Post-Betriebsleiter im InterviewWarum in Köln mehr bestellt wird als im Bundesschnitt

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  • Wann müssen Pakete verschickt werden, damit sie rechtzeitig unter dem Weihnachtsbaum liegen? Wieso sind Lieferungen aus Asien zuletzt eingebrochen? Und könnte die Deutsche Post ins Lebensmittelliefergeschäft zurückkehren?
  • Thomas Schneider, Betriebsleiter des Post- und Paketgeschäfts, im Interview.

Köln/Bonn – Herr Schneider, im Weihnachtsgeschäft 2020 hat die Deutsche Post DHL Rekordmengen an Paketen transportiert. Wie ist die Situation in diesem Jahr?

Wir haben am Dienstag mit über elf Millionen bearbeiteten Paketen den sendungsstärksten Tag des Jahres erlebt. Damit liegen wir auf dem sehr hohen Niveau des Vorjahres, wo am Spitzentag ebenfalls über elf Millionen Pakete verschickt wurden. Der Vergleich der Weihnachtsgeschäfte 2020 und 2021 ist schwierig, da vor genau einem Jahr ein neuer Lockdown in Kraft trat, der noch einmal zu einem massiven Anstieg der Paketmenge führte.

Grundsätzlich verläuft das Geschäft bislang im Rahmen unserer Prognose – wobei die Erwartungen in unserem Kölner Paketzentrum interessanterweise um fünf bis zehn Prozent übertroffen werden. In der Region wird mehr bestellt als im Bundesschnitt. Das haben wir so nicht vorhergesehen. Ein spontaner Erklärungsversuch wäre, dass hier besonders internetaffine Menschen, wie zum Beispiel Studierende leben.

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Was ist der letzte Termin, um eine Sendung aufzugeben, die unter dem Tannenbaum liegen soll?

Wenn Sie den Kolleginnen und Kollegen in der Zustellung einen Gefallen tun wollen, geben Sie Pakete so früh wie möglich auf. Ansonsten empfehlen wir Montag, 20. Dezember, als letzten Termin. Für Briefe und Postkarten ist Mittwoch, 22. Dezember, der Stichtag. Zwar hat eine später aufgegebene Sendung auch noch Chancen, vor Weihnachten anzukommen, aber wer sichergehen möchte, sollte sich an diese beiden Daten halten.

Wie bewältigen Sie das große Mengenwachstum der Pakete um Weihnachten?

Ehrlicherweise befinden wir uns seit zwei Jahren in einem Dauer-Weihnachts-Zustand. Die Paketmengen, die wir dieses Jahr im Mai bearbeitet haben, lagen wahrscheinlich über denen des Weihnachtsgeschäfts 2019. Aber wir beginnen sehr früh mit den Vorbereitungen. Die ersten Gespräche haben im Juni stattgefunden: Wie viele Fahrzeuge und Scanner brauchen wir? Wer kann was wo wann bearbeiten?

Durch Corona haben wir 2021 ohnehin schon mehr als 8000 neue Kolleginnen und Kollegen eingestellt. Kurz vor Weihnachten sind dann insgesamt noch 10.000 Aushilfskräfte in allen Bereichen des Betriebs im Einsatz. Außerdem wechseln wir zum Beispiel am Paketzentrum Eifeltor und in allen anderen Paketzentren von einem Zwei- in einen Dreischichtbetrieb, wodurch dort quasi rund um die Uhr sortiert wird. Außerdem verschieben wir kleine Pakete ins Briefsortiernetz.

Pakete als Briefe? Wie muss ich mir das vorstellen?

In Köln fahren wir bis an Spitzentagen bis zu 150.000 kleine Pakete ins Briefzentrum Frechen und in unser Zustelldepot in Ehrenfeld, wo sie sortiert und über unser Transportnetz verteilt werden. Das entlastet die Paketzentren enorm. Wir versuchen schon seit Jahren, Briefe und Pakete weiter zu verzahnen. In den vergangenen Jahren erleben wir zwar ein sehr starkes Paketwachstum mit Sprüngen um bis zu 50 Prozent, gleichzeitig ist die Zahl der verschickten Briefe aber auch deutlich gesunken. Normalerweise liegt der Rückgang bei zwei bis drei Prozent, in einzelnen Monaten waren es zu Beginn der Pandemie im Vorjahresvergleich zehn Prozent.

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Genau diese Verzahnung von Brief und Paket machen Ihnen die Konkurrenten aus der Paketbranche zum Vorwurf. Es heißt, Sie würden mit Ihrem Briefporto die Pakete subventionieren.

Diese Vorwürfe sind weder neu noch richtig. Das Porto wird ja über die Bundesnetzagentur gesetzlich reguliert, die einen Spielraum für Preiserhöhungen ermittelt und dessen Einhaltung am Ende auch genehmigt.

Die Bundesnetzagentur hat entschieden, dass das Porto durchschnittlich 4,6 Prozent teurer werden darf. Wieso ist das nötig, wo Sie doch Rekordzahlen schreiben?

Das Wachstum des Konzerns wird vor allem von unserem internationalen Geschäft getrieben. Bei unserem Geschäft in Deutschland sind wir mit erheblichen Kostensteigerungen durch höhere Lohn- und Transportkosten sowie einer in den vergangenen Monaten stark gestiegene Inflationsrate konfrontiert. Hinzu kommen Pandemie-bedingte Zusatzaufwendungen in unseren Betriebsstätten und in der Zustellung, die eine sichere Postversorgung für alle Kunden in Deutschland ermöglichen.

Und nicht zuletzt bieten wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr gute Arbeitsbedingungen mit den höchsten Branchenlöhnen, klaren, tarifvertraglichen Regelungen und regelmäßigen Tariferhöhungen und das kostet Geld. Durch all diese Faktoren steigen bei seit Jahren rückläufigen Briefmengen die Kosten pro Brief kontinuierlich, so dass eine Portoerhöhung immer relativ zu betrachten ist. Trotzdem ist das Briefporto in Deutschland weiterhin niedriger als zum Beispiel in Polen oder Tschechien.

Derzeit kommt es weltweit zu Lieferschwierigkeiten. Betrifft Sie das auch im Deutschlandgeschäft?

In einzelnen Bereichen – etwa bei der Modernisierung unserer Technik oder auf dem Transportmarkt sehen wir schon Effekte, die sich aber zum Glück nicht negativ auf unsere Leistungsfähigkeit auswirken. Denn insgesamt steigt die Zahl der verschickten Pakete seit Einführung der 2G-Regel wieder stärker, da viele Deutsche leider noch immer nicht geimpft sind.

Deshalb war es für uns auch wichtig, uns frühzeitig Kapazitäten zu sichern und zudem ausreichend Desinfektionsmittel, Masken und Schnelltests zu beschaffen. Das ist uns erfreulicherweise gut gelungen. Deutlich größere Auswirkungen hatte für uns tatsächlich die Aufhebung der Zollfreigrenze bis 22 Euro Mitte des Jahres. Wir sehen, dass der Bestellstrom aus Asien, wo es Kleinelektronik für wenig Geld gibt, sehr stark eingebrochen ist. Das ist ja auch nachvollziehbar: Wenn Sie umständlich eine Zollerklärung abgeben müssen, ist es nicht mehr so bequem, eine Handyhülle in China zu bestellen.

Apropos Desinfektionsmittel: Leiden Sie derzeit unter der Pandemie?

Das Netz ist sehr stabil, auch wenn wir in diesem Jahr mit einigen Herausforderungen konfrontiert waren. In unserer Sommerplanung haben wir natürlich nicht vorhersehen können, dass wir mitten im Weihnachtsgeschäft plötzlich eine 3G-Regelung umsetzen müssen. Auch wir haben ungeimpfte Beschäftigte, die jetzt täglich getestet werden müssen.

Das ist insgesamt sehr aufwendig, allein vorige Woche haben wir unternehmensintern 170.000 Schnelltests durchgeführt. Außerdem kommt es unter den 150.000 Mitarbeitern allein in Deutschland natürlich auch zu Corona-Infektionen, die dann zu Ausfällen führen. Und natürlich hat die Zustellung in Zeiten des Lockdowns unter erschwerten Bedingungen stattgefunden. In Heinsberg haben wir im Sommer 2020 die Bevölkerung sogar kurzzeitig auch mit Lebensmitteln versorgt.

Sie waren zwischenzeitlich Lebensmittellieferant?

Ja, wir haben uns dafür mit drei lokalen Supermärkten zusammengeschlossen. Wir haben dann die Lebensmittelbestellungen von den Märkten abgeholt und zugestellt.

Ist das Liefergeschäft wieder interessant für Sie? Sie haben hier ja vor einigen Jahren schon einmal einen Anlauf unternommen und sind wieder ausgestiegen…

Wir haben das Projekt damals wieder eingestellt, weil die Prozesse relativ komplex sind. Wir sind keine kleine Manufaktur; damit wir so ein Konzept umsetzen können, muss es sich in unsere Standardprozesse eingliedern lassen. Die Lebensmittellogistik mit ihren Anforderungen an Kühlung und Lieferzeiten ist eine Herausforderung, die sich in ein Massengeschäft, wie wir es mit Briefen und Paketen betreiben nur mit extrem hohem Aufwand integrieren lässt. Deshalb nein, wir möchten nicht in die neuen Formen des Liefergeschäfts einsteigen.

Gewerkschaften beäugen aber auch die Paketbranche kritisch und klagen über hohe Arbeitsbelastungen.

Erstmal muss ich sagen, dass ich es richtig finde, dass auch die neue Bundesregierung bei der Vergabe von Aufträgen für Brief- und Paketdienstleistungen stärker auf soziale und ökologische Kriterien achten will. Zum Beispiel, dass tarifgebundene Arbeitsplätze angeboten werden.

Wir als Deutsche Post DHL, die wir die entsprechenden Verträge haben, müssen uns da nicht verstecken. Wir haben die höchsten Lohnstrukturen in der Branche. Auch in Sachen Ökologie sind wir mit 17.000 Elektroautos deutschlandweit Vorreiter. Bislang wird im öffentlichen Raum bei Vergabekriterien oft zu 100 Prozent auf den Preis geschaut – es ist gut, dass hier ein Umdenken einsetzt.

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