Kommunalwahl in Vogelsang und BocklemündAls Parent for Future in die Kölner Politik

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John Akude tritt bei der Kommunalwahl für die Klimafreunde an.

  • 45 Wahlbezirke gibt es in der Stadt. Bis zur Wahl am 13. September, bei der auch Oberbürgermeister, Bezirksvertretungen und Integrationsrat neu gewählt werden, berichten wir aus allen Veedeln der Stadt.
  • Es geht um spannende Duelle, interessante Kandidaten, prägende Themen und Trends und Kuriositäten.
  • In dieser Folge stellen wir John Akude vor. Er kandidiert für die „Klima Freunde“ und hat gute Chancen, im nächsten Stadtrat dabei zu sein.

Vogelsang/Bocklemünd. – Treffen mit dem Kandidat der Klima Freunde. John Akude kommt mit dem Fahrrad. Für einen Kandidaten dieser Wählergruppierung wohl alles andere als verwunderlich. Und dass er sein schnittiges Sportrad oft benutzt, sieht man ihm an. John Akude ist schlank und durchtrainiert. Das verwundert dann schon ein wenig. Einen promovierten Politikwissenschaftler, wie John Chukwuemeka Akude einer ist, stellt man sich vielleicht anders vor. Er ist Spezialist für Internationale politische Ökonomie und Entwicklungspolitik. Nach dem Bachelor- und Magisterstudium in Nigeria kam er an die Universität zu Köln, wo er seine Doktorarbeit über eine politisch-ökonomische Analyse des Zusammenhangs von wirtschaftlicher Unterentwicklung, fragiler Staatlichkeit und Konflikten in Afrika ablegte. Dies machte er empirisch an den Konflikten in Westafrika fest. 

Er war Wissenschaftlicher Mitarbeiter und hatte Lehraufträge an den Universitäten Köln sowie der Hochschule Aachen, war Berater im Entwicklungsministerium und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik, beide in Bonn. Heute ist er selbstständig als Berater für Investitionen und Entwicklung in Afrika. Er lebt in Vogelsang. 

„Von dort bis hierher schaffe ich es in zehn Minuten“, sagt er stolz. Im Gespräch wird schnell klar, dass er nicht nur die Straßen und Wege wie seine Westentasche kennt. Seit 26 Jahren wohnt er im Stadtbezirk Ehrenfeld. Fast sein halbes Leben. Eine ganz bestimmte Vorliebe für Köln erfasste sein Herz bereits in Nigeria: „Ich mochte den 1. FC Köln. Sie hatten damals eine so tolle Mannschaft mit Littbarski, Häßler und Morten Olsen“, sagt er strahlend auf die Frage nach dem Geißbock-Sticker auf dem Fahrradrahmen.

„Deine Freunde“ starten als „Klima Freunde“ in Köln nochmal neu

Akude ist 56 Jahre alt. Einige Jahre wohnte er im Herzen von Ehrenfeld in der Marienstraße. Vor 16 Jahren zog er nach Vogelsang, wo er mit Frau und den 18 und zwölf Jahre alten Töchtern lebt. Dieser Stadtteil bildet zusammen mit Bocklemünd und Mengenich sowie Teilen von Bickendorf und Ossendorf den Wahlbezirk 20.

Hier kandidiert John Akude für die Klima Freunde, die aus der Wählergruppe „Deine Freunde“ hervorging. Diese errang bei der letzten Kommunalwahl zwei Ratsmandate. Es kam zum Zwist zwischen Partei und Ratsherren, die dann als „die Guten“ weitermachten. Nun starten „Deine Freunde“ als „Klima Freunde“ noch einmal neu.

Weil Akude nicht nur Direktkandidat im Wahlbezirk 20 ist, sondern auch auf Platz Zwei der Reserveliste seiner Gruppe steht, hat er gute Chancen, im nächsten Stadtrat dabei zu sein. Bei der Kommunalwahl gibt es keine Fünf-Prozent-Hürde. In Nigeria engagierte er sich schon früh politisch. Er verließ das Land wegen des Kampfes um die Demokratie gegen den Diktator General Abachas. Menschen mit schwarzer Hautfarbe waren noch nie im Kölner Stadtrat vertreten. John Akude könnte der Erste sein. Dass es am 13. September, dem Tag der Wahl, vielleicht dazu kommen könnte, ist auch der „Fridays for Future“ (FFF)-Bewegung zu verdanken. „Meine Tochter ist zu den Demonstrationen gegangen“, berichtet John Akude. Mitglied der Grünen-Jugend sei sie überdies. „Ich glaube, dass sie dazu gekommen ist, weil ich das Thema Klimaschutz zu Hause immer wieder angesprochen habe.“

John Akude nennt seinen Kölner Wahlbezirk „Wild Wild West“

Vor der Geburt der ersten Tochter habe er Zweifel gehabt, ob man es verantworten könne, ein Kind in die Welt zu setzen. „Meine Frau setzte meinen Argumenten damals entgegen, dass ein Kind ein Beitrag zur Lösung der Probleme sein könne. Vielleicht ist es ja gerade der Mensch, der eine Lösung für das Klimaproblem entwickelt.“ Als diese Tochter auf die Straße ging, ging er mit. Bei einer der Demonstrationen hörte er von „Parents4Future“, also Eltern, die ihre Kinder bei FFF unterstützen. Daraufhin wurde er Mitglied. Auch bei „Scientists4Future“ ist er dabei. Über diesen Weg kam der Kontakt zu „Deine Freunde“ zustande. Deren Ideen und Ziele sprächen ihn mehr an als die der Grünen oder der Linken. Bei den Klima Freunden gefalle ihm besonders, dass bei den Lösungsansätzen immer der Mensch im Vordergrund stehe.

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Seinen Wahlbezirk nennt er scherzhaft „Wild Wild West“, den Wilden Wilden Westen. Vor allem für die Menschen in den benachteiligten Sozialräumen will er eine bessere soziale Politik machen. Die dort auftretenden Gewaltprobleme sollte man mit sozialer Kraft anstatt der bisherigen polizeilichen Kraft begegnen. „Wir müssen versuchen, Vertrauen aufzubauen“. Es müsse Schluss sein mit dem unterschwelligen Antagonismus zwischen einigen jungen Menschen und den Behörden. Für ihn sei das ein Zeichen mangelnder Kontakte. Die will er aufbauen und mit den Menschen Politik entwickeln.

„Es sind starke und kluge Mädchen und Jungen darunter, aus denen man hervorragende Kölnerinnen und Kölner machen kann“, sagt John Akude. Er sei selbst auch kein „guter Junge“ gewesen und habe „viel Blödsinn“ gemacht. Sein Vater habe aber immer Vertrauen in ihn gehabt und gewusst, dass junge Menschen oft auch schlechte Erfahrungen machen müssten um gute Erwachsene zu werden. Man müsse in die Familien hineinschauen, am besten indem man Nachbarschaften fördert und mit Selbstorganisationen von Migranten zusammenarbeitet. Das sollte die Stadtverwaltung ohnehin verstärken.

Akude: Bürgerkomitees sind sinnvoll

Für Vogelsang sieht er im Vergleich dazu kaum Probleme. Außer vielleicht die Müllentsorgung, oder dass der Bus nicht immer regelmäßig kommt. Allen Stadtteilen gemeinsam sei, dass sie weiter wachsen. Um hier besser Politik machen zu können, hält er Bürgerkomitees, die regelmäßig tagen, für sinnvoll. Dass die Chancen, ins Rathaus zu kommen, gut stehen, ist ihm klar. Dort will er sich vor allem gegen Rassismus einsetzen, für ein besseres und bunteres Köln.

Als er nach Deutschland gekommen sei, habe er eigentlich gedacht, dass der Rassismus überwunden sei. In den 1990er Jahren sei Hip-Hop en vogue gewesen. Diese Musik komme aus der schwarzen Kultur. Und er habe gesehen, wie eine Menge weißer Jugendlicher in dieser Zeit dem nacheiferten. Sie kleideten sich wie Schwarze, tanzten und bewegten sich wie Schwarze. Das habe er nicht erwartet, habe ihn geradezu in Euphorie versetzt, sodass er den immer noch vorhandenen strukturellen Rassismus zunächst nicht erkannt habe. „Natürlich habe ich es dann auch selbst erleben müssen, aber zum Glück auch das Gegenteil“, berichtet er. Der subtile Rassismus sei dabei die schlimmste Form. Und der komme auch von gut-gebildeten Menschen in verantwortungsvolle Positionen in der Gesellschaft, von denen man kaum so ein Verhalten erwartet. Die Erfahrung, wegen etwas benachteiligt zu werden, was man nicht ändern könne, nämlich wegen seines Aussehens und seiner Hautfarbe, sei sehr schmerzhaft.

Er engagierte sich gegen Rassismus auch deswegen, weil es ihm heilsame Erfahrungen bringe. Etwa, wenn er dabei spüre, dass es viele Menschen gibt, die etwas dagegen unternehmen möchten. Schließlich sei nicht jeder mit weißer Hautfarbe ein Rassist. Überhaupt: Kein Mensch werde als Rassist geboren. Rassismus ist für ihn aus dem Kapitalismus heraus entstanden, es sei eine Rechtfertigung für die Ausbeutung und die Unmenschlichkeit, die man Nichtweißen in den zu erobernden Ländern antat und immer noch antut. Er diente auch dem Schulterschluss zwischen den Ausbeutern und den Ausgebeuteten in Europa zwecks globaler Herrschaft. Rassismus verfolge ein Ziel. Rassistische Strukturen seien zum Teil Jahrhunderte alt. „Wir wollen sie verändern und sie abschaffen, aber das geht nicht von heute auf morgen.“ Es gehe darum, Denkweisen und damit Gewohnheiten zu ändern.

Kandidaten im Wahlbezirk 20

Vor sechs Jahren war es eine klare Angelegenheit für die Sozialdemokratin Monika Schultes. Mit 37,48 Prozent holte sie den Wahlkreis in der Manier einer Lokalmatadorin. Nun schickt die SPD mit dem Lehrer Oliver Seeck einen neuen, noch unbekannten Kandidaten ins Rennen. Die CDU, für die wieder Ratsherr Ralph Elster kandidiert, erhielt bei der letzten Wahl 26,2 Prozent. Die Grünen, für die nun Bernhard Geller antritt, kamen auf 12,5. Viertstärkste Partei war die Linke.

Zum Wahlbezirk 20 gehören die Stadtteile Bickendorf, Vogelsang und Bockelmünd/Mengenich. Insgesamt stehen hier elf Parteien zur Wahl. 

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