StraßenverkehrFahrrad-Boom in Köln hält an – viel Zulauf bei Werkstätten

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Mechaniker haben in ihren Werkstätten gut zu tun. Derzeit ist es für Händler schwierig, an Rad-Nachschub zu kommen.

Mechaniker haben in ihren Werkstätten gut zu tun. Derzeit ist es für Händler schwierig, an Rad-Nachschub zu kommen.

Köln – Wer ein neues Fahrrad haben möchte, muss dieser Tage eine gehörige Portion Glück mitbringen, um sein Wunschgefährt zu bekommen. Oder eine Menge Geduld aufbringen. Oder Abstriche machen und sich unter Umstände für ein anderes Modell entscheiden. Die Wartezeiten für neue Räder sind lang, der Markt ist leer gefegt.

Während nahezu jeder Wirtschaftszweig in der Corona-Pandemie bitterlich leidet, boomen die Fahrradläden: „Der Mai war der stärkste Monat, den die Branche jemals erlebt hat“, sagte David Eisenberger vom Zweirad-Industrie-Verband (ZIV).

Martin Schmitt (39), Fahrradmechaniker und Verkäufer im Fahrradfachhandel „Radius“ in Nippes, erklärt: „Die Fahrrad-Nachfrage ist weiterhin wirklich sehr hoch. Vor einigen Wochen war es sogar noch extremer, aber auch jetzt bekommen wir immer noch sehr viele Anfragen.“

Kölner Rad-Werkstätten haben viel zu tun

Mit Wartezeiten für ein neues oder zu reparierendes Zweirad müssten die Kunden auf jeden Fall rechnen: „Wir haben gut zu tun. Zeitlich sind zum Beispiel nicht alle Reparaturen direkt machbar.“ Fahrrad-Hersteller und -händler hätten ebenso mit gehörigen Engpässen und Verzögerungen bei Ersatzteilen zu kämpfen. Es sind die Folgen des Lockdowns, durch den zum Beispiel die Kurzarbeit bei den Materialzulieferern auf eine enorm erhöhte Nachfrage trifft.

Der Showroom beim Kölner Anbieter „Radfieber“. Hier wurde antizyklisch Nachschub geordert, um Lieferengpässe zu umgehen.

Der Showroom beim Kölner Anbieter „Radfieber“. Hier wurde antizyklisch Nachschub geordert, um Lieferengpässe zu umgehen.

Schmitt erklärt, dass sein Geschäft im Frühjahr für ungefähr fünf Wochen schließen musste, als es zum Corona-Lockdown kam: „Unsere Werkstatt durfte aber weiterhin offen bleiben.“ Für den 39-jährigen Ladeninhaber verstärkte die Pandemie einen sich ohnehin abzeichnenden Trend: „Die Leute wollen weg von den öffentlichen Verkehrsmitteln und lieber an der frischen Luft sein.“

„Das ist ein totaler Boom“

Marcel Jansen (50), Inhaber des Fahrradgeschäfts „Radfieber“ im Belgischen Viertel, bestätigt den anhaltenden Run aufs Rad. „Uns gibt es schon seit 1995 in Köln. Wir sind also inzwischen ein richtiges Traditionsunternehmen. Aber so eine Situation wie durch Corona haben wir auch noch nicht erlebt. Das ist ein totaler Boom.“ Jansen, der 15 Mitarbeiter beschäftigt, erzählt vom ersten Lockdown-Schock: „Am Anfang wussten wir ja gar nicht, was uns erwarten wird und ob ich Kurzarbeit anmelden muss.“

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Im April durfte der 50-Jährige seinen Verkaufsladen wieder öffnen – die Werkstatt durfte auch in seinem Fall ohnehin geöffnet bleiben. „Und dann kam die Kehrtwende, auf Teufel komm' raus. Der Ansturm auf unsere Räder war gewaltig – und ist es bis heute. Zum Glück habe ich antizyklisch eingekauft, damit wir auch weiter gut ausliefern können.“

Bremsen einstellen im Akkord: In den Werkstätten herrscht Hochbetrieb.

Bremsen einstellen im Akkord: In den Werkstätten herrscht Hochbetrieb.

Nach Angaben von Jansen bekommen die Besitzer von Fahrradgeschäften schon jetzt Probleme beim Nachschub bei kompletten Rädern und Ersatzteilen, wenn sie bis heute noch nicht für die kommende Fahrradsaison 2021 – die am 1. September startet – eingekauft haben: „Die Lieferketten sind teilweise nicht mehr vorhanden. Und auch in anderen Ländern steigen die Menschen um aufs Fahrrad. Da ist schon vieles ausverkauft.“

Stadt Köln misst deutlich mehr Radtouren

Eine Auswertung der Fahrradzählstationen in Köln, die die Stadtverwaltung betreibt, bestätigt den fortschreitenden Rad-Trend. Seit Beginn der Corona-Krise sind deutlich mehr Menschen mit dem Rad unterwegs gewesen als noch im Vorjahr. In Köln wurden im Monat Mai 2020 rund 1,5 Millionen Fahrradfahrer gezählt. Zum Vergleich: Im gleichen Monat des vergangenen Jahres waren es etwas mehr als 1,1 Millionen.

Bereits im März und April diesen Jahres wurden rund 110000 zusätzliche Radfahrer gezählt. Ob der positive Trend der enorm steigenden Fahrradverkäufe bestehen bleibt, wird sich nach Angaben des Fahrradverbands ADFC Nordrhein-Westfalen erst langfristig zeigen. Es sei jedoch davon auszugehen, dass die Auswirkungen der Pandemie dem Radverkehr im Land einen Schub geben werde, teilte der Verband mit. (red)

Dieser Text ist zuerst bei „Express.de“ erschienen.

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