Wegen zu hoher Preise für NeukundenVerbraucherzentrale NRW mahnt Rhein-Energie ab

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Zentrale der Rhein-Energie

Köln/Düsseldorf – Die Verbraucherzentrale NRW geht juristisch gegen die unterschiedlichen Tarife für Bestands- und Neukunden bei der Kölner Rhein-Energie und anderen Grundversorgern in Nordrhein-Westfalen vor.

„Bei allem Verständnis für die nicht ganz einfache Situation der Grundversorger – so geht es nicht. Die Benachteiligung von Verbraucherinnen und Verbrauchern, die ohne eigenes Verschulden in die Grundversorgung zurückfallen, ist rechtswidrig und widerspricht dem eigentlichen Schutzzweck der Grundversorgung“, so Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW. „Wir werden daher mit allen juristischen Mitteln gegen diese Benachteiligung vorgehen, die nur auf Grundlage eines willkürlich festgelegten Stichtags erfolgt.“

Rhein-Energie hatte Preise erhöht – und dann wieder gesenkt

Aufgrund der zuletzt massiv gestiegenen Beschaffungspreise für Strom und Gas haben zuletzt zahlreiche Anbieter die Belieferung eingestellt oder sogar Insolvenz angemeldet. Ihre Kunden fallen in der Folge automatisch in die Ersatzversorgung der jeweiligen Grundversorger in ihrer Region – zu den entsprechenden Konditionen. In Köln ist die Rhein-Energie zuständig.

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Der Versorger hatte die Preise für Neukunden im Januar zuletzt stark auf 72,8 Cent pro Kilowattstunde erhöht. Am Mittwoch kündigte das Unternehmen dann überraschend an, sie ab Freitag, 14. Januar, wieder auf 54,09 Cent pro Kilowattstunde zu senken. Alle Neukunden, die ab dem 1. Januar 2022 in die Grundversorgung gerutscht seien, erhielten den gesenkten Preis automatisch. Diejenigen, die zwischen dem 16. und 31. Dezember hinzugekommen seien, blieben bis auf weiteres in den jeweiligen (niedrigeren) Grundversorgungspreisen. Nicht betroffen seien demnach Bestandskunden, die bereits vor dem 16. Dezember einen Grundversorgungs- oder Wahltarif abgeschlossen hätten.

Rhein-Energie verteidigt Preis-Politik

Die Rhein-Energie weist die Anschuldigungen der Verbraucherzentrale vehement zurück. „Wir sind äußerst verwundert über das Vorgehen der Verbraucherzentrale. Diese sieht offenbar die wahren Auslöser des Problems nicht: Wir spannen als Grundversorger Fangnetze für die Kundinnen und Kunden auf, die durch das rücksichtslose Marktgebahren anderer Marktteilnehmer auf die Ersatzversorgung angewiesen sind. Stromio und Co. sind nicht insolvent, sondern haben einfach ihre betriebswirtschaftlichen Risiken bei uns, den Grundversorgern, abgeladen und Kunden einfach herausgeworfen", teilte die Rhein-Energie auf Anfrage mit.

Die Verbraucherzentrale verlange jetzt, dass „wir alle unsere Kunden dafür bezahlen lassen, dass sich diese Stromvertriebler kundenfeindlich verhalten haben", heißt es weiter. Über die Abmahnung sei man irritiert, einen Austausch im Vorfeld habe es nicht gegeben. Die Rhein-Energie sieht ihr Vorgehen von geltendem Recht gedeckt. „Wir halten das Vorgehen der Verbraucherzentrale uns gegenüber für absolut fehl am Platz, da wir in dieser Situation so schnell wie möglich auch wieder zugunsten der Kunden reagiert haben", sagte ein Sprecher.

Rechtliche Lage unklar

Rhein-Energie-Chef Dieter Steinkamp hatte bereits in Ekonomy mit K, dem Wirtschaftspodcast des Kölner Stadt-Anzeiger, die unterschiedliche Behandlung von Neu- und Bestandskunden reflektiert. Die Rhein-Energie habe es als „ungerecht“ empfunden, angesichts der stark gestiegenen Preise Bestandskunden für die Neukunden mitbezahlen zu lassen. Deshalb habe man den zweiten Grundversorgertarif für Neukunden gebildet. „Damit haben wir die Grundversorgung sichergestellt, ohne die Altkunden direkt zur Kasse zu bitten für das Dilemma, das andere Unternehmen im Markt hinterlassen haben – die einfach ihre Kunden nicht mehr beliefern können.“

Steinkamp fügte hinzu, es gebe „rechtlich geteilte Meinungen, ob das zulässig ist oder nicht“. Er verstehe die Vorbehalte der Verbraucherverbände, die diese Frage stellten – „aber die Verbraucherverbände haben natürlich genauso eine Verantwortung auch gegenüber unseren Altkunden. Ich sage mal, das Problem zulasten des Anderen zu lösen, ist dann vielleicht auch nicht sehr verbraucherfreundlich.“

Verbraucherzentrale fordert Klärung

Udo Sieverding, Mitglied der Geschäftsleitung der Verbraucherzentrale, betonte im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Donnerstag, man sei der Meinung, dass alle Kunden in den Bestandskundentarif gehörten. Auch er verwies aber auf die strittige Rechtslage, die Grund für die Abmahnungen sei. „Wir sind kein Abmahnverein – wir wollen grundsätzlich die Rechtslage dieser Spaltung klären.“ Er betonte, die drei betroffenen Versorger – neben der Rhein-Energie auch die Stadtwerke Gürtersloh und die Wuppertaler WSW Energie & Wasser AG – seien exemplarisch unter vielen Beispielen ausgewählt worden.

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Seiner Einschätzung nach war die Erhöhung der Rhein-Energie-Preise auf 72,8 Cent ein Fehler – er lobte allerdings, dass dieser nun so schnell korrigiert würde. Man wolle dem Unternehmen keinen Vorwurf machen, sondern lediglich eine gerichtliche Klärung erwirken.

Viele Betroffene melden sich bei Verbraucherzentrale

Schuldzinski berichtete derweil laut Mitteilung, dass sich zurzeit viele Betroffenen bei der Verbraucherzentrale NRW melden würden. „Sie sind geradezu verzweifelt über die immensen Gas- und Strompreise, die einige Energieanbieter für die Ersatzversorgung aufrufen.“ Die Höhe der Abschlagszahlungen betrage ein Vielfaches der bisherigen monatlichen Kosten. „Das bringt gerade Haushalte mit weniger Einkommen in Bedrängnis.“ Die Verbraucherzentrale geht neben der Rheinenergie auch gegen die Stadtwerke Gürtersloh und die Wuppertaler WSW Energie& Wasser AG vor.

Eine Marktstichprobe zwischen dem 10. und 11. Januar belege, dass die Preise für die Grund- und Ersatzversorgung überdurchschnittlich hoch. 18 von 23 untersuchten Anbietern verfügten über einen Neukundentarif, die Differenz zu den Bestandskostenpreisen betrage dabei durchschnittlich mehr als das Doppelte. Die Preissenkung der Rhein-Energie ist hierbei allerdings noch nicht berücksichtigt.

Die Rhein-Energie ist auch nicht der einzige Versorger, der eine Preiserhöhung zuletzt wieder kassierte. Auch die Leverkusener EVL senkte die Strompreise für Kunden zuletzt wieder.

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