Coronavirus in Köln und NRWPower-Flanieren statt Verantwortung

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Viele Kölner nutzen die Schildergasse für einen Spaziergang.

  • Was sich seit Anfang der Woche zum Beispiel auf der Hohe Straße abspielt, ist nur schwer zu ertragen, kommentiert Carsten Fiedler.
  • Von Verantwortungsbewusstsein auf dem langen Weg zurück in die Normalität ist nicht viel zu sehen. Das trifft besonders die, die keine Wahl haben, zum Beispiel Verkäufer.
  • Das darf nicht sein, denn die Sorge um Gesundheit und Wohlergehen in dieser Krise endet eben nicht an der eigenen Haustür.

Liebe Leserinnen, liebe Leser, am Beginn der Corona-Krise habe ich von meinem  Unverständnis und meinem Ärger geschrieben über diejenigen, die sich leichtfertig über die Kontaktbeschränkungen hinwegsetzten. Gut fünf Wochen ist das jetzt her. Heute sehe ich erneut Anlass zum Kopfschütteln, und nach allem, was ich höre, bin ich damit nicht allein.

Was sich seit Anfang der Woche zum Beispiel auf der Hohe Straße abspielt; was sich abends auf dem Brüsseler Platz und anderen sogenannten kommunikativen Orten der Stadt tut, das ist wirklich schwer zu ertragen: Urbanes Treiben als Sommernachts-Alptraum.

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Carsten Fiedler, Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“

Die Corona-Krise hat uns allen in den vergangenen Wochen viel abverlangt. Die Rückmeldungen der Behörden waren in doppelter Hinsicht positiv: Die Bürger hätten sich im Großen und Ganzen sehr diszipliniert an die Auflagen zur Eindämmung des Virus gehalten, und sie hätten es dadurch tatsächlich geschafft, einen sprunghaften Anstieg von Infektionen und Erkrankungen mit der unmittelbaren Folge eines kollabierenden Gesundheitswesens zu verhindern. „Freiheit als Einsicht in die Notwendigkeit“ – in gewissem Sinne lieferten die Monate März und April bestes Anschauungsmaterial für die Geltung dieser philosophischen Formel im Alltag der Deutschen.

Alles zum Thema Armin Laschet

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Vielleicht fühlten sich die Befürworter einer schnellen Lockerung dadurch ermutigt. Vielleicht hofften Politiker wie NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, dass die von ihm ausgegebene Parole zu einer gestuften, behutsamen „Rückkehr in eine verantwortungsvolle Normalität“ in ihren beiden Bestandteilen gehört und verstanden werden würde: Normalität ja, aber eben mit Verantwortungsbewusstsein. Davon war beim Power-Flanieren in der Kölner City und beim Kölschkonvent an den Kiosken wenig zu spüren. Abstandsregeln einhalten? Völlig unmöglich.

Die Öffnung der Geschäfte sollte den Händlern die Möglichkeit geben, ihre wirtschaftliche Tätigkeit wieder aufzunehmen und so die Existenz ihrer Betriebe und die Jobs ihrer Beschäftigten zu sichern. Die Kunden wiederum sollten Gelegenheit zum Konsum auch jenseits ihres Grundbedarfs an Lebensmitteln, Medikamenten oder Sanitär-Artikeln bekommen.

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Wer diese vorsichtige Lockerung als Rückkehr zur Normalität auffasst, der hat nicht nur Wesentliches nicht verstanden, sondern agiert auch unverantwortlich. Ich kann das Erschrecken, ja das Entsetzen der Verkäuferinnen nur zu gut nachfühlen, wenn ins kleine Ladenlokal ihrer Modekette plötzlich die Kunden einfallen und auf gar nichts mehr Rücksicht nehmen – kein Abstandsgebot, keine Hygiene-Empfehlung, noch nicht einmal die Grundregeln des Anstands bleiben gewahrt. Und für die Opfer derartiger Überfälle, wie sie im Lauf der Woche immer wieder geschildert wurden, gibt es keinen Schutz, keine Ausweichmöglichkeit! Das darf nicht sein, denn die Sorge um Gesundheit und Wohlergehen in dieser Krise endet eben nicht an der eigenen Haustür. Rückkehr in die Normalität – ja, aber in was für eine? Doch hoffentlich nicht in eine Normalität des Egoismus‘ und der Gedankenlosigkeit.

Auch die Verantwortlichen der Stadt Köln scheinen durch die Ausfälle aufgeschreckt worden zu sein. Die eilige Absage des verkaufsoffenen Sonntags am nächsten Wochenende ist ein sprechendes Indiz. Denn wenn der Einkaufsbummel schon an einem x-beliebigen Werktag aus dem Ruder läuft, ist ein Ereignis, bei dem das „bunte Treiben“ und der „Trubel“ Programm ist, komplett nicht mehr zu steuern. Niemandem sei dieses Vergnügen missgönnt. Aber bitte, zur richtigen Zeit! Und die ist noch nicht gekommen. Keinem kann entgangen sein, dass die maßgeblichen Virologen und die Regierenden gerade in einem rasanten Rollenwechsel von vorsichtigen Optimisten zu Unheilspropheten mutieren.

Wir Journalisten sind eigentlich gehalten, all diese Dinge „nur“ zu beschreiben und zu analysieren. Aber heute möchte ich meinen regelmäßigen Wunsch am Ende dieses Editorials doch einmal als Appell verstanden wissen – dem Ernst der Lage entsprechend: Passen Sie auf sich und auf Ihre Nächsten auf! Und tun sie dies, indem Sie vorsichtig, rücksichtsvoll und vernünftig bleiben.

Und dann auch: Bleiben Sie gesund!

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