300 Anfragen in 24 Stunden„Wohnsituation für Studierende in Köln ist katastrophal“

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Porträt mit drei Studenten: Der 24-jährige Student Jakob Novakowski (Mitte) hat als Organisator der Notschlafstelle den beiden Studenten Luca W. (l.) und Hedden Silva einen Schlafplatz besorgt.

Der 24-jährige StudentJakob Novakowski (Mitte) hat als Organisator der Notschlafstelle den beiden Studenten Luca W. (l.) und Hedden Silva einen Schlafplatz besorgt.

Köln – Es ist zwar ein großer Raum, zu dem Luca W. jeden Abend nach seinem Tag an der Uni zurückkehrt, doch diesen teilt er sich mit 29 anderen, fremden Studierenden der Uni und TH Köln. Ein dunkler Raum im Untergeschoss des Gemeindehauses einer katholischen Kirche in Köln-Sülz, mit kalten, braunen Vintage-Fliesen, auf denen blaue Luftmatratzen liegen, rund 1,90 Meter lang, 70 Zentimeter breit und etwa 20 Zentimeter dick. Sporadisch aufgebaute Trennwände sollen für ein wenig Privatsphäre sorgen.

Es ist die Notschlafstelle des Asta der Uni Köln, in der Luca W. seit Semesterbeginn schläft. Seinen Start ins Geografie-Studium hat sich der 21-Jährige zwar anders vorgestellt, aber „ich bin nicht rechtzeitig auf dem Kölner Wohnungsmarkt fündig geworden“, sagt Luca W., der aus dem niedersächsischen Hameln kommt.

Ein Blick in die Räume der Notschlafstelle des Asta der Uni Köln. Hier beginnen 30 junge Menschen ihr Studentenleben.

Ein Blick in die Räume der Notschlafstelle des Asta der Uni Köln. Hier beginnen 30 junge Menschen ihr Studentenleben.

WGs in Köln sind sehr gefragt

Gesucht hat er auf den gängigen Plattformen, bei WG-Gesucht schrieb er mehr als 120 WGs an, bekam aber nur fünf positive Rückmeldungen. „Ich habe die Nachrichten manchmal erst zwei Stunden später gesehen und dann geantwortet, das war zu langsam“, sagt der 21-Jährige.

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Wahrscheinlich hatten sich die Bewohner schon für eine andere Bewerberin oder einen anderen Bewerber entschieden, denn Auswahl haben die Kölner WGs momentan genug. Mehr als 300 Anfragen innerhalb von 24 Stunden seien keine Seltenheit mehr, berichtet eine Kölner Studentin, die erst vor kurzen ein Zimmer anbot, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Studierende leiden unter Wohnungs-Knappheit in Köln

Denn seitdem die Unis wieder Präsenzlehre anbieten, kommen auch die Studierenden zurück nach Köln. Und das sind allein an der Uni Köln in diesem Wintersemester 47.500 Studierende, davon 4800 im ersten Semester, von denen viele extra für das Studium nach Köln ziehen.

Studieren, arbeiten, feiern und lieben: Köln ist ein Magnet für Menschen zwischen 20 und 35 Jahren, die das und mehr hier erleben wollen. Jedes Jahr ziehen Tausende in die Stadt, auf der Suche nach Abenteuer – und einem neuen Zuhause. Aber: Wie sieht ihre Lebensrealität wirklich aus? In unserer neuen Serie „Junges Köln“ wollen wir den Blick auf junge Kölnerinnen und Kölner lenken und davon erzählen, was sie bewegt. So sind wir etwa in der Technoszene unterwegs, versuchen zu erkunden, was die Faszination ausmacht. Oder begleiten Singles beim Dating auf der Suche nach der wahren Liebe.  

Die erhöhte Nachfrage nach Wohnungen spürt auch das Kölner Studierendenwerk. „Wir hatten für dieses Wintersemester etwa 350 bis 380 Wohnungen in unseren Studierendenwohnheimen zu vergeben, aber zehnmal so viele Anfragen“, sagt Studienwerks-Leiter Jörg J. Schmitz im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Diese Zahlen zeigten, dass es eine große Knappheit an Wohnungen oder Zimmern für Studierende in Köln gebe. Vor allem an bezahlbaren.

300 Anfragen für die Notschlafstelle des Asta der Uni Köln

Dieses Problem brachte auch Hedden Silva in die Notschlafstelle. Der 33-jährige Brasilianer ist im Rahmen eines Doktoranden-Programms der Uni Köln und seiner Universität in São Paulo nach Köln gekommen. Ab Mai suchte er nach einem WG-Zimmer, 100 Nachrichten schrieb er am Tag, darauf bekam er eine einzige positive Rückmeldung. „Für die Wohnungsbesichtigung hätte ich aber in Köln sein müssen“, sagt Silva. Auch seine Anfrage für einen Platz im Studierendenwohnheim wurde abgelehnt.

Jakob Novakowski

Der 24-jährige Kölner Student Jakob Novakowski ist als Mitglied des Asta der Uni Köln der Organisator der Notschlafstelle.

Jakob Novakowski, selbst Student und Organisator der Notschafstelle, glaubt, dass das Wohnungsproblem nicht ernst genug genommen wird. „Die Uni wirbt mit einem tollen Programm und lässt einen Doktoranden wie Hedden dann in der Notschlafstelle schlafen“, sagt der 24-Jährige. Und selbst das sei zunächst nicht sicher gewesen, denn Novakowski bekam 300 Anfragen für die 30 Schlafplätze.

Preise für Kölner Studierendenwohnheime steigen um zwölf Prozent

Auch der Brasilianer selbst hätte sich mehr Unterstützung von der Uni gewünscht. „Ich wollte nach Köln, weil die Uni international sehr berühmt ist und sehr gut sein soll. Seit Jahren kommen ausländische Studenten hierher, das sollte keine Überraschung mehr sein.“

Hedden Silva

Der 33-jährige Hedden Silva will als Doktorand für ein Jahr in Köln leben. Er studiert und lebt eigentlich im brasilianischen São Paulo.

Für sein Zimmer in Köln habe er ursprünglich mal 300 Euro eingeplant, in São Paulo bezahle er ja umgerechnet auch nur 150 Euro. Jetzt weiß er, dass das Geld nicht ausreicht. Denn aufgrund der steigenden Energiekosten steigen in Köln die Wohnungspreise. Und auch die Preise für die Studierendenwohnheime sind seit diesem Semester um zwölf Prozent auf durchschnittlich 270 Euro gestiegen, berichtet Jörg J. Schmitz. Weitere Erhöhungen sind nicht auszuschließen, denn die Laufzeit der Mietverträge wurde von einem auf ein halbes Jahr verkürzt. „Wir verschaffen uns damit mietrechtlich die Möglichkeit, die Preise häufiger anzupassen“, sagt Schmitz.

Trotz der Steigerung bleiben die Wohnheime für die Studierenden sehr attraktiv. Denn von einer Miete von 270 Euro kann man auf dem freien Wohnungsmarkt nur träumen. „Die Wohnsituation für Studierende in Köln ist katastrophal. Wir werden die Situation haben, dass viele Studierende weit außerhalb der Kölner Innenstadt suchen müssen“, sagt Schmitz.

Luca W.

Der 21-jährige Luca W. ist für sein Geographie-Studium aus seiner Heimatstadt Hameln nach Köln gezogen.

Und das haben auch Luca W. und Hedden Silva getan. Luca W. wird ab November rund eine Stunde zur Uni brauchen, Silva hat in Junkersdorf eine Wohnung gefunden, allerdings weit über seinem Budget. „Ich zahle jetzt 600 Euro und werde wohl Abstriche beim Reisen oder bei Aktivitäten in Köln machen müssen“, sagt der 33-Jährige. „Aber ich bin froh, dass ich überhaupt ein Zimmer gefunden habe.“


Zur Serie „Junges Köln“

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