Laschets MusterschülerinMit Serap Güler durch ihren Wahlbezirk Köln-Mülheim

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Serap Güler in ihrem Wahlbezirk Mülheim

Köln – Serap Gülers politischer Werdegang beginnt mit Cem Özdemir, der an der Kölner Universität auftritt. „Der Cem“, sagt Güler bei einem Spaziergang durch ihren Wahlbezirk Köln-Mülheim, sei vor 15 Jahren „ein Riesenvorbild“ gewesen. „Der erste Türkeistämmige im Bundestag! Das war weltbewegend! Allein, weil er das geschafft hatte, war ich Fan von ihm und bin da hin“. Wegen Özdemir, und nur wegen ihm, hätte sie sich damals sogar vorstellen können, die Grünen zu wählen.

Vor einem Szenecafé parken Lastenfahrräder, 50 Meter weiter sitzen Junkies vor einem Spielplatz. Mülheim ist das Kölner Neukölln. Güler tritt ihre Zigarette aus, klettert für ein Foto auf eine Graffiti-Mauer, schaltet ihr Lächeln an, eine gute Stunde hat sie Zeit, später ist sie mit dem „Heute-Journal“ für ein Gespräch über Corona und soziale Ungerechtigkeit verabredet. Aus dem Schattenkabinett von Armin Laschet ist gerade niemand präsenter als Serap Güler, 40-jährige NRW-Staatssekretärin für Integration. Sie feuert als erste über Twitter, als Georg Maaßen als CDU-Bundestagskandidat für Südthüringen nominiert wird: „Habt ihr den Knall nicht gehört? Wie kann man so irre sein und die christdemokratischen Werte mal eben über Bord feuern?“ Sie redet mit der „Zeit“ über Maaßen und ihren Kampf gegen Rassismus. Sie wird geschickt, um bei „Maischberger“ ihren Vorsitzenden gegen Söder zu verteidigen. Sie spricht auf allen Kanälen über Impfkampagnen in Brennpunktgebieten. Manchmal sieht es so aus, als schicke der Kandidat seine Musterschülerin vor, weil die ziemlich gut rüberkommt.

Laschet im Vorprogramm von Özdemir

Armin Laschet sei damals „im Vorprogramm von Özdemir“ aufgetreten, erinnert sich Güler. Ein CDU-Politiker als erster deutscher Landesintegrationsminister, das habe sie interessant gefunden. Sie hätten sich womöglich nicht kennengelernt, „wenn mich nicht ein Journalist eines türkischen Fernsehsenders, der kaum Deutsch konnte, in einer Pause gefragt hätte, ob ich Laschet ein paar Fragen stellen könnte. Nach dem Interview hat er mir ein Praktikum angeboten“. Wenig später arbeitete Serap Güler als Redenschreiberin für Armin Laschet. Als die Landtagswahl 2010 verloren ging und Güler nicht wählen durfte, weil sie keine deutsche Staatsbürgerschaft hatte, gab sie den türkischen Pass ab und wählte den deutschen. Der Ohnmacht, als Politikerin nicht selbst wählen zu dürfen, wollte sie nicht länger ausgesetzt sein.

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„Denkbar, ja, warum nicht?“

„Karriereorientiert“, „ehrgeizig“, „resolut“, „kommunikationsstark“, „ohne Zweifel an ihren Fähigkeiten“, „denkt immer vom Ergebnis her“, „dominant“. „offen“, „selbstbewusst“, „sozial“, „liberal und gläubig“ – solche Eigenschaften schreiben ihr politische Freundinnen und Gegner aus dem Düsseldorfer und Kölner Politikbetrieb zu. Viele der Eigenschaften prädestinieren sie für eine tragende Rolle im Wahlkampf und in einem möglichen Kabinett. Auch als Antipode zu Friedrich Merz, der im Wahlkampf den rechten Flügel abdecken soll. Geht sie also bei einem Wahlsieg der CDU als Ministerin nach Berlin? „Denkbar, ja, warum nicht? Aber ich werde mich damit jetzt nicht befassen.“

Für Serap Güler spricht auch, dass sie ein Gegenentwurf zu Annalena Baerbock ist: Gleicher Jahrgang, im Bereich Integration und Soziales ähnliche, sonst viele konträre Positionen: Die Kölnerin, die in Buchheim lebt, ist für die doppelte Staatsbürgerschaft und gegen Abtreibung, hat sich für ein Kopftuchverbot bis 14 Jahre eingesetzt und sprach sich gegen ein Bündnis der CDU mit den Grünen aus, sie ist für mehr sozialen Wohnungsbau und gegen höhere Steuern. Wenn man sie „Gelb oder Grün?“ fragt, ruft sie fast empört „Gelb!“

Wertkonservativ und weltoffen

Sie war mit drei im Kindergarten und sprach sich für ein Mütter-Betreuungsgeld aus. Die Mischung aus wertkonservativen und weltoffenen Ansichten macht sie anschlussfähig – sie ähneln auch jenen von Armin Laschet, den sie „Freund, Förderer, Mentor und Vorbild“ nennt. Dass ihre Karriere fast symbiotisch mit der von Laschet verknüpft ist, war bislang kein Nachteil.

Nach der jüngsten Umfrage hat die CDU die Grünen überholt. Bei der Frage nach der Kanzler-Direktwahl liegt Laschet noch hinter Annalena Baerbock. „Der Baerbock-Hype erinnert mich ein bisschen an Martin Schulz, warten wir mal ab, bis der sich gelegt hat“, sagt Serap Güler, die „vollkommen überzeugt“ davon ist, dass Laschet am 26. September zum Kanzler gewählt wird.

Vater war Bergarbeiter, Mutter trug Kopftuch

Der Vater Bergarbeiter, die Mutter Hausfrau, die Kopftuch trägt. Zu Hause wird Türkisch gesprochen. Die Tochter macht Abitur, eine Ausbildung zur Hotelkauffrau, studiert Kommunikationswissenschaften und Germanistik, kommt mit Mitte 20 zur CDU, sitzt nach vier Jahren im Landtag, nach sechsen im Bundesvorstand. Eine solche Karriere ruft Gegner auf den Plan. Sie sei „komplett ungeeignet“ und stehe nur für das Thema Integration, als Kandidatin für den Bezirk sei sie ungeeignet giftete der CDU-Ortsverbandschefs Thomas Portz vor der Kandidatinnenkür im Bezirk. Güler tat die Kritik als „albern“ ab.

Im Januar wollte die SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag wissen, wie ein lukrativer Auftrag für die Kommunikationsagentur von Emitis Pohl, einer Parteifreundin Gülers, zustande kam. „Ich war aufgrund meiner Befangenheit in dem Verfahren nicht beteiligt. Klar ist doch: Niemand darf aufgrund einer persönlichen Beziehung in so einem Verfahren mit öffentlicher Ausschreibung, auf die sich jeder bewerben konnte, bevorzugt werden“, sagt Güler dazu. Das gelte allerdings auch für das Gegenteil: niemand dürfe benachteiligt werden. Die Freundin habe sich auch um andere Ausschreibungen in ihrem Ministerium beworben – und eine Absage erhalten. „Hier ist alles absolut sauber gelaufen und ich bin mit meinem Gewissen im Reinen.“ Florian Braun, Landtagsabgeordneter und Parteifreund, sagt: „Serap Güler ist viel zu intelligent, um sich da etwas zuschulden kommen zu lassen.“ Er würde sie „bedingungslos für das Amt einer Ministerin empfehlen“.

Kritik, Diffamierungen und Morddrohungen

Dass Güler vor vier Jahren eine Veranstaltung besuchte, auf der Anhänger der rechtsextremen türkischen Organisation „Graue Wölfe“ für sich warben, wurde ihr mehrfach vorgehalten – von rechten Journalisten gern verbunden mit einer vorgeblichen Nähe zum islamistischen Milieu. Sie sei zu Beginn ihrer Abgeordnetenzeit als integrationspolitische Sprecherin der CDU auf eine Jubiläumsfeier eines türkischen Vereins in Brühl eingeladen gewesen, erinnert sich Güler. „Die Veranstaltung stand unter der Schirmherrschaft meines Parteikollegen Michael Kreuzberg, der damals Bürgermeister in Brühl war.

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Auch der Bundestags- und ebenso der Landtagsabgeordnete der CDU sowie Vertreter der SPD waren dort. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass der Verein wohl den Grauen Wölfen nahe steht. Das war weder mir noch den anderen Kollegen bekannt. Aber ich war die Einzige, die im Anschluss in der Kritik stand.“ Sie habe immer wieder ein Verbot der Grauen Wölfe gefordert und tue das bis heute. „Mir eine Nähe zu Islamisten zu unterstellen, ist geradezu perfide. Ich habe immer wieder Morddrohungen von Islamisten erhalten.“

Neid nimmt sie als Kompliment

Mit den Neidern und Missgünstigen könne sie leben, sagt Serap Güler. Sie nehme das lieber als Kompliment. „Das muss man sich ja auch erarbeiten. Ich habe bewiesen, dass ich qualifiziert für meinen Job bin.“ Halt vor einem Spielplatz am Rhein. Mütter mit Kopftüchern neben Vätern mit bunten Sneakers, Güler redet über politische Vorbilder, Heiner Geisler, Rita Süßmuth, Ruprecht Polenz, verblüffender Weise nennt sie auch Helmut Kohl und eine Rede, in der er gesagt habe, Patrioten könnten keine Ausländerfeinde sein. Sie spricht von jenem Kohl, der nicht zur Trauerfeier für die Ermordeten des rechtsradikalen Brandanschlags von Solingen ging, weil er laut seines Sprechers „weiß Gott andere wichtige Termine“ hatte. Güler ist versiert darin, Beispiele zu finden, die belegen, warum sie gut in die CDU passe. Dazu gehört auch ihr liberal gelebter muslimischer Glaube, der „genau wie der jüdische Glaube sehr ähnlich mit dem christlichen“ sei. Man darf ihr glauben, dass die Integration der muslimischen Community eine Herzensangelegenheit von ihr ist.

Brandanschlag als Schlüsselerlebnis

Der Solinger Brandanschlag 1992 sei sie ein „Schüsselerlebnis“ in ihrem Lebenslauf gewesen, sagt sie. „Ich war ohnehin ein Kofferkind, mein Vater wollte eigentlich nur sechs Monate in Deutschland bleiben. Immer wieder gab es Überlegungen, in die Türkei zurückzukehren. Nach dem Anschlag sehr viel intensiver, da hatten meine Eltern Angst. Sie fühlten sich in Deutschland nicht mehr sicher.“ Dass sie geblieben sind und sie heute stehe, wo sie stehe, sei doch ein gutes Zeichen.

Im Wahlbezirk mit Karl Lauterbach

Wenn man sie auf einen ihrer Mülheimer Konkurrenten um ein Direktmandat, den medial gerade noch präsenteren Karl Lauterbach, anspricht, sagt Güler, dass man allein mit Forderungen nach Lockdowns den Menschen vor Ort nicht weiterhelfe. Lauterbache sei „leider seit mehr als einem Jahr nur noch Mediziner und Epidemiologie. Ich lebe in Buchheim und kriege mit, wie es den Leuten geht. Diese Basisnähe sehe weder ich, noch Parteifreunde wie Rolf Mützenich bei Herrn Lauterbach. Mützenich sagte neulich selbst, dass Herrr Lauterbach eine rein medizinische Sicht auf die Dinge habe“. Während Lauterbach das Direktmandat wegen eine schlechten Listenplatzes (23) wohl bräuchte, um in den Bundestag einzuziehen, ist Güler nicht darauf angewiesen. Weil Armin Laschet sie in Berlin braucht.

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