Vermeintlicher KrisengewinnerWieso die deutsche Süßwarenbranche unter Corona leidet

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Köln – Eigentlich könnte man meinen, dass es der Süßwarenindustrie derzeit prächtig gehen müsste. Die Menschen sitzen zu Hause: vor dem Fernseher, auf der Couch, im Homeoffice – immer nur einen Handgriff von der Schokoladentafel entfernt.

Ganz so einfach ist die Rechnung in der Realität aber nicht. Die Branche blickt auf ein durchwachsenes Jahr zurück. Auch wenn die Produktionsmenge mit 3,9 Millionen Tonnen stabil blieb, sank der Wert der Ware um 0,5 Prozent auf 12,7 Milliarden Euro. Die Süßwarenmesse ISM, die an diesem Wochenende stattgefunden hätte, entfällt wie alle auch physischen Veranstaltungen der Kölner Messe seit Pandemiebeginn. Ein Überblick.

Artikel und Trends

Das mit Abstand wichtigste Produkt in der deutschen Süßwarenproduktion ist und bleibt die Schokolade: Nach Schätzungen des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) wuchs die hergestellte Menge leicht um 1,5 Prozent auf etwa 1,1 Millionen Tonnen. Allerdings gingen die Exporte zurück – im Wert sogar um 4,6 Prozent. Einen ähnlichen Trend gab es bei den Knabberartikeln.

Das Geschäft mit sogenannten „feinen Backwaren“ wie Keksen litt derweil unter Strafzöllen in den USA. Unterm Strich legte die Produktkategorie dennoch um 3,2 Prozent auf 783 000 Tonnen zu. Schlechter lief es bei Bonbons und Zuckerwaren (569 000 Tonnen, -1,5 Prozent).

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Als Trendprodukte definiert der BDSI solche mit „natürlichen Zutaten wie Nüssen, Hafer, Sesam, Gewürzen oder auch nicht getrockneten Beeren“, sagte der Vorsitzende und Katjes-Chef Bastian Fassin am Donnerstag in einer virtuellen Veranstaltung. „Auch salziges Karamell erfreut sich großer Beliebtheit, insbesondere als Füllung in Schokolade, Keksen oder Eis.“ Bei salzigen Snacks lägen dagegen Nüsse und Nuss-Fruchtmischungen im Trend. Darüber hinaus legten vegane, gluten- und laktosefreie oder zuckerreduzierte Produkte weiter an Bedeutung zu.

Wie geht es der Branche?

Für den BDSI verdeckt die konstant gebliebene Produktionsmenge die Probleme der Branche: Man sei „sehr vielschichtig und differenziert von der Pandemie getroffen“ worden. Der Umsatz sei 2020 leicht gesunken – und zum ersten Mal seit Jahren auch die Anzahl der Beschäftigten, die um 1,6 Prozent auf etwa 49 200 zurückging. Probleme bereitete in Zeiten teils geschlossener Grenzen vor allem auch das Exportgeschäft, das entsprechend rückläufig war. Als eine weitere Herausforderung gibt Fassin „massiv gestiegene Kosten“ zum Beispiel durch Hygiene- und Logistikkosten aber auch Rohstoffe an.

Im Handel entwickelte sich das Geschäft derweil extrem unterschiedlich: Während der Verkauf der Süßwaren im Lebensmitteleinzelhandel anzog, brachen gleichzeitig wichtige Bereiche wie Volksfeste, Weihnachtsmärkte sowie der Verkauf über Duty-free-Läden weg. Darüber hinaus hätten vor allem kleine Fachhändler gelitten, sagte Ludwig Veltmann, Hauptgeschäftsführer des Mittelstandsverbundes.

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Die künftige Marktentwicklung hänge stark vom weiteren Pandemieverlauf ab. Umsätze könnten sich weiter in den Lebensmitteleinzelhandel verlagern, auch das bislang wenig bedeutende Onlinegeschäft könnte zulegen.

Die Messe

Seit fast einem Jahr haben auf dem Gelände der Kölner Messe in Deutz keine physischen Messen mehr stattgefunden.Einer Umfrage des Messe-Verbands AUMA zufolge betrachten 21 Prozent der Aussteller virtuelle Präsentationen auch dauerhaft als „ernsthafte Alternative zu realen Messen“.

Oliver Frese, Mitglied der Geschäftsführung der Kölner Messe, sieht darin aber keinen Grund zur Sorge: „Natürlich werden Messen sich verändern“, sagte er. Die Kölner hatten schon früh angekündigt, künftig auf hybride Veranstaltungen setzen zu wollen. Dabei werde ein deutlich stärkerer Fokus auf Erlebniswelten liegen. Rein virtuelle Formate seien für die Aussteller bislang wenig erfolgreich: Nur drei Prozent der befragten Unternehmen hätten auf diese Art mehr als 70 Prozent der Geschäftserfolge einer physischen Messe erzielen können.

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