Verzögerte Milliardenhilfe für UkraineDie Koalition unterwirft sich ihrer Angst

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)

  • Kanzler Olaf Scholz will der Ukraine mehr Geld für Rüstung geben. Doch das Hauptproblem ist damit nicht gelöst.
  • Ein Kommentar.

Olaf Scholz hat wieder einen Schritt gemacht – einen kleinen. Der Kanzler stellt der Ukraine mehr Geld für Rüstung in Aussicht, rund eine Milliarde Euro. Das Ziel ist klar: Das von Russland attackierte Land soll sich Waffen kaufen können. Was auf den ersten Blick wie ein substanzieller Fortschritt aussieht, verflüchtigt sich bei genauerem Hinsehen allerdings. Insofern passt die Ankündigung des Sozialdemokraten ins gewohnte Bild.

Noch ist das Geld nicht freigegeben – geschweige denn in Kiew angekommen. Worüber Deutschland derzeit aber im Übermaß verfügt, das fehlt der ukrainischen Regierung im Angesicht der wohl entscheidenden Schlacht in der Ostukraine umso mehr: Zeit.

Videoansprache an Ostermontag

„Diejenigen, die Waffen und Munition haben und ihre Lieferung verzögern, müssen wissen, dass der Ausgang der Schlacht auch von ihnen abhängt“, sagte Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videoansprache am Ostermontag. Er musste Deutschland nicht nennen. Jeder wusste auch so, wen er meinte.

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Gesetzt den Fall, die ukrainische Regierung würde sich von dem Geld tatsächlich deutsche Waffen kaufen wollen, müsste dies vom Bundeswirtschaftsministerium beziehungsweise vom Bundessicherheitsrat genehmigt werden.

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Ob das Kanzleramt dafür die Zustimmung gibt, ist nicht sicher. Denn sowohl in der Regierungszentrale als auch in der von Rolf Mützenich geführten SPD-Bundestagsfraktion hält man von derlei Exporten wenig. Das hat mit grundsätzlichen Bedenken ebenso zu tun wie mit der bisherigen Nähe zu Russland sowie der Sorge, Präsident Wladimir Putin könne als Reaktion darauf Nato-Staaten angreifen oder den Krieg sonst wie eskalieren.

Das wiederum führt zurück zur Kernmisere der SPD und der Ampelregierung, die von ihr geführt wird. Mit der Milliardengabe wird der koalitionsinterne Konflikt um die Lieferung schwerer Waffen nicht gelöst. Stattdessen wird die Lösung verschoben – vor allem weil die SPD blockiert. Dabei unterwirft sich die Koalition der Angst, ihrer eigenen und der vieler Deutscher. Schließlich gilt die Lieferung von Waffen völkerrechtlich nicht als Kriegsbeteiligung. Wenn Putin „unvorhersehbare Konsequenzen“ androht und die deutsche Regierung dem folgt, dann ist das nichts anderes als vorauseilende Unterwerfung. Es ist außerdem gefährlich. Es ermutigt Putin nämlich, weiterzugehen.

Überhaupt scheint es, als hätten das Kanzleramt und dessen Chef den Charakter dieses Krieges sechs Wochen nach seinem Beginn unverändert nicht wirklich begriffen. Dabei droht Putin ja längst nicht mehr nur für den Fall der Lieferung schwerer Waffen. Er droht mittlerweile ebenso für den Fall, dass Finnland und Schweden in die Nato eintreten. Selbst dieser Drohung sind manche Politiker bei uns bereit zu folgen. Pazifismus, Egoismus und Zynismus liegen gerade dicht beieinander.

Scholz hat das Wort „Zeitenwende“, das durch steten Gebrauch ohnehin nicht besser wird, geprägt. Aber er füllt es nach wie vor nicht. Eine Milliarde Euro wird daran nichts ändern.

Bis zum Netz ist es nicht mehr weit

Das Zaudern hat eine tiefere Ursache: Medienberichte belegen ebenso unzweifelhaft wie erschütternd das Ausmaß der Vorkriegsbeziehungen zwischen SPD-Spitzenpolitikern und der russischen Führung samt russischer Unternehmen – allen voran von Altkanzler Gerhard Schröder, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig.

Auch Ex-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gehört dazu, der nun Steinmeier in Schutz nimmt und dem ukrainischen Botschafter Andrij Melnik das Verbreiten von „Verschwörungstheorien“ vorwirft, weil dieser Steinmeier das Knüpfen eines „Spinnennetzes“ an Russland-Kontakten vorgeworfen hatte. Steinmeier hatte sich als Außenminister die Formel von „Annäherung durch Verflechtung“ ausgedacht, analog zur Formel der 1970er-Jahre: „Wandel durch Annäherung“. Bis zum Netz ist es da nicht mehr weit.

Die SPD müsste sich jetzt geistig und politisch aus dieser Verflechtung lösen und das Gegenteil dessen tun, was sie in den letzten zwei Jahrzehnten getan hat. Man sieht: Das kann sie nicht.

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