Schicksalswoche in BerlinDie Union steht vor wegweisenden Entscheidungen

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Laschet Rednerpult

Gescheiterter Kanzlerkandidat der Union: Armin Laschet

Berlin – Der Union stehen an diesem Montag schicksalshafte Gremiensitzungen bevor, in denen ein Fahrplan zur Erneuerung festgelegt werden soll.

Das wird nicht einfach, da schon das Vorgehen für die Neuaufstellungen umstritten ist. Soll eine Art Treuhänder eingesetzt werden, der wie ein Notar gerecht gegen alle Interessenslagen ist? Gibt es eine solche Person überhaupt? Lässt man vielmehr den amtierenden Parteichef, der seinen Rückzug bereits angekündigt hat, diesen Prozess moderieren? Soll es einen Übergangsvorsitzenden geben?

Wer soll über den künftigen Parteichef entscheiden – Funktionäre im Hinterzimmer, ein Parteitag, die Mitglieder? Es gibt mehr Fragen als Antworten. Die Lage ist sehr unübersichtlich.

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Saarländischer CDU-Landesverband setzt Signal

Unterdessen hat der saarländische CDU-Landesverband ein starkes Signal gesetzt. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Wirtschaftsminister Peter Altmaier kündigten beide an, ihre Bundestagsmandate nicht anzunehmen. Dafür können die Jüngeren, Nadine Schön (38) und Markus Uhl (42), ins Parlament rücken. Ihre Entscheidung stieß parteiübergreifend auf viel Respekt. Zugleich machte Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans deutlich, dass er die CDU in der Mitte halten will. „Wir haben die Wahl nicht am rechten Rand verloren“, sagte er.

Die Erneuerung der CDU wird durch den anhaltenden Zwist mit der CSU erschwert. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder gab am Wochenende erneut CDU-Chef Armin Laschet die Schuld an der Wahlniederlage der Union. In der CDU hingegen verweist man auch auf die anhaltenden Sticheleien aus München als Ursache für die Niederlage. Am deutlichsten ist Friedrich Merz, dessen Verhältnis zu Söder als zerrüttet gilt. Er kritisiert das Verhalten der CSU als „stillos, respektlos und streckenweise rüpelhaft“.

Althusmann: CSU fehlte es an Teamgeist

Ähnlich äußerte sich der niedersächsische CDU-Chef Bernd Althusmann. „Der CSU hat es an Teamgeist in der schwierigsten Phase der Union gefehlt“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Die Führungsspitze der CSU trage eine gehörige Portion Mitverantwortung für das schlechte Ergebnis der Union.

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In Bedrängnis: Armin Laschet

„So manche Grenze wurde da unnötig überschritten.“ Althusmann mahnte weiter: „Geschlossenheit ist das Ziel, und die erreichen wir nicht, wenn wir weitermachen wie bisher.“ Er forderte, es sollten jetzt alle mal „tief durchatmen“ und nach vorne schauen. Aber auch innerhalb der CDU ist viel Vertrauen zerstört. Es zeichnet sich ab, dass ein Moderator für den Übergang bestimmt werden soll. Nicht wenige setzen dabei noch auf Laschet. „Das ist jetzt seine letzte große Aufgabe als Bundesvorsitzender“, sagte Innenstaatssekretär und bisheriger NRW-Landesgruppenchef der Unionsfraktion, Günter Krings, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Die Diskussion um einen bloßen Übergangsvorsitzenden erscheine ihm hingegen gefährlich abstrakt. „Klar ist, dass fast vier Jahre vor der nächsten Bundestagswahl ein neuer Vorsitzender nicht automatisch Anspruch auf die Kanzlerkandidatur erheben kann. Aber wir sollten auch niemanden wählen, dem wir dieses Amt nicht zutrauen“, betonte Krings. Ein CDU-Vorsitzender müsse immer auch kanzlertauglich sein. „So viel Selbstbewusstsein sollten wir auch aktuell noch haben.“

Befürworter für Laschet als Erneuerungs-Moderator

Auch der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz sprach sich für Laschet als Moderator des Erneuerungsprozesses aus. „Das Beste wäre, wenn Präsidium und Vorstand der CDU Armin Laschet den Prozess überlassen, die Parteiführung neu aufzustellen“, sagte Polenz dem RND. Laschet habe oft bewiesen, dass er zusammenführen und moderieren könne.

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„Damit könnte er der CDU auch noch einen großen Dienst erweisen.“ Polenz betonte, es sei zentral, „dass sich die Aspiranten für den Parteivorsitz darauf verständigen müssen, eine Entscheidung – egal, ob die Mitglieder oder ein Parteitag sie treffen – zu akzeptieren und sich einzureihen.“

Polenz: CDU braucht 100.000 neue Mitglieder

Zugleich betonte Polenz, die CDU brauche 100.000 neue Mitglieder und müsse mit ihnen jünger, weiblicher und diverser werden. „Nur so kann die CDU Volkspartei bleiben.“ Eine Volkspartei brauche die Verwurzelung in der breiten Bevölkerung, um das Lebensgefühl der Menschen zu erfassen.

Althusmann forderte klare Entscheidungen der Gremien am Montag. „Ich erwarte, dass das Präsidium einen klaren Zeitplan und einen Verfahrensvorschlag für einen Sonderparteitag der CDU Deutschlands möglichst im Dezember, spätestens im Januar beschließt.“ Der Weg, sich auf eine Persönlichkeit zu verständigen, sei extrem ambitioniert. „Sollten mehrere Kandidaten vorgeschlagen werden, brauchen wir eine viel stärkere Einbindung aller Parteimitglieder als in der Vergangenheit.“

Die personelle Neuaufstellung solle sich nicht nur auf Männer oder Frauen oder bestimmte Altersjahrgänge konzentrieren, sondern auf die Persönlichkeit der- oder desjenigen, der die CDU in eine Zeit vieler Herausforderungen führe. Althusmann betonte weiter: „Zudem sollten wir den Kompass, das inhaltliche Fundament der Union, neu justieren.“ Das erscheine fast noch wichtiger als die personelle Frage.

Während die Union auf eine weitere Woche der Beschäftigung mit sich und ihren Machtstrukturen zusteuert, sieht es so aus, als könnten SPD, Grüne und Liberale in dieser Woche die Weichen stellen für den Start von Koalitionsverhandlungen. Am Montag sind Sondierungen von 9 bis 19 Uhr angesetzt, am Dienstag von 9 bis 13 Uhr. Am Freitag will man erneut zusammenkommen. Es ist damit zu rechnen, dass danach eine Entscheidung fallen wird, ob offiziell Koalitionsverhandlungen für eine Ampel geführt werden.

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