Diesel-UrteilKöln feiert die Niederlage – Wie Stadt und Land sich die Lage schönreden

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Die Luftqualität in Köln muss besser werden.

  • Es wird keine flächendeckenden Fahrverbote für Köln geben. Das Schlimmste ist also verhindert. Das Urteil ist dennoch eine Niederlage.
  • Es ist die Quittung für eine Umweltpolitik, die den Gesundheitsschutz dem Verhindern von Fahrverboten unterordnet.
  • Wie Stadt und Land sich die Lage schönreden.

Köln – Max-Jürgen Seibert muss schon das Johannes-Evangelium bemühen, um diesen notorisch optimistischen Kölnern vor dem Oberverwaltungsgericht Münster irgendwie begreiflich zu machen, dass die Zeit des Wunschdenkens im Streit um Dieselfahrverbote endgültig vorbei ist. „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen“, zitiert der Vorsitzende Richter des 8. Senats den Bibelvers (1. Johannes 2, 1-6). Doch den Kölnern gelingt es am Ende tatsächlich, sich ein Urteil schönzureden, das nichts anderes als eine klare Niederlage ist.

Bloß weil es irgendwie gelungen ist, das Schlimmste zu verhindern. Das Schlimmste wäre ein nahezu stadtweites Dieselfahrverbot gewesen. In der gesamten Umweltzone. Jetzt wird es nur vier Straßenzüge betreffen – den Clevischen Ring, die Justinianstraße, die Luxemburger Straße und den Neumarkt. Leider ist keine Champagner-Flasche griffbereit, die sich auf die Schnelle köpfen ließen.

Keine strategische Planung

Dabei ist es gerade mal zehn Monate her, dass das Verwaltungsgericht Köln der Stadt und der Bezirksregierung ihre Politik zur Verbesserung der Luftqualität um die Ohren gehauen hat. Zehn Jahre habe man mit Nichtstun verstreichen lassen, so der Richter im November 2018. Und dann veraltete und zum Teil überflüssige Unterlagen vorgelegt.

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Was danach geschieht, hat mit strategischer Planung gar nichts zu tun. In aller Hektik wird von der Bezirksregierung unter Beteiligung der Stadt ein neuer Luftreinhalteplan zusammengeschustert, der zum 1. April 2019 in Kraft tritt und von vornherein unter einer Prämisse steht. Diesel-Fahrverbote sind tabu – auch nicht als allerletztes Mittel.

Damit hätte angesichts der Urteile, die von der Deutschen Umwelthilfe in vielen anderen Städten erstritten wurden, allen Beteiligten sofort klar sein müssen: Auch der neue Luftreinhalteplan wird vor Gericht keinen Bestand haben.

Wiesbaden: Luftreinhalteplan ohne Tabus

Wie eine Strategie aussehen muss, die zum Erfolg führt, zeigt das Beispiel der Stadt Wiesbaden. Ihr gelingt es im Februar, den Rechtsstreit mit der Umwelthilfe beizulegen. Der neue Luftreinhalteplan der hessischen Landeshauptstadt kennt keine Tabus, das Maßnahmenpaket ist darauf ausgelegt, die Verkehrswende herbeizuführen.

In den Details sind die Unterschiede zu Köln gar nicht so groß, es geht auch in Wiesbaden um neue Radwege, mehr Stellplätze für Fahrräder, die Förderung von Elektrobussen, die Einführung von Busspuren, mehr Park&Ride-Flächen am Stadtrand und ein 365 Euro-Ticket für den Nahverkehr ab Januar 2020.

Überdies wird Wiesbaden das Netz zur Überwachung der Luftschadstoffwerte so engmaschig stricken, das über jede Straße im Stadtgebiet jederzeit nachvollziehbare Messergebnisse vorgelegt werden können.

Genau das wird der Richter Seibert den Kölnern ins Aufgabenheft schreiben: „Ferner muss der Luftreinhalteplan auf einer zweiten Stufe zusätzliche Maßnahmen wie Fahrverbote den davon noch nicht erfassten Stellen für den Fall enthalten, dass die Grenzwerte mit den bisherigen Maßnahmen entgegen der Prognose-Erwartung doch nicht schnellstmöglich eingehalten werden“, heißt es im Urteil.

Aus Aachen nichts gelernt

War das nicht vorauszusehen? Natürlich. Welche allgemeinen Anforderungen das Oberverwaltungsgericht an Luftreinhaltepläne in NRW stellt, hat es im Urteil erst Ende Juli für die Stadt Aachen klar definiert: Danach müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum der Überschreitung des Immissionsgrenzwerts „so kurz wie möglich“ zu halten. Deshalb muss die zuständige Behörde auf der Grundlage aktueller Daten ernsthaft und differenziert alle geeigneten Maßnahmen, insbesondere auch Fahrverbote prüfen. Fahrverbote können auch dann angeordnet werden, wenn der gemessene Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid 50 Mikrogramm pro Kubikmeter nicht überschreitet. Der Kölner Plan vom 1. April erfüllt keines dieser Kriterien.

Armin Laschet macht Druck

Aber warum nicht? Weil Stadtverwaltung und Bezirksregierung einfach nicht den Mut hatten, der mächtigen Lobby der Fahrverbotsgegner die Stirn zu bieten. Angeführt von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), der schon im März 2018 im Vorfeld vieler Entscheidungen Druck auf die Bezirksregierungen – damals im Fall Düsseldorf – ausübt. Sie sei per se „unverhältnismäßig und damit rechtswidrig“, die Bezirksregierungen „weisungsgebundene Behörden“. Sie könnten bei der Fortschreibung des Luftreinhalteplans zwar Fahrverbote aufnehmen. Sollte sie diese verhängen, „haben wir rechtliche Möglichkeiten, das zu untersagen“. Warum sollte sich die Bezirksregierung Köln mit einem mächtigen Ministerpräsidenten anlegen?

In Laschets Windschatten erhöhen die üblichen Institutionen den Druck auf die Politik: die Industrie- und Handelskammer, die Handwerkskammer, das Kraftfahrzeug-Innung, der ADAC – um nur einige zu nennen. Und wie reagiert der Ministerpräsident? Er spricht von einem „klugen Urteil“, über das er sehr froh sei. Die Stadt Köln habe jahrelang nichts getan – und müsse nun liefern. Grundsätzlich dürfe aber „kein Kampf gegen das Auto geführt werden“, sagt Laschet im WDR. An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.

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