Kommentar zur Kanzlerkandidat-DebatteDann kann die SPD gleich sagen: „Wählt Habeck“

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Norbert Walter-Borjans

Berlin – Es gibt diesen Moment in einem Fußballspiel, in dem eine Mannschaft zurückliegt – und die Frage in den Fokus rückt, ob sie sich noch einmal zur Gegenwehr aufraffen kann. Oder ob die Spieler sich frustriert hängen lassen und aufgeben. Dann bricht die Ordnung in der eigenen Mannschaft zusammen. Die Folge sind weitere Gegentore.

Die SPD befindet sich in einer höllisch vertrackten Lage. Die traditionsreiche Partei kämpft darum, ob sie ihren Status als Volkspartei erhalten kann oder womöglich sogar in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Sie liegt weit abgeschlagen hinter einer ebenfalls strauchelnden CDU – und die Grünen drohen den Sozialdemokraten dauerhaft den Rang als führende Kraft im Mitte-links-Spektrum abzulaufen.

Norbert Walter-Borjans – der Mann, der gemeinsam mit Saskia Esken den Parteivorsitz in der SPD übernehmen möchte – hat seiner Partei jetzt davon abgeraten, in ihrer derzeitigen Verfassung mit einem Kanzlerkandidaten in den Bundestagswahlkampf zu ziehen. „Ich würde erst mal dafür werben, dass wir einen Spitzenkandidaten aufstellen“, sagte er dem „Spiegel“. Wie kommt der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister dazu, die Ansprüche der SPD jetzt von vorneherein so stark zurückzuschrauben?

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Walter-Borjans handelt zum einen aus der Verlegenheit heraus, dass er für die Kanzlerkandidatenfrage derzeit keine Lösung anzubieten hat – anders als das Team aus Klara Geywitz und Olaf Scholz. Vizekanzler Scholz hat klargemacht, dass er bereit ist anzutreten. Gleichzeitig gibt es eine Müdigkeit in großen Teilen der Partei: eine Müdigkeit, das Land mit der Union zu regieren, aber auch am lange währenden Anspruch, Volkspartei zu sein, in Umfragen und Wahlen zu scheitern. Verzicht auf einen Kanzlerkandidaten? Das klingt für einige in der SPD nach einer Erlösung.

Das Spiel ist noch nicht abgepfiffen

Das Problem ist nur: Es ist gleichbedeutend damit, das Spiel aufzugeben, schon bevor es abgepfiffen ist. Egal welches Kandidatenduo die SPD künftig führt, es muss das Ziel haben, die SPD zumindest wieder an die 20 Prozent heranzuführen – oder sogar darüber hinaus. Es mag ja sein, dass es sich im Nachhinein endgültig als unrealistisch herausstellt, wenn die SPD in der kommenden Bundestagswahl den Anspruch erhebt, um die Kanzlerschaft zu kämpfen. Aber dieses Mal muss die SPD es auf jeden Fall noch versuchen. Es ist für sie zu früh, auf einen Kanzlerkandidaten zu verzichten – mindestens eine Bundestagswahl.

Und überhaupt: Was soll denn die strategische Alternative für die SPD sein? Soll sie zur nächsten Bundestagswahl hin sagen: „Wählt uns, aber wir gehen ohnehin in die Opposition“? Soll sie sagen: „Schwarz-Grün ist ja eh stärker – oder vielleicht sogar Grün-Schwarz“? Damit würden die Genossen den Wählern zeigen, dass es sich nicht lohnt, ihnen die Stimme zu geben. Dann kann die SPD auch gleich zur Wahl von Robert Habeck aufrufen.

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