage nach Beratung?

Ja, besonders seit Corona. Viele Familien geraten unter Druck, was sich auch in der Erziehungs- und Familienberatung zeigt. Wir versuchen, mit Projekten wie „Wasserläufer“ nach der Flutkatastrophe in Erftstadt auf die konkreten Bedürfnisse vor Ort zu reagieren.

Zu guter Letzt: Ihr Vorgänger Peter Altmayer beklagte mit einem Augenzwinkern, dass trotz aller Digitalisierung noch immer viele Dokumente in Papierform durchs Haus wandern. Ist das heute anders?

(lacht) Ein bisschen. Es gibt immer noch einen Briefeingang und Umlaufmappen. Aber vieles läuft mittlerweile digital – E-Mails, elektronische Rechnungen. Wir sind auf dem Weg, Schritt für Schritt.


Zur Person

Kirsten Hols ist seit Januar 2025 Vorstandsmitglied des Caritasverbands Rhein-Erft mit Sitz in Hürth und dort für Finanzen, Personal, IT und Immobilien verantwortlich. Die 56-jährige Odenthalerin war zuletzt bei der Diakonie in Düsseldorf tätig.

Die Diplom-Volkswirtin hat an der Universität zu Köln studiert und ist seit 25 Jahren als Führungskraft tätig, davon über 20 Jahre bei sozialen Trägern. Sie stammt aus dem Münsterland.

Größter Wohlfahrtsverband

Der Caritasverband Rhein-Erft ist Träger von rund 70 Diensten und Einrichtungen rund um ambulante und stationäre Pflege, Familien-, Kinder- und Jugendhilfe sowie Beratungsdienste. Im Rhein-Erft-Kreis betreibt die Caritas neun Seniorenzentren. Über 1700 Menschen sind beim größten Wohlfahrtsverband im Kreisgebiet beschäftigt, dazu kommen rund 1000 Ehrenamtliche.