Verteidigerin Julia Stab bewertet die Rolle ihres Mandanten in dem verworrenen Komplex deutlich anders.
Geiselnahme in VillaErstes Plädoyer im „Kölner Drogenkrieg“ – diese Strafe fordert die Staatsanwältin

Der Angeklagte Botan I. mit seiner Verteidigerin Julia Stab beim Prozessauftakt im Kölner Landgericht
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Der erste Strafprozess im Komplex „Kölner Drogenkrieg“ steht kurz vor dem Abschluss. Fünfeinhalb Jahre Haft forderte Staatsanwältin Heike Nöldgen am Donnerstag im Landgericht für den Angeklagten Botan I. – er gilt als guter Bekannter des mutmaßlichen Kalker Drogenbosses Sermet A. und soll durch die Weitergabe von Waffen und Bargeld bei der Geiselnahme eines Paares aus Bochum geholfen haben. Die Opfer wurden in einer Rodenkirchener Villa festgehalten und schwer misshandelt.
Köln: Schusswaffen an spätere Geiselnehmer übergeben
250.000 Euro in Bar und zumindest zwei Waffen nebst Munition habe der Angeklagte in seiner Wohnung auf der Kalker Hauptstraße aufbewahrt. Die Banknoten seien mit einer Geldzählmaschine gezählt worden, was auf Videos festgehalten worden sei. Hierauf sei die Küchenzeile der 30-Quadratmeter-Wohnung des Angeklagten klar erkennbar gewesen. Das Geld sollte als Lockmittel für ein vermeintliches Drogengeschäft dienen, mit dem die späteren Geiseln in die Falle gelockt wurden.
Botan I. hatte erklärt, zwar die Waffen übergeben zu haben, jedoch nicht in die Pläne zur Geiselnahme involviert gewesen zu sein. Diese Aussage wertete Staatsanwältin Nöldgen als Schutzbehauptung. Denn ausgerechnet im Tatzeitraum habe der 30-Jährige viele Male mit dem mutmaßlichen Drahtzieher Sermet A. kommuniziert – das belegten etwa Daten des Anbieters „Snapchat“. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass man nicht über die Geiselnahme gesprochen habe, so die Anklägerin.
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Köln: Pärchen in Rodenkirchener Villa festgehalten und misshandelt
Das entführte Pärchen wurde verdächtigt, der Kalker Drogenbande insgesamt 350 Kilogramm Marihuana geraubt zu haben. Bewiesen wurde das nicht. Der Mann und die Frau seien vergangenen Juli nach Rodenkirchen verschleppt und misshandelt worden, bis heute litten sie psychisch schwer unter den Folgen. Dies sei auch dem Angeklagten durch seine Beihilfetaten zuzurechnen, sagte Nöldgen. Die Strafe, die das Gericht verhängen muss, dürfte daher nicht am unteren Rand des Strafrahmens liegen.

In dieser Villa in Rodenkirchen wurde das Paar aus dem Ruhrgebiet festgehalten.
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An der Geiselnahme in der Rodenkirchener Villa, die das SEK nach einem Hinweis beendet habe, hätten sich viele Männer beteiligt. „Ich bin schockiert, mit welcher Selbstverständlichkeit dort agiert wurde“, sagte die Staatsanwältin. Die Geiselnehmer seien mit bemerkenswerter Gleichgültigkeit und Brutalität vorgegangen. Sie hätten die Befehle des Auftraggebers ausgeführt, die Geiseln mit dem Tod bedroht – dem Mann sollte auf Anweisung eine Pistole an den Kopf gehalten werden.
Köln: Verteidigerin widerspricht Staatsanwältin
Verteidigerin Julia Stab widersprach der Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Botan I. sei zwar mit dem mutmaßlichen Bandenboss Sermet A. befreundet gewesen. „Er war der Chef meines Mandanten“, sagte Stab, allerdings nicht in der Kalker Bande. Der Angeklagte habe in dessen Kiosk gearbeitet und sei in den Restaurants von dessen Vater tätig gewesen. Im Kölner Drogenkomplex sei der Mandant „kein Player“ gewesen. Er tauche in den Ermittlungsakten zu anderen Fällen daher auch gar nicht auf.
„Er war Dönermann, ging nach Hause, ins Fitnessstudio und hat sich mit seinen Katzen beschäftigt“, so beschrieb Stab den Tagesablauf des Mandanten. Dieser sei ein zurückgezogener und bescheidener Mensch. „Er hatte nicht viel, war mit seiner kleinen Wohnung zufrieden.“ Botan I. habe etwa keine schnellen und teuren Autos gefahren. Ihn belaste die Haft, der Mandant vermisse seine Familie, die im Irak lebe. Er habe im Gefängnis nur einmal telefonischen Kontakt zu seiner Tochter haben können.
Köln: Anwältin fordert mildes Urteil für ihren Mandanten
Dass er Waffen und Munition für den mutmaßlichen Drogenboss aufbewahrt habe, sei für Botan I. keine große Sache gewesen. Er habe nicht einmal gewusst, dass das strafbar sei. Ihr Mandant habe aus dem Irak die Vorstellung mitgebracht, dass der Besitz von Waffen erlaubt sei, hatte Verteidigerin Stab erklärt. Von einer unmittelbar bevorstehenden Straftat habe Botan I. nicht ausgehen müssen – zumal Waffen in diesen Kreisen auch als Statussymbol und zur Machtdemonstration dienten.
Stab richtete ihre Worte an die Strafkammer: „Ich bitte Sie, verurteilen Sie ihn nur für das, was er getan hat und nicht für das, was andere getan haben.“ Die Verteidigerin stellte keinen konkreten Strafantrag, plädierte lediglich für ein „mildes Urteil“. Auch beantragte sie die Aufhebung des Haftbefehls. „Ich habe dem nichts hinzuzufügen“, sagte der Angeklagte im sogenannten letzten Wort. Ein Urteil will der Vorsitzende Richter Alexander Fühling in der kommenden Woche verkünden.