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Signale an die PolitikSo machen Kulturakteure Klimaschutz im Betrieb – trotz Widerstands

5 min
26.06.2025, Köln: Claudia Wedell, Tobias Thomas und Rojan-Lynn Frey (v.l.) im Gloria, auf der Bühne im Konzertsaal

Claudia Wedell vom Gloria Theater, DJ, Musikproduzent und Geschäftsführer eines Fußballvereins Tobias Thomas und Rojan Lynn Frey vom LVR (v.l.) bei einem Treffen im Gloria. 

LED-Licht, Mobilitätumfrage, Fahrradparkplatz: Solche Maßnahmen treffen Akteure in Betrieben. In Köln findet vom 7. bis 13. Juli die Klimaschutzwoche statt.

„Wir können keine U-Bahnstrecken bauen, die Mobilitätskonzepte einer Stadt nicht verändern. Aber wir können das Denken beeinflussen. Und damit fängt es an“, sagt Tobias Thomas. Der 55-Jährige war jahrzehntelang als DJ und Musikproduzent tätig, gehörte zum engen Kreis des Kölner Elektro-Labels „Kompakt“ und war auch Programmleiter der c/o pop. Mittlerweile hat er sich dem Sport verschrieben und ist Geschäftsführer des Fußballvereins ESV Olympia Köln.

Beim Thema Nachhaltigkeit geht es Thomas nicht nur um die Verringerung von Co2-Emissionen, sondern auch um das soziale Miteinander, die soziale Nachhaltigkeit. „Was ein Club oder ein Museum in seinem Stadtteil oder in die Stadtgesellschaft hinein bewirken kann, ist auch Teil von nachhaltigem Handeln. Man kann ein gutes Beispiel geben. Und die Leute animieren, freundlich zu sein, sich Guten Tag zu sagen.“

Klimaschutzwoche Köln: Nachhaltigkeitsmanager stellen sich vor

Thomas ist einer von 41 Kölnern, die die 2021 ins Leben gerufene Fortbildung des Aktionsnetzwerks Nachhaltigkeit in Kultur und Medien, gegründet von Jacob Bilabel, zum sogenannten Transformationsmanager und -managerin absolviert haben. Bundesweit sind es rund 500. Claudia Wedell vom Gloria Theater und Rojan Lynn Frey vom Landschaftsverband Rheinland haben die Weiterbildung ebenfalls abgeschlossen. Wir treffen sie im Gloria-Café. Anlässlich der Klimaschutzwoche vom 7. bis 13. Juli in Köln wollen sie den grünen Gedanken stärken und vor allem konkret umsetzen.

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Tobias Thomas, Claudia Wedell und Rojan Lynn Frey (v.l.) im Gloria.

Tobias Thomas, Claudia Wedell und Rojan Lynn Frey (v.l.) im Gloria.

Die Fortbildung hat sie gelehrt, dass Nachhaltigkeit nicht nur eine On-Top-Aufgabe sein sollte, nicht einfach ein loser Punkt auf einer To-Do-Liste, den man abarbeiten muss, und erst recht nicht ein Luxus, den man sich leisten können muss: sondern, dass sie in der Struktur des Betriebs verankert sein sollte. Rojan Lynn Frey koordiniert beim LVR das Projekt „kultur-klima“, das Ende 2022 im Zuge der Energiepreiskrise initiiert wurde. „Das Thema kam also aus Ressourcenknappheit hoch“, sagt Frey.

Die 30-Jährige informiert Kulturbetriebe über Maßnahmen zum Energiesparen und soll ein Netzwerk von Nachhaltigkeitsbeauftragten der freien Szene und der Kulturinstitutionen in der Region aufbauen. Sie habe gelernt, Resilienz und Geduld zu entwickeln, sagt sie. „Wir haben in der Fortbildung für ein klassisches Orchester aus Köln Nachhaltigkeitskonzepte geschrieben, Maßnahmen abgeleitet. Doch bei der Umsetzung in die Realität fängt die Herausforderung an. Die Konzepte können in der Schublade landen, weil man auch mit internen Widerständen umgehen muss.“

Nachhaltigkeit sollte kein Luxus sein, den man sich leisten können muss

Finanzielle Knappheit, eine Leitungsebene, die nicht mitzieht, das Gefühl, Nachhaltigkeit habe etwas mit Verzicht zu tun: Gründe, es mal wieder aufzuschieben, gibt es viele. Doch ökologisches Arbeiten könne im Alltag auch vieles erleichtern: In NRW wird derzeit eine digitale und physische Plattform – „Circular Culture“ – aufgebaut: Theater sollen Bühnenbilder und Materialien nicht nur für sich selbst herstellen und kaufen, um sie danach zu entsorgen.

Klimafreundlicher ist es, den Second-Hand-Verkauf und Verleih untereinander zu fördern. Die Städte Köln, Wuppertal und Bonn machen mit und Institutionen wie das Pina Bausch Zentrum. Es müssen aber nicht immer die ganz großen Projekte sein. „Kleine Maßnahmen, die leicht umzusetzen sind, können schnell Erfolge bringen und motivieren. Zum Beispiel Mülltrennung, Druckerzeugnisse verringern, Trinkwasser zum Abfüllen bereitstellen, damit nicht jeder mit seiner Plastikflasche kommt“, so Frey.

Das Gloria spart durch seine Wasser-Zapfanlage im Backstage rund 10.000 Flaschen im Jahr. Klimaanlage, Kühlhäuser und Toiletten wurden bereits erneuert. Durch ein Klimastipendium der Stadt konnte das Gloria zuletzt einen Nachhaltigkeitsmanager anstellen, der eine Analyse des Ist-Zustandes durchführen soll.

Verkehr ist der größte Emissionsfaktor in der Veranstaltungsbranche

„Da geht es auch ganz einfach darum, ob es sich lohnt, auch mal einen Drucker abzuschalten“, so Wedell. Doch klar ist: „Verkehr ist der größte Emittent in der Veranstaltungsbranche. Wir sollten den Fokus mehr darauf legen und auch in die Kommunikation mit den Gästen gehen.“ Wedell hat eine Mobilitätsumfrage bei ihren Gästen durchgeführt. Von 1700 Menschen kamen rund 50Prozent mit öffentlichen Verkehrsmitteln, 25 Prozent hingegen mit dem Auto, 10 Prozent mit dem Fahrrad.

Dass es sehr aufs Kommunizieren ankommt, weiß auch Tobias Thomas. Wenn er Maßnahmen in seinem Nippeser Fußballverein durchführt, dann bindet er Vorstand und Eltern ein. Zum Beispiel, als sie einen neuen Fahrradparkplatz gebaut haben. „Überall auf dem Gelände wurde geparkt, es herrschte komplettes Chaos vorher. Mit einem lokalen Fahrradhändler haben wir einen Fahrradparkplatz gebaut, der wunderschön ist. Gleichzeitig haben wir an die Eltern kommuniziert: Kommt lieber nicht mit dem Auto, haben auch neue Parklinien weiter hinten eingezeichnet.“ Auch als er das Flutlicht auf dem Platz komplett auf LED umgestellt hat, startete er eine Crowdfunding-Kampagne.

„Wir haben in die Mitgliedschaft reinkommuniziert, dass wir neues Licht brauchen, weil wir das Klima schonen wollen, dass wir die angrenzenden Naturräume weniger belasten und insektenfreundlicher werden wollen. Ein bestimmtes Milieu fühlt sich dadurch direkt angesprochen, weil sie Gutes tun möchten.“ 85 Prozent des Projekts habe er, auch mithilfe von Förderungen, bereits gegenfinanziert. Ersparnis: Die Co2-Emissionen seien um 80 Prozent verringert worden, so Thomas.

Politik wendet sich zunehmend von Klimaschutz ab, aber in den Betrieben passiert viel

Doch was bringt das Ganze in Zeiten, in denen sich Politiker von internationalen Klimaabkommen abwenden wie US-Präsident Trump oder auch die neue Bundesregierung dem Thema Klimaschutz nicht mehr so viel Bedeutung beimisst? „Aus so einem Nachhaltigkeits-Netzwerk kann eine Bottom-Up-Bewegung entstehen: Man muss eben nicht immer darauf warten, dass die Politik etwas macht, sondern wenn wir zeigen, dass uns das als Zivilgesellschaft bewegt, senden wir Signale an die Politik“, sagt Frey. „Viele Transfomerys machen sich entweder selbstständig oder die Institutionen schaffen Stellen: Daran merkt man, dass doch sehr viel passiert“, beobachtet Wedell. Ihnen sei bewusst, dass die großen Emissionsverursacher ganz andere sind, etwa in der Industrie.

„Aber wir können kleine Setzlinge hinterlassen in der Gesellschaft, die dann aufgehen und zu Größerem werden. Den Klimawandel können wir nicht mehr aufhalten, aber an vielen Stellen können wir Klimafolgenanpassung betreiben, indem wir zum Beispiel mehr Schatten spenden und unsere Räume nicht mit fossiler Energie kühlen“, so Thomas. Viele Betriebe täten sich schwer, Gelder freizumachen. „Aber ehrlich gesagt haben wir nicht mehr so viel Zeit. Manchmal muss man einfach mit einem Lächeln und unerbittlicher Härte weitermachen, weil es wichtig ist.“

Im Rahmen der Klimawoche soll auch gefeiert werden: Am Freitag, 12. Juli, findet die offizielle Abschlussparty des Klimafestivals im Gloria statt. „Wir müssen immer und immer wieder darüber sprechen. Es gibt so viele innovative und spannende Ideen. Wir müssen auch mal zusammen feiern, auch um zu zeigen, wie viele wir eigentlich sind“, so Wedell.