Dreiwöchiger TestWie alltagstauglich sind E-Autos mittlerweile eigentlich?

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Elektrischer Mini an einer Ladesäule von RWE.

Elektrischer Mini an einer Ladesäule von RWE.

  • Das Elektroauto erlebt gerade den anhaltendsten Hype, seit es Autos und das Wort „Hype“ im Deutschen gibt.
  • Unser Autor Thorsten Breitkopf, Leiter des Wirtschaftsressorts, wollte es genau wissen und fuhr drei Wochen lang elektrisch durch Köln.
  • Ein Bericht über Summen statt Motorgeheul, Langstrecken-Vorkehrungen und die leidige Suche nach der Ladesäule.

Köln – Das Elektroauto erlebt gerade den anhaltendsten Hype, seit es Autos und das Wort „Hype“ im Deutschen gibt. Das Konjunkturpaket der Koalition hat dem Verkauf von Elektroautos kräftigen Rückenwind beschert. Der mächtigen Auto-Lobby ist es nicht gelungen, eine Prämie auch für Benziner und Diesel herauszuhandeln. Die ehemalige Förderprämie für Elektromobilität heißt jetzt Innovationsprämie – und der staatliche Anteil wurde verdoppelt. Aus bisher maximal 3000 Euro Förderung pro Fahrzeug macht die Regierung jetzt bis zu 6000 Euro Zuschuss. Außerdem gibt es im Idealfall – wenn die Hersteller dabei bleiben – einen 3000-Euro-Bonus vom Autobauer. Und nicht zu vernachlässigen: Die Mehrwertsteuer wird von 19 auf 16 Prozent temporär reduziert.

In Köln praktisch getestet

Klingt also rein rechnerisch ziemlich verlockend. Bleibt die Frage: Wie funktioniert die Elektromobilität im Alltag, etwa in der Stadt, auf dem Land, im Mittelgebirge? Wie zuverlässig klappt es mit dem Laden, wie bezahlt man den Strom? Um das herauszufinden, habe ich es getestet. Die Rheinenergie, größter Stromverkäufer in der engeren Region und damit mit erhöhtem Interesse an einem steigenden Absatz von E-Autos, hat mir für rund drei Wochen ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt. Eigentlich ein Firmenwagen, durfte ich ihn gleichermaßen für private wie dienstliche Fahrten nutzen, um mir ein Bild zu machen.

Das Fahrzeug: Nissan Leaf

Mir wurde ein Nissan Leaf zugeteilt, in weißer Lackierung und mit Rheinenergie-Reklame. Farbe und Reklame sind für den Test egal. Als Autofan muss ich sagen: Der Leaf ist alles andere als schön, aber dennoch ein richtiges Auto, vergleichbar mit Golf oder Focus. Er hat keine Trennscheiben als Reifen oder nur zwei Notsitze, sondern alles, was ein Alltagsauto braucht. Kinderwagen geht genauso rein wie der periodische Baumarktbedarf für Gartenbesitzer und dazu vier oder fünf Passagiere. Passt.

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Wirtschaftsressortleiter Thorsten Breitkopf testet den E-Wagen Leaf.

Wirtschaftsressortleiter Thorsten Breitkopf testet den E-Wagen Leaf.

Man sieht dem Leaf an: Der ist kein Prototyp. Seit elf Jahren ist das Modell auf dem Markt, ich fuhr die zweite Generation, fast nagelneu. Das Einsteigermodell kostet laut Nissan-Webseite 30000 Euro, meiner etwas mehr, denn er hat eine 62-Kilowattstunden-Batterie. Laut Hersteller schafft er es in sieben Sekunden auf Hundert. Da das mit den Batteriedaten noch nicht ganz so geläufig ist, kann man auch sagen, der Leaf (übrigens das englische Wort für „Blatt“) hat zwischen 150 und 218 PS. Für 1,6 Tonnen völlig ausreichend, aber dazu später mehr.

Das Fahrgefühl

Vor Jahren fuhr ich mal den privaten Tesla des Kirchhundemer Steckerherstellers Walter Mennekes, während er neben mir saß. Seine Firma hat einen der Standardstecker erfunden. Ich war damals baff ob der Beschleunigung auf sauerländischen Serpentinen. Entsprechend war ich beim Tritt aufs Gas (sagt man das beim E-Auto überhaupt?) bei meinem Nissan enttäuscht. Er summte gemütlich von der Ampel los, kein Rennwagen-Effekt. Was ist mit der berühmten Spurtstärke der Stromer beim Leaf? Die Lösung: Es war lediglich ein Bedienerfehler.

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Denn die ersten Tage schnurrte ich im so genannten Eco-Modus durch Köln und Umgebung, der macht weniger Spaß, spart aber enorm an Batterie-Speicher. Schaltet man den Eco-Modus aus, sprintet der Leaf wie ein Rennpferd, büßt allerdings gut 15 Prozent Reichweite ein, gefühlt waren es mehr. Also auf Dauer lieber Eco-Modus. Wer noch mehr sparen will, nutzt einen weiteren Modus, der das Gaspedal zu einem Kippschalter macht. Geht man vom Gas, wird direkt gebremst, das ist gewöhnungsbedürftig, ergibt aber im Stadtverkehr Sinn. Denn anders als beim Verbrenner gewinnt der Stromer beim Bremsen einen Teil der Energie zurück. Das kann man bei sehr langen Talabfahrten sogar in der Reichweite sehen. Allerdings liegt Köln bekanntlich im Flachland. Pech.

Mythos Reichweite

280 Kilometer Reichweite versprechen sowohl der Hersteller, als auch die Batterie-Anzeige, wenn der Wagen vollständig geladen ist. Der Wert ist allerdings mit Vorsicht zu genießen. So ist die Reichweite im Stop-and-go-Verkehr mit den Ampeln und Staus in Köln ganz gut, denn bei jedem Bremsvorgang lädt sich die Batterie zum Teil wieder auf. 60 Prozent der Leistung soll man so wieder reinholen können.

Bei warmem Wetter, das die Batterie schont, ist der Wert auch erreichbar. Auch das tägliche Pendeln ist machbar, ich wohne 40 Autobahnkilometer vom Kölner Dom entfernt, und wenn man auf der Autobahn etwa konstant die 100 km/h hält, den Eco-Modus einschaltet und vorausschauend fährt, sind 240 der 280 Kilometer drin.

Achtung Langstrecke!

Für Entfernungen in der Kölner Innenstadt und auch im Ballungsraum, nach Bonn, Neuss oder zum Flughafen ist die Reichweite des E-Autos absolut ausreichend. Den Wochenendausflug nach Holland oder wie in meinem Fall ins Sauerland aber muss man penibel planen. Denn was mich verwunderte: Fährt man die Autobahn A4 von Köln nach Olpe, ist es mit der Reichweiten-Angabe dahin.

Die vielen Steigungen lassen die Prozentzahlen im Tacho rapide purzeln. Angesichts der vielen Bergstrecken sank die Reichweite stark, gefühlt um zwei Drittel. Und das bei bestem Wetter. Bei Ausflugsfahrten aber kommt noch ein zweiter, entscheidender Nachteil dazu.

Das leidige Laden

Kommen wir zum Knackpunkt des E-Auto-Tests. Der Ladevorgang. Und da wird es zweischneidig. In Köln eine Ladesäule zu finden, ist wirklich kein Problem mehr. „250 Ladestationen haben wir in Köln und der rheinischen Region zusammen mit unseren Partnern bisher für Sie errichtet“, sagt man mir bei der Rheinenergie. Köln verfügt tatsächlich über eines der dichtesten Ladenetze in Deutschland. Die meisten Lade-Säulen in Köln und der Region sind über die Handy-App „TankE“ zu finden. Innerhalb der Stadt ist das prima, bei Überlandfahrten wird es zum Problem. Düsseldorf etwa hat auch diverse öffentliche Säulen, aber mit einer Tankkarte als Zugang. Die kann man per Post bestellen, was aber ein paar Tage dauert und einem in Sachen Spontanität nicht wirklich hilft.

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Bei meiner Fahrt ins Sauerland bin ich schier verzweifelt. Die vom Navi angezeigten Ladesäulen an Raststätten wie etwa Aggertal waren alle von unterschiedlichen Betreibern. Das vom Gesetzgeber vorgeschriebene punktuelle Laden wäre durch eine weitere App möglich gewesen, mangels Netzabdeckung im Aggertal aber eine Utopie. So endete meine Fahrt schließlich beim Siegener Ikea. Die Möbelkette hat an allen Standorten rund ein Dutzend Ladestellen, die für Kunden auch noch gratis sind. Allerdings heißt das auch: Zwei Stunden Köttbullar essen, bis die Batterie wieder voll genug ist, um nach Köln zu kommen.

Fazit: Stadt ja, Überland nein

Für eine Stadt wie Köln sind E-Autos wegen vieler Ladesäulen brauchbar. Auf dem Land sind sie nur für Eigenheimbesitzer mit Ladesäule zu empfehlen. Ausflüge in 100 Kilometern Entfernung sind nur mit langen Pausen und einer aufwendigen Suche der richtigen Ladesäulen vor Fahrtantritt machbar. Was fehlt, ist ein einheitlicher Bezahlstandard für die Säulen, von denen es viele gibt. Geheimtipp: Viele Aldi-Märkte haben Gratis-Ladestationen während der Öffnungszeiten. Allerdings funktionieren sie nur, weil sie per Solarzelle laufen, wenn die Sonne scheint.

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