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Halbzeit-Bilanz der Kölner Opposition„Die CDU setzt auf Populismus, die Grünen knicken regelmäßig ein“

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Das Kölner Stadtpanorama

Ist Köln im Stillstand gefangen? Im Stadtrat gibt es nicht wenige, die es so sehen.

Die Opposition hat zweieinhalb Jahre nach dem Start des Kölner Ratsbündnisses aus Grünen, CDU und Volt Bilanz gezogen. Die Enttäuschung ist groß.

Naturgemäß ist die Opposition nicht zufrieden mit dem, was die Mehrheit sagt, tut und für richtig hält. Auch im Kölner Stadtrat ist Lob über die Arbeit des Mehrheitsbündnisses aus Grünen, CDU und Volt und der parteilosen Oberbürgermeisterin Henriette Reker selten, wenn man sich bei der politischen Konkurrenz umhört. Zweieinhalb Jahre nach dem Start des Bündnisses, zur Halbzeit also, hat sich bei SPD, Linken und FDP einiges an Unzufriedenheit angestaut.

Christian Joisten, Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion, zieht ein ernüchtertes Fazit. „Leider wird Köln weit unter Wert verkauft. In vielen Bereichen spielen wir in NRW nur im Tabellenkeller“, sagte Joisten am Montag. Mieten seien unbezahlbar, die Verkehrswende werde ausgebremst, die „katastrophale“ Situation bei Kinderbetreuung und Schulplätzen setze Kindern und Eltern zu und Unternehmen und Arbeitsplätze würden aus der Stadt fliehen.

Kölner SPD: Ratsbündnis verhindert Bau von Gesamtschulen gezielt

Die Fachpolitiker der SPD üben scharfe Kritik an diversen Entscheidungen oder ausbleibenden Initiativen des Bündnisses. Von 6000 geplanten neue Wohnungen pro Jahr würde man in Köln nur 2000 bauen, heißt es von der Fraktion. Damit verschärfe sich die Wohnungskrise.

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Auch bremse das Ratsbündnis den Bau von Gesamtschulen aus – „gezielt“, so der Vorwurf der SPD: Die Uneinigkeit bei Verkehrsthemen sei ein Bremsklotz für die Verkehrswende und führe zu Chaos. Statt den Bürgern attraktive Angebote zum Umstieg auf Bus, Bahn und Fahrrad zu machen, streite man sich „über jede Straße einzeln“. Beim Anstieg der Wohnungslosigkeit schaue das Ratsbündnis tatenlos zu.

Unter der politischen Führung des aktuellen Bündnisses gelinge es der Stadtverwaltung nicht, Großbauprojekte im vorgesehenen Zeit- und Kostenplan umzusetzen. Das jüngste Beispiel sei die Sanierung des Römisch-Germanischen Museums, hier drohe nun der Stillstand, so die SPD.

Kölner Linke: „Die Grünen knicken regelmäßig ein“

Auch die Linksfraktion hat dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ eine Bilanz vorgelegt, in der das Bündnis nicht gut wegkommt. Ein Kritikpunkt: Die Klimapolitik sei nicht ambitioniert genug. „Mit dem inzwischen verabschiedeten Maßnahmenpaket „Köln Klimaneutral 2035“ werden zwar viele richtige Ziele benannt, es fehlt dem Mehrheitsbündnis aber der Wille, die geeigneten Maßnahmen einzufordern“, heißt es von der Linksfraktion.

Auch mit der Verkehrspolitik des Bündnisses sind die Linken keineswegs zufrieden. „Die CDU setzt auf Populismus – und auf das Auto. Die Grünen haben dem wenig entgegenzusetzen und knicken regelmäßig ein“, heißt es in der Bilanz. Beim Ausbau des ÖPNV „spricht nichts dafür, dass das Notwendige geschieht“, heißt es weiter. Begründet wird dies mit unzuverlässigen und überfüllten Bussen und Bahnen, ausgedünnten Fahrplänen und defekten Rolltreppen und Aufzügen. Auch die „seit Jahren hinausgeschobene“ Entscheidung über den Ausbau der Ost-West-Achse verzögere die Verkehrswende. Beim kommunalen Wohnungsbau spricht die Linksfraktion von „Totalversagen“, aktuell seinen nur sechs Prozent der Wohnungen Sozialwohnungen, obwohl die Hälfte der Kölner Anspruch auf eine solche hätte.

Auch der Ausbau von Gesamtschulen scheitere und sei ein „bloßes Lippenbekenntnis“: Zuletzt habe sich das Bündnis in Rondorf und in Neubrück gegen eine Gesamtschule entschieden. Fehlende Kitaplätze führen die Linken auch auf den Verkauf von Grundstücken durch das Bündnis zurück. Auch habe das Bündnis versäumt, die städtischen Kliniken zukunftsfähig aufzustellen. „Nun sollen die Kliniken auf Kosten der Gesundheitsfürsorge der Bevölkerung kleingespart werden“, heißt es mit Blick auf die geplante Verlagerung von Stationen nach Merheim.

Kölner FDP: „Es ist schlimmer geworden unter Henriette Reker“

Die fünfköpfige FDP-Fraktion bewertet die Halbzeitbilanz ebenfalls als schlecht. Fraktionschef Ralph Sterck sagte: „Die Stadt hat ein Führungsvakuum: Weder die OB noch die Grünen führen Köln.“ Und zur Verwaltungsreform, die eines der zentralen Anliegen der OB ist und den Bürgerservice verbessern sollte, sagte Sterck: „Die Verwaltungsreform ist ein Rohrkrepierer. Die Stadt Köln weiß immer nur, wie es nicht geht.“

Dass es an den vielen offenen Stellen in der Verwaltung liegt, lässt Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite nicht gelten: „Die vielen Probleme kann man nicht nur mit Personalmangel erklären, sondern da stimmen die Abläufe nicht – und das sollte die Verwaltungsreform ja gerade ändern. Da hätten wir uns von einer Verwaltungsfachfrau wie Henriette Reker mehr erwartet. Es ist nicht besser geworden unter Henriette Reker, im Gegenteil, es ist schlimmer geworden.“

Zu den Verkehrsversuchen auf der Deutzer Freiheit oder der Venloer Straße sagt Sterck: „Die arroganten Sprüche, die bei den Verkehrsversuchen kommen, dass Einzelhändler das falsche Geschäftsmodell hätten, wenn sie auf Kundschaft von außerhalb setzen: Das ist eine Arroganz der Macht, mit der die Grünen da vorgehen.“

Die FDP hatte Reker 2015 noch als OB-Kandidatin unterstützt und danach oft den Haushalt zumindest gemeinsam mit der CDU und den Grünen aufgestellt – doch seit 2020 sind die Zusammenarbeit sowie die Reker-Unterstützung vorbei. Am Dienstag will das Ratsbündnis eine eigene Bilanz zur Halbzeit ziehen.

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