„Anne Will“ zum CoronavirusÄrztin wirft Moderatorin vor, eigenes Thema zu verfehlen

Lesezeit 3 Minuten
Talkshow_Anne_Will

Symbolbild

Berlin – Rund 1000 bestätigte Corona-Infektionen gibt es inzwischen in Deutschland, der erste Deutsche ist nachweislich an dem neuartigen Virus gestorben, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) empfiehlt, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern abzusagen.

„Die Ereignisse überschlagen sich derzeit“, sagt Moderatorin Anne Will zu Beginn ihrer Sendung am Sonntag. Diese steht unter dem Motto „Quarantäne, Hamsterkäufe, abgesagte Veranstaltungen – wie berechtigt ist die Angst vor dem Coronavirus?“.

Die Gäste bei „Anne Will“ am Sonntag

Karl-Josef Laumann: Der Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen lobt das hiesige Gesundheitssystem. „Ich habe schon den Eindruck, dass das System ziemlich professionell mit der Geschichte umgeht“, sagt der CDU-Politiker.

Ranga Yogeshwar: Der Wissenschaftsjournalist ruft immer wieder zur Vernunft auf. „Das kleinste Risiko wird aufgebauscht, wir sehen keine Verhältnismäßigkeit“, sagt er und kritisiert damit vor allem die Berichterstattung über Corona.

Susanne Herold: Die Professorin für Infektionserkrankungen der Lunge befürwortet die Empfehlung von Spahn, Großveranstaltungen abzusagen.

Sibylle Katzenstein: Die Hausärztin bietet auf eigene Kosten Videosprechstunden an und hat einen Weg gefunden, Patienten mit Corona-Verdacht risikofrei zu testen. Die entspannte Einstellung vieler zum Thema kann sie nicht nachvollziehen.

Marcel Fratzscher: Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung prognostiziert, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland durch die Corona-Epidemie steigen wird. „Das wird die deutsche Wirtschaft sehr hart treffen“, sagt er.

Statt um die Gesundheit der Leute geht's um Fußball

Eine ganze Zeit lang dreht sich die Sendung um das Thema Fußball. Natürlich nicht um Fußball als solchen, sondern um Stadionbesuche als Beispiel für Massenveranstaltungen. Einig ist sich die Runde darin, Spahns Empfehlung zu befürworten.

Richtige „Corona-Ferien“ für Schulen und Kitas, wie der bekannte Virologe Alexander Kekulé sie schon mehrmals gefordert hat, halten die meisten Gäste dagegen für nicht notwendig. Yogeshwar und Laumann warnen immer wieder vor Hysterie und Unverhältnismäßigkeit, Herold äußert sich den ganzen Abend über immer nur zögerlich und oft ohne klare Position und Fratzscher warnt qua Amt vor allem, was das öffentliche Leben und damit die Wirtschaft einschränken könnte. Dann sind sich ja alle einig, oder? Nein.

Der spannendste Moment des Abends

Denn da gibt es ja noch Sibylle Katzenstein, Hausärztin in Berlin. „Wir reden hier über die falschen Dinge“, sagt sie energisch, als Will und Laumann zum wiederholten Mal über Fußballstadien sprechen. „Ich finde unsere Gesellschaft wirklich zu individualistisch. Es geht hier nicht um Fußballspiele. Es geht um den Schutz der alten Menschen und der kranken Menschen“, sagt die Ärztin.

Die Patienten in ihrer Praxis verhielten sich auch nicht hysterisch, nur verantwortungsvoll. Statt nun also immer eine allgemeine Hysterie zu kritisieren solle man lieber „fundierte Aufklärung betreiben, damit jeder für sich entscheiden kann, ob er Angst hat“, sagt Katzenstein.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Ärztin punktet auch damit, dass sie sich dem Thema nicht auf eine theoretische oder politische Art nähert, sondern von Erfahrungen aus dem Arbeitsalltag berichten kann. Um Patienten mit Corona-Verdacht zu beraten und zu behandeln, bietet sie auf eigene Kosten Videosprechstunden an.

Außerdem brachte ihre 16-jährige Tochter sie auf eine simple, aber effektive Idee: Weil die Hausärztin die Tests ohne die nötige Schutzkleidung nicht in ihrer Praxis durchführen kann, können die Patienten die Test-Kits von „gesunden Kontaktpersonen“ abholen lassen.

Die Patienten machen dann selbst den Abstrich und schicken ihn ans Labor. „So entsteht kein Risiko für mich oder mein Personal“, sagt sie.

„Anne Will“ am 8. März: Das Fazit

Die Berliner Hausärztin brachte neue Ideen und Ansichten in eine Runde, die sich ansonsten leider weitgehend einig war und somit wenig diskutierte. Was fehlte, war ein Experte wie der Virologe Kekulé, der mit seiner nüchternen, informativen Art etwa die vergangene Ausgabe von „Hart aber fair“ dominierte.

Diesen Job hätte Susanne Herold gehabt, allerdings antwortete sie auf nahezu jede Frage mit „So genau kann man das nicht sagen“ und „Das wissen wir nicht“.

KStA abonnieren