Beeindruckende VisualisierungGroßprojekt am Kölner Dom in Gefahr

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Visualisierung zerstörtes Köln

Von Plattformen auf dem Dach des RGM (rot markiert) sollen die Besucher auf das zerstörte Köln blicken.

Köln – Es klang wie ein drittes spektakuläres Großprojekt für Köln: Kurator Helmut Bien wollte nach dem großen Erfolg der Dom-Installation „Dona nobis Pacem“ 2018 am Kölner Dom und der Licht-Installation in der Silvesternacht 2016 im kommenden Jahr einen neuen Publikumsmagneten realisieren. Unter dem Titel „Memory Cologne“ sollte ein 3000 Quadratmeter großer begehbarer Gedenkteppich als Fotoinstallation mit dem Motiv der apokalyptischen Kölner Trümmerwüste auf dem Roncalli-Platz ausgebreitet werden – zur Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945. Im Mai 2020 jährt sich Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus zum 75. Mal. Aus diesem Anlass wollte Bien die besonders eindringliche Form des Erinnerns gestalten.

Besucher sollen auf das Museumsdach

Jetzt sieht Bien, der bereits viele Monate Arbeit investiert hat, das Projekt gefährdet, „weil sich die Stadt Köln nicht entscheidet, ob sie das Projekt wirklich will“ und die Zeit im Hinblick auf den kommenden Mai knapp wird. Die Gespräche zwischen ihm und der Stadt stockten vor allem wegen der technischen und statischen Herausforderungen. Um den Teppich zu betrachten, sollen die Besucher nämlich auf Abstand gehen, indem sie den „Stadtbalkon“ erklimmen: Vom Flachdach des Römisch-Germanischen Museums, das über eine angedockte mobile Außentreppe erreichbar wird, sollen sie aus der Vogelperspektive das zerstörte Köln erfassen.

Helmut Bien

Kurator Helmut Bien will den Fototeppich unbedingt realisieren.

Nach der Kunstaktion sollte der begehbare „Stadtbalkon“ nach den Plänen von Bien weiter als Aussichtsplattform genutzt werden, um die Menschen – ähnlich wie seinerzeit in Berlin in der Baustellenbox am Potsdamer Platz – in den kommenden Jahren an Wandlung und Baugeschehen in Kölns neuer historischer Mitte teilhaben zu lassen. Denn das Areal um den Kölner Dom wird für viele Jahre zur Großbaustelle. Flankiert werden sollte das durch wechselnde thematische Ausstellungen auf dem Dach. Die Signale der Stadt waren positiv: Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte erklärt, dass sie daran interessiert sei, die Baustellensituation durch ein künstlerisches Projekt aufzulockern und alles dafür tun wolle, dass die Attraktivität des Platzes erhöht werde.

Alles zum Thema Henriette Reker

Im Gespräch mit dem Baudezernenten Markus Greitemann und der Gebäudewirtschaft der Stadt hätten aber die Bedenken wegen der Statik des Daches des RGM im Fokus gestanden, schildert Bien. „Ich hatte einen öffentlich bestellten Gutachter für Gerüstbau zu dem Gespräch mit der Stadt mitgenommen. Dieser hat einen konkreten Vorschlag zur Statik gemacht“, sagt Bien. Seiner Darstellung nach hat ihn die städtische Gebäudewirtschaft dann aufgefordert, einen präzisen statischen Plan auszuarbeiten, bevor es zu weiteren Gesprächen komme. Bien fühlt sich von der Stadt im Regen stehen gelassen: „Ich habe sehr viel Engagement eingebracht und werde behandelt wie ein Investor, der Geld mitbringen muss, um technische Pläne ausarbeiten zu lassen. Dabei mache ich nur einen fundierten Vorschlag.“

„Es ist kein Wolkenkuckucksheim“

Dass die Stadt die technische Realisierung auf ihn abschiebt, findet er nicht in Ordnung. „Ich weiß, dass es ein schwieriges Projekt ist, aber es ist kein Wolkenkuckucksheim. Man muss es wollen, dann gibt es einen Weg. Ich brauche einen Auftrag der Stadt, die Veranstalter sein soll.“

Die Oberbürgermeisterin findet die Idee von Bien „nach wie vor charmant und eine Umsetzung wünschenswert“, stellte ihr Sprecher Alexander Vogel klar. Zu einer endgültigen Prüfung der Machbarkeit und Finanzierung bedürfe es aber weiterer Gespräche auf der Grundlage vollständiger Projektunterlagen. „Die Stadt ist an einer schnellen Prüfung und einem zügigen Projektfortschritt interessiert“, stellte Vogel klar. Laut Baudezernent Greitemann hängt die Chance auf Umsetzung davon ab, ob ein Gesamtkonzept der Planung „rechtzeitig vorgelegt wird“. Es werde anders als von Bien dargestellt keine ausgearbeitete Statik erwartet. Vielmehr gehe es um fehlende technische Details wie etwa Gewicht und Maße der Gerüste oder Windanfälligkeit sowie eine Kostenprognose.

Auf der Grundlage könne über die Finanzierung gesprochen werden, die gegebenenfalls über ein Sponsoring sicherzustellen wäre. „Es handelt sich um ein Projekt von privater Seite, das die Stadt gerne unterstützt.“ Die Erarbeitung des Gesamtkonzepts sei aber originäre Arbeit des Kurators.

Bien wäre schon froh, wenn die Funkstille beendet und weitere Gespräche geführt würden. Bezüglich der Kosten hat er keine Bedenken. „Es gibt viele prominente Unterstützer, und ich bin zuversichtlich, einen großen Teil der Kosten mit Sponsoren abdecken zu können.“ Selbst wenn alle das Fotoprojekt „Memory Cologne“ am Ende aus Zeitgründen nicht zustande kommen sollte, könnte man den Stadtbalkon noch realisieren. „Schließlich wird die Baustelle fünf bis acht Jahre im Zentrum verweilen. Da gibt es viel zu schauen.“

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