Deiters, Intersport und Co.Händler aus der Region rufen um Hilfe

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Die Hohe Straße in Köln (Symbolbild)

Köln – In einem normalen Jahr wäre die Karnevalssession im Rheinland derzeit voll im Gange. Es gäbe zahlreiche Sitzungen mit kostümierten Menschen in engen Sälen. Beim Karnevals-Filialisten Deiters würde das Geschäft brummen. Hätte, könnte, würde – mitten im pandemiebedingten Lockdown ist das naturgemäß anders. Und so kamen bei Deiters in Frechen am Montag auch keine karnevalsfrohen Kunden zusammen, sondern Händler und Politiker, die mit Mundschutz und teils virtuell zugeschaltet über bessere Corona-Hilfen für den Handel diskutierten.

Hilfen kommen nicht an

„Fakt ist – was Herr Altmaier und Herr Scholz mit der Bazooka angekündigt haben, ist noch nicht bei uns angekommen“, sagte Deiters-Inhaber Herbert Geiss. „Wie sollen wir als Unternehmer planen, wenn sich täglich die Regeln ändern?“

Brautmoden- und Sporthändler, Modehaus- und Fitnessstudiobesitzer: Sie alle schilderten den zugeschalteten Politikern ihre prekäre Situation. Das Treffen war unter der Vermittlung des Handelsverbands (HDE) zustande gekommen, auf Seite der Politik nahmen unter anderem der CDU-Bundestagsabgeordneten Georg Kippels und der FDP-Landtagsabgeordnete Ralph Bombis teil.

Geschäft lässt sich nicht aufholen

„Das Geschäft, das uns verloren geht, werden wir nie mehr aufholen“, sagte Christoph Drucks, der Intersport-Filialen im Raum Köln/Aachen betreibt. Am Beispiel des Sportmode-Filialisten zeigt sich eindrücklich, wieso die Textilhändler so stark von der Pandemie getroffen sind: Das Unternehmen kann das bereits gelieferte Winterequipment wie Handschuhe und Mützen derzeit nicht normal verkaufen – und wenn die Geschäfte im Frühjahr öffnen, wird sie niemand mehr brauchen. Die Saisonware muss also zu einem Großteil abgeschrieben werden.

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Hinzu kommt, dass eigentlich schon die Bestellungen und die Lieferungen für die Sommerkollektion anstehen – die wiederum nicht bezahlt werden kann, weil im Lockdown nicht der nötige Umsatz erwirtschaftet wurde.

Wertverlust bislang nicht berücksichtigt

Bislang wurde der Wertverlust von Saisonware bei der Auszahlung der Coronahilfen nicht berücksichtigt. Nach nunmehr zwei Lockdowns sind bei vielen Textilhändlern die Lager voll mit nahezu wertloser Ware, für die es bislang keine spezifische Entschädigung gab. Das dürfte sich nun allerdings ändern: Die Bundesregierung kündigte an, die Überbrückungshilfe III sowohl zu vereinfachen als auch zu erhöhen. Künftig sollen dabei unter anderem bei den Fixkosten Abschreibungen auf verderbliche und saisonale Waren vorgenommen werden können. Der HDE zeigte sich zufrieden mit den Ergebnissen.

Die Frechener Runde um Georg Kippels und den regionalen Ableger des Handelsverbands will sich nun in zwei Wochen erneut treffen, um zu schauen, wie sich die Situation bis dahin entwickelt hat. „Wir wollen keine Politikschelte betreiben sondern erreichen, dass den Unternehmen geholfen wird“, sagte Jörg Hamel, HDE-Geschäftsführer der Region Köln, Düren, Aachen. Es sei jetzt entscheidend, dass Bund und das Land NRW frühzeitig verabredeten, wie die neuen Regelungen umgesetzt werden sollen.

Zu bürokratisch und ineffektiv

Die bisherige Ausgestaltung der Corona-Hilfen hatte zuletzt massiv in der Kritik gestanden. Bei den betroffenen Unternehmen kam viel zu wenig Geld an, die Abläufe waren bürokratisch und ineffektiv. Es bildeten sich zahlreiche Initiativen, die auf die brenzlige Situation ihrer Branchen hinweisen wollten. Unter dem Schlagwort „Wir machen auf(merksam)“ warnten lokale Einzelhändler mit Plakaten in ihren Schaufenstern vor einer Pleitewelle und der Verödung der Innenstädte. „Liebe Regierungs-Mitglieder, lasst uns öffnen oder entschädigt uns angemessen für die Verluste“, hieß es dort. Prominenter Unterstützer der Kampagne war zum Beispiel der Filialist Gerry Weber.

Regina Radon vor Oliver Kehrls "AIDA"-Filiale, die an der Kampagne „Wir machen auf(merksam)“ teilnahm.

Regina Radon vor Oliver Kehrls "AIDA"-Filiale, die an der Kampagne „Wir machen auf(merksam)“ teilnahm.

In Köln beteiligte sich unter anderem der Textilhändler Oliver Kehrl mit seinen sieben Geschäften in der Stadt und dem Umland an der Aktion. „Man bekommt das Gefühl, für die Gesellschaft ein Sonderopfer zu bringen“, sagte Kehrl. „Unsere Ware ist wie verderbliches Obst – wenn wir im März wieder öffnen können, ist sie nichts mehr wert.“ Der laufende Lockdown habe den Handel die umsatzstärksten Wochen im ganzen Jahr gekostet. Die Situation sei deshalb „brutal“, und deutlich schlimmer als im ersten Lockdown vergangenen März.

Im Vergleich zur fast gleichnamigen Aktion „Wir machen auf“ ruft „Wir machen auf(merksam)“ allerdings explizit nicht zur eigenmächtigen Öffnung der Geschäfte auf – und distanzierte sich im eigenen Internetauftritt von Corona-Leugnern.

Nähe zu „Quedenkern“

„Wir machen auf“ fiel dagegen schon früh durch eine Nähe zur Querdenken-Bewegung auf. In einer Gruppe des Messenger-Dienstes Telegram kamen in kürzester Zeit fast 60.000 Menschen zusammen, die erst für den 11. Januar und schließlich für den 18. Januar zu einer Öffnung von Geschäften und Gastronomie aufriefen. Initiator der Aktion war ein Krefelder Kosmetikstudio-Besitzer, der in der Vergangenheit auf einer Querdenken-Demonstration gesprochen haben soll.

Entgegen seiner Ankündigung ließ er sein Kosmetikstudio am Aktionstag dann allerdings geschlossen. Medienberichten zufolge hatte ihn zuvor das Ordnungsamt der Stadt Krefeld auf die Konsequenzen aufmerksam gemacht. Auch in Köln folgte wohl niemand dem Aufruf: Es seien keine unerlaubten Öffnungen festgestellt worden, sagte ein Sprecher des Ordnungsamtes auf Anfrage. Hätten sie das getan, hätten ihnen hohe Bußgelder gedroht. Verbände wie der HDE hatten eindringlich vor einer Beteiligung an der Aktion gewarnt und dazu aufgerufen, die Corona-Maßnahmen einzuhalten.

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