Bauarbeiten im Norden KölnsPlätze in Chorweiler gleichen einer Kraterwüste

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Der Pariser Platz in Chorweiler 

Der Pariser Platz in Chorweiler 

Chorweiler – Die Mitte von Chorweiler ist derzeit eine Kraterwüste – die drei zentralen Plätze werden gleichzeitig saniert, Liverpooler Platz, Pariser Platz und die Lyoner Passage. Hinter Bauzäunen wird gebaggert, aufgegraben, es türmen sich Schutt und Kies, überall liegen Rohrteile, Betongitter, Sicherheitsbaken. Für die Anwohner sind provisorische Wege angelegt. Der Zustand wird bis zum Herbst 2020 andauern, dann sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Die Großbaustelle war jetzt Thema einer Veranstaltung im Bezirksrathaus unter dem Motto „Drei Jahre – drei Plätze – eine Baustelle“, Anlass war der bundesweit begangene Tag der Städtebauförderung.

Im Saal fand eine Podiumsdiskussion mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker statt, danach wurde die Baustelle besichtigt. Draußen herrschte auch ein bisschen Volksfeststimmung. Der Graffitikünstler Puya Bagheri leitete einen Workshop. Zu der Veranstaltung eingeladen hatte die Stadt Köln, bot auch ein vielköpfiges Team auf. Neben Reker waren Anne Luise Müller, Leiterin des Stadtplanungsamtes, Brigitte Scholz, Leiterin des Amtes für Stadtentwicklung, und Joachim Bauer, stellvertretender Leiter des Grünflächenamtes anwesend, sowie weitere Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Auch Vertreter der „Arge Chorweiler“ waren gekommen, ein Zusammenschluss der drei zuständigen Architektenteams Lad+ (Hannover), Yellow-Z (Berlin) und BPR (Köln/Osnabrück).

Hans-Joachim Liss (l.) und Laura Rolshoven (3.v.l.) mit Besuchern auf einer Terrasse des City-Centers.

Hans-Joachim Liss (l.) und Laura Rolshoven (3.v.l.) mit Besuchern auf einer Terrasse des City-Centers.

Unter den rund 80 Zuhörern waren zahlreiche Offizielle, Bezirkspolitiker und Vertreter von Institutionen. Dass ausgerechnet die von der Großbaustelle direkt Betroffenen, die Bewohner der umliegenden Hochhäuser, fehlten, erklärte Bezirksvertreter Inan Gökpinar so: „Sie haben mit dem Existenzkampf schon genug zu tun.“

In Chorweiler-Mitte leben überdurchschnittlich viele Bezieher staatlicher Leistungen, es gibt Alkohol- und Drogenprobleme. Die Stadt verbindet mit der Modernisierung der Zentrumsplätze die Hoffnung, die Lebens- und Wohnqualität im Viertel zu heben. Die weiträumigen Plätze werden neu strukturiert, es entstehen in kleinteiliger Anordnung Flächen für Sport, Spiel und Begegnung (siehe „Sitzstufen-Anlagen und ein Wasserspiel“). Das Bauvorhaben wird vom Bund mit fünf Millionen Euro aus dem Städtebau-Programm bezuschusst, die Stadt Köln steuert acht Millionen Euro bei.

Die Tomatenskulptur wurde versetzt und steht schon an ihrem künftigen Platz.

Die Tomatenskulptur wurde versetzt und steht schon an ihrem künftigen Platz.

Schon 2016 begann die Vorbereitung, es fand eine mehrstufige Bürgerbeteiligung statt. Anregungen hätten in der Planung ihren Niederschlag gefunden, sagte Hans-Martin Wolff vom Stadtplanungsamt. „Die Baumaßnahme ist ein einzigartiges Angebot für Chorweiler“, betonte er. „In ganz Köln gibt es keinen anderen Stadtraum, der mit so viel Aufwand umgebaut und verbessert wird.“ Das Verfahren, über Ideenworkshops, Spielangebote und Modellbauten die Bürger mit ins Boot zu holen – die Leitung hatte das Berliner Büro Urban Catalyst –, sei innovativ gewesen. „Ich war erstaunt, wie viele Jugendliche sich beteiligt haben“, so Wolff. Er ging bei der Besichtigungstour mit, die Laura Rolshoven, Landschaftsarchitektin im Stadtplanungsamt, und Hans-Joachim Liss, Technischer Leiter des City-Centers, anboten.

Das Einkaufszentrum ist selbst Akteur bei der Platzsanierung, stiftet 100 000 Euro für eine drei Meter hohe Kletterwand an der Nordfassade des Gebäudes gegenüber der Lyoner Passage. Mit ihrer roten Farbe werde die Wand spektakulär wirken, prophezeite Liss. Auf die Frage einer Seniorin, ob die Kletterwand nicht Einbrecher ermutigen werde, ins City-Center einzusteigen, sagte er, dafür sei sie zu niedrig. Auch den Einwand, die Lyoner Passage könne zum Alkoholikertreff werden, wenn dort eine Sitzstufenanlage entsteht, ließ Liss nicht gelten: „Alkoholismus gehört im Viertel leider dazu, trotzdem müssen wir versuchen, aus dem Stadtteil etwas zu machen. In erster Linie leben hier Menschen, denen muss man mal was ermöglichen.“

Er selbst habe sein „Herz an Chorweiler verloren“, bekannte der Gebäudemanager, der seit zehn Jahren im City-Center tätig ist. Auch wenn Stadt und Architekten bestrebt waren, bei der Platzgestaltung viele Wünsche zu erfüllen – einige blieben offen, das zeigte sich bei der Podiumsdiskussion. Bürger beklagten etwa das Fehlen einer öffentlichen Toilette, die auch nach 20 Uhr noch zugänglich ist. Vermisst wird auch ein Restaurant beziehungsweise Außengastronomie. Eine Rollstuhlfahrerin meldete sich: „Ich komme bald gar nicht mehr aus dem Haus, bleibe auf den provisorischen Wegen in den Rillen hängen.“ Reker nannte das „ein wichtiges Anliegen“ und versprach, die Beschwerde an die zuständige Stelle weiterzuleiten.

Sitzstufen-Anlagen und ein Wasserspiel

Lyoner Passage: An der Nordfassade des City-Centers entsteht ein Kletterbereich mit einer drei Meter hohen Boulderwand in knallroter Farbe sowie Spielgeräten. Ferner ist eine Holzbühne mit Sitzbänken vorgesehen. Auf der gegenüberliegenden Seite wird eine Sitzstufen- und Treppenanlage angelegt, weitere Bäume werden angepflanzt. Pariser Platz: Der Pariser Platz gilt den Planern als „das Wohnzimmer Chorweilers“. Er erhält einen Belag aus Pflasterklinkern. Die Mitte wird von einem Wasserspiel dominiert: Aus 16 Bodendüsen spritzen bis zu fünf Meter hohe Fontänen. An der Ostseite wird ein „Tisch der Nationen“ aufgestellt. Der Name bezieht sich auf die bunt gemischte Einwohnerschaft, im Hochhausviertel leben 120 Nationen. Die Gestaltung übernimmt die Künstlerin Carolin Schüten. Das Mosaik, das einst den Pariser Platz zierte und ebenfalls von Carolin Schüten stammte, konnte nicht gerettet werden, so die Auskunft der Stadtverwaltung. Die Mauer vor der katholischen Kirche macht Platz für eine Sitzstufenanlage. Der Cronenbourg-Brunnen ist derzeit eingelagert, er wird gegenüber dem Eingang zum Bezirksrathaus aufgestellt. Die Tomate, das Wahrzeichen Chorweilers, ist bereits um einige Meter versetzt worden. Liverpooler Platz: Der Parkplatz wird deutlich verkleinert zugunsten von Sport- und Eventflächen. Der Grünstreifen wird entfernt, um Übersichtlichkeit herzustellen. Der äußere Ring erhält eine Befestigung aus farbigem Asphalt, es werden Blauglockenbäume angepflanzt. Der Wochenmarkt kehrt zurück auf die Mitte des Platzes. Dort wird in Zukunft auch die Kirmes stattfinden. In der Oxforder Passage, neben dem Hallenbad, wird ein öffentlicher Sportbereich mit Fitnessgeräten und einem Fallschutzbelag angelegt. Auch nahe der Brücke über die Willi-Suth-Allee werden Bäume neu angepflanzt, außerdem ist dort ein Schachspiel geplant. (kaw)

Hans-Martin Wolff

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