Köln testet als erste Großstadt eine luftreinigende Fassade in der Innenstadt. Das Projekt soll sogar international Strahlkraft entfalten.
Bundesweit einzigartiges PilotprojektTextilfassade soll für saubere Luft in Kölner Innenstadt sorgen
In Großstädten herrscht im wahrsten Sinne des Wortes dicke Luft: Verbrenner-Autos pusten giftiges Stickoxid in die Atmosphäre, an Sommertagen staut sich die Hitze, mitunter liegt eine Smogglocke über der Stadt. Ein Pilotprojekt an der Fassade der Volkshochschule in der Kölner Innenstadt soll nun zeigen, ob Luftfilter an Fassaden zumindest etwas Erleichterung bringen können: Hier hat die Stadt Köln am Dienstag gemeinsam mit der Stiftung „Lebendige Stadt“ und dem Bielefelder Bauzulieferer Schüco eine Textilfassade in Betrieb genommen. Ein Jahr lang wollen sie hier testen, inwieweit die Membran Schadstoffe aus der Luft filtern kann.
Das Potenzial für solche Textilmembranen ist enorm. 91 Prozent der Weltbevölkerung sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation verschmutzter Luft ausgesetzt, was jährlich zu einer halben Million vorzeitiger Todesfälle allein in Europa führt. Der Immobiliensektor steht hier besonders im Zentrum der Aufmerksamkeit: Gebäude verursachen nicht nur mehr als ein Drittel der Treibhausgasemissionen, sondern bieten durch ihre meist ungenutzte Gebäudehülle viel Fläche, die begrünt oder wie im Falle Kölns mit einem Filter ausgestattet werden könnte.
Die Textilfassade besteht aus mehr als 4400 recycelten PET-Flaschen, die Unterkonstruktion aus Aluminium mit einem Recyclinganteil von 75 Prozent. Klebstoffe wurden keine verwendet, so können alle verbauten Elemente nach Abschluss des Projekts wieder in ihre Einzelteile zerlegt und wiederverwendet werden.
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Cäcilienstraße als ideales Testfeld
„Als erste deutsche Stadt testen wir die Wirksamkeit eines solch großen Luftfilters an einem Hauptverkehrsknotenpunkt“, sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker bei der Pressekonferenz anlässlich der Eröffnung. „Ich hoffe auf überzeugende Ergebnisse der Messungen.“ Zehn Sensoren und zwei Messsysteme sammeln Daten, die dann vom Forschungszentrum Jülich ausgewertet werden.
Die Textilfassade an der Volkshochschule besteht aus zwei bedruckten Membranflächen, die jeweils acht Meter breit und 20 Meter hoch sind. Fällt Licht auf die Membran, beginnt eine chemische Reaktion, die gesundheits- und umweltschädliche Stickstoffe aus der Luft in unschädliche Nitrate umwandelt. Wenn es regnet, werden diese Nitrate dann abgewaschen und dienen als Mineralstoffe für nährstoffarme Böden oder für die Gebäudebegrünung.
Das Gebäude der Volkshochschule an der Cäcilienstraße ist das ideale Testfeld. An der vierspurigen, viel befahrenen Straße herrscht nicht nur dicke Luft, sondern auch wenig Sonneneinstrahlung, denn die Fassade ist zur Nordseite ausgerichtet. Testen unter Extrembedingungen sozusagen.
Signalwirkung für andere Städte
Das Projekt könnte bundesweit Signalwirkung haben: „Wenn diese Pilotfassade in Köln die Luftverschmutzung signifikant senkt, kann das ein positives Signal für weitere deutsche Großstädte sein, hier ebenfalls aktiv zu werden“, sagte Andreas Engelhardt, Gesellschafter von Schüco. Er hat mit seinem Unternehmen 250.000 Euro in die Herstellung und Montage der Membran gesteckt und damit den Löwenanteil des Projekts finanziert. Die Stiftung „Lebendige Stadt “ finanziert die fortlaufende Messung und Auswertung der Ergebnisse mit 100.000 Euro, die Stadt Köln stellt die Fassadenfläche bereit und erstattet die anfallenden Gebühren in Höhe von rund 20.000 Euro.
Bevor es auf die große Bühne in Köln ging, haben Schüco und die Stiftung „Lebendige Stadt“ die Textilfassade in Hamburg ausprobiert, allerdings in deutlich kleinerem Maßstab. Der Immobilienspezialist ECE hatte an seinem Unternehmenssitz Anfang 2020 die weltweit erste Textilfassade getestet, die gesundheitsschädliche Stickoxide aus der Luft filtern soll. Nach knapp zwei Jahren Testlauf konnte der 80 Quadratmeter große textile Luftfilter die Schadstoffbelastung um ein Drittel reduzieren.
In Hamburg zeigte sich ein positiver Nebeneffekt, den die Forscher so nicht auf dem Schirm hatten: Die Textilfassade diente als Sonnenschutz und konnte im Hamburger Testlauf bis zu 78 Prozent der Wärme vom Gebäude fernhalten. Und: Das Gewebe kann beliebig bedruckt werden und so die ein oder andere in die Jahre gekommene Fassade verschönern.