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Maxa Zoller über Frauen im Film-Business„Ohne Quote bewegt sich gar nichts”

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Maxa Zoller ist die künstlerische Leiterin des Frauenfilmfestivals Köln/Dortmund.

  1. Die Leiterin des Frauenfilmfestivals Maxa Zoller hält den Fortschritt im Feminismus für ein Trugbild und erklärt, warum die Quote dem Filmgeschäft gut tun würde.
  2. Ihr Fazit auch angesichts der Oscar-Verleihung: „Obwohl die Debatte laut ist, tut sich in der Bewegung selbst ganz, ganz wenig.”

Frau Zoller, der Oscar macht mal wieder eine Rolle rückwärts und bringt wenig Frauen ins Spiel. Wie beurteilen Sie das?

Wenn man sich die Geschichte der Gleichberechtigung anschaut, und man möchte auf eine direkte progressive Entwicklung hinweisen, dann liegt man falsch. Denn es geht immer um Strömungen und Gegenströmungen. Also muss die Analyse danach fragen, welche Strömungen gerade vorherrschen, und wo wir uns befinden? Unser Empfinden ist, dass sich in Ausnahmen viel getan hat, wenn man sich etwa Céline Sciamma anschaut mit „Porträt einer jungen Frau in Flammen“, oder auch „Systemsprenger“ – wenn wie beim „Porträt“ Regisseurin, Kamerafrau und Schauspielerinnen so erfolgreich zusammenarbeiten. Das ist leider nicht die Regel, sondern eine glückliche Sternenkonstellation.

Die zu Fehlschlüssen verleitet …

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Sie darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Regel Frauen eben nicht die besseren Drehbücher auf den Tisch bekommen, dass sie nicht über höhere Budgets verfügen, und dass auch nicht ihre Produktionsspannen mit denen der Männer vergleichbar sind – Christian Petzold bringt alle zwei Jahre einen Film heraus, bei Frauen können es schon mal zehn sein. Obwohl die Debatte laut ist, tut sich in der Bewegung selbst ganz, ganz wenig.

Womit wir wieder bei den Strömungen wären.

Man könnte ja sagen, dass die eine Strömung im Konservatismus besteht, im Sexismus der Politik, der Personen, die Macht haben und nicht abgeben wollen – das, was man allgemein als toxische Männlichkeit beschreibt. Auf der anderen Seite würde ein wachsender Feminismus stehen, befeuert auch durch ganz junge Frauen …

… da spielt auch „Fridays for Future“ hinein?

Auch, die Politisierung der Jugend, die ganz stark ist. Und eine zunehmende Diversität. Nicht allein Frauen oder Transfrauen und Transmänner werden lauter, sondern auch Schwarze, Afro-Deutsche – überhaupt, das merke ich bei den Einreichungen zum Festival, werden die Themen diverser.

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Ich glaube, es ist ein großer Fehler des Westens zu glauben, dass die moderne Zeitrechnung progressiv ist. Das wurde uns eingehämmert – intelligenter werden wir aber nur, wenn wir uns eine Schleife oder eine Spirale vorstellen. Wenn ich gewisse Dinge als überholt betrachte, heißt das nicht, dass andere Generationen psychologisch oder politisch nicht ebenfalls durch dieselben Dinge noch einmal hindurchgehen müssten. Also kann man sich darauf einstellen, dass man der jungen Generation alles noch einmal erzählen muss und die dennoch die gleichen Fehler machen wird.

Also gibt es keinen Fortschritt …

Doch, wenn man sich eine Spirale vorstellt, dann ist dort eine Bewegung immanent. Aber es ist sehr viel komplexer, als wir uns das eingestehen.

Sie haben lange in Ägypten gelebt. Ist dort die Verteilung der Rollen nicht noch viel strenger als in Europa?

Nach außen hin schon, aber nach zwei Jahren in Deutschland frage ich mich, wie modern wir eigentlich sind. Ägypten heute, so muss man leider feststellen, ist äußerst konservativ, doch wenn Sie sich Fotos aus den 60er Jahren anschauen, sehen Sie ein modernes Land, mit Frauen in Minirock, und auch das deutet ja wieder auf die Zeitschleife hin. Die meisten Frauen, die heute Kopftuch tragen, blicken mit Nostalgie auf diese Zeit zurück.

Kann man aus der Zeitschleife durch Einführung einer Quote ausbrechen?

 Ja, ich bin absolut pro Quote. Sonst bewegt sich gar nichts. Die Argumentation, dass nur die künstlerische Qualität zählt, führt bloß zum Stillstand. Denn es muss durch eine Quote erst ausbalanciert werden, dass man überhaupt eine Chance auf künstlerische Qualität erhält.

In England, wo sie auch gelebt haben, gibt es die Quote.

England ist sehr viel institutionalisierter als Deutschland, was Vor- und Nachteile hat. Die Gesellschaft ist weitaus stärker in Klassen aufgeteilt als in Deutschland, wo uns ständig vorgegaukelt wird, dass wir alle im Mittelstand leben. In England gibt es lower, middle und upper class, und deswegen ist die Debatte dort heiß, weil sich jeder repräsentiert sehen möchte. Es gibt die Unterschiede, und die sind klar, aber genauso klar ist der Druck auf die Quote. Institutionen müssen belegen, dass dort Gleichberechtigung stattfindet. Das ist auch sehr gut für die Kunst. Der Nachteil ist, dass es zu einer großen Fragmentierung der Zuteilungen kommt.

Was heißt das auf Deutschland bezogen?

Dass Frauen aufpassen müssen, dass sie im Zuge der Diversitätsdiskussion nicht wieder unter die Räder kommen. Dann werden sie erneut von der Norm ausgeklammert. Und es gibt innerhalb dieses Diversitätstopfes manchmal Spaltungen, dann kommt es zum gegenseitigen Ausschluss.