Neue Station für Kölner ForensikBeirat schlägt Vergrößerung des Klinikgeländes vor

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Die Porzer Forensik wird erweitert.

Köln – Die forensische Klinik in Porz, in der schuldunfähige Straftäter untergebracht sind, wird Ende des Jahres um eine Station erweitert. Diskussionen, wie genau das geschehen soll, werden jetzt durch den Vorschlag des Forensik-Beirats befeuert, das Gelände deutlich zu vergrößern.

Neue Station soll auf Sportplatz stehen

Vorgesehen ist, dass der Kunstrasenplatz auf dem Klinikareal um die Hälfte verkleinert wird, um Platz zu schaffen für die neue Station in Modulbauweise, die im Winter 2022 mit einem Kran über die fünf Meter hohe Anstaltsmauer gehoben werden soll. Spätestens Anfang 2023 sollen am Porzer Standort 20 Patienten mehr behandelt werden, um resozialisiert und nach Möglichkeit rehabilitiert zu werden.

Die Pläne erläuterten Verantwortliche des Landesverbands Rheinland (LVR), der Porzer Klinik und des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ schon Mitte November bei einem Gang über das Gelände der Klinik.

Alles zum Thema Karl-Josef Laumann

Beirat schreibt Brief an Laumann

Der Forensik-Beirat will die Erweiterung allerdings so nicht akzeptieren. In seiner jüngsten Sitzung am 21. Februar gab es eine kontroverse Diskussion. „Klar ist, dass die Sicherheit und die Behandlungsmöglichkeiten in einer Forensik von guten Bedingungen abhängig ist – und dazu gehört neben kompetentem Personal auch ausreichend Raum“, sagt Johannes Schmitz, Stellvertretender Vorsitzender des Beirats, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

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Bezirksbürgermeisterin Sabine Stiller (CDU)

„Wir schlagen deswegen vor, zu prüfen, ob das Klinikgelände erweitert werden kann“, sagt Sabine Stiller, Porzer Bezirksbürgermeisterin und Vorsitzende des Beirats.

Der Forensik-Beirat hat jetzt einen Brief an Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales geschrieben, in dem die Situation in Porz erläutert und eine Erweiterung des Geländes vorgeschlagen wird. Neben der von hohen Mauern umgebenen Klinik befindet sich eine Brachfläche, die als Wasserschutzzone ausgewiesen ist und dem Land NRW gehört. „Bei einer Erweiterung könnte die Fläche für Freizeitaktivitäten genutzt werden. Bebaut werden dürfte sie nicht“, so Stiller.

Vorwurf mangelnder Transparenz

Laumann ist mit dem Thema Porzer Forensik vertraut. Sein Ministerium und der LVR als Träger waren vor knapp eineinhalb Jahren in die Kritik geraten, als der „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die Ausbaupläne berichtete, über die bis dahin weder der Kölner Forensik-Beirat noch kommunale Politiker unterrichtet waren.

Der damalige Vorsitzende des Beirats, Willi Stadoll, und der Vorsitzende des städtischen Gesundheitsausschusses, Ralf Unna, hatten dem Landesgesundheitsministerium mangelnde Transparenz und fehlende Professionalität vorgeworfen, Elfi Scho-Antwerpes, die als Bürgermeisterin viele Jahre für Porz zuständig war, eine „öffentliche Aufklärungskampagne“ gefordert.

Der Beirat hatte Laumann einen Brandbrief geschrieben, in der Folge hatten sich Stadoll und Johannes Schmitz mit dem Minister getroffen: „Laumann hat sich damals in ganzer Linie für das Verfahren entschuldigt, in das wir als Beirat nicht eingebunden waren“, erinnert sich Schmitz. „Es war ein sehr konstruktives Gespräch.“

LVR sagt, die Sorgen seien ausgeräumt

Man habe „die Sorgen inzwischen ausgeräumt. Auch wegen der Corona-Pandemie war die Kommunikation schwierig. Das hat offenbar Irritationen verursacht“, sagt Jörg Schürmanns, Kaufmännischer Direktor und Vorstandschef der LVR-Klinik Köln. Das Vertrauen, das laut Stadoll zwischenzeitlich „zerbrochen“ war, sei „wiederhergestellt worden“.

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Jörg Schürmanns, Vorstandsvorsitzender der LVR-Klinik

Der neue Forensik-Beirat, der sich am 28. Juni 2021 konstituiert hat, sei sofort mit den Ausbauplänen vertraut gemacht worden. Sabine Stiller habe sich nach der Berichterstattung vor Ort ein Bild von der Lage gemacht. Das Sicherheitskonzept für das Gelände werde „fortgeschrieben und technologisch angepasst“, sagt Schürmanns. Damit werde weiterhin die „höchstmögliche Sicherheit gewährleistet“.

Höchstmögliche Sicherheit

Ausbrüche von Patienten habe es am Standort Porz noch nie gegeben. „Zwei- oder dreimal sind Patienten im Zusammenhang mit gesetzlich vorgeschriebenen Lockerungsmaßnahmen wie Ausgängen nicht zurückgekehrt“, so Schürmanns.

Die Sorgen der Anwohner

Der Beirat hat Zweifel, dass die Sicherheit in gleichem Maße gewährleistet bleiben kann, wenn künftig mehr Patienten auf weniger Fläche behandelt werden sollten. „Wir wollen möglichst transparent die Argumente austauschen und bringen mit einer Erweiterung der Fläche eine Alternative ins Spiel“, sagt Sabine Stiller. Auch unter den Anwohnern gebe es „Sorgen und Ängste, denen wir begegnen müssen“.

Beirat hält Veranstaltung für sinnvoll

„Eine Veranstaltung, um Fragen zu beantworten und Sorgen zu nehmen“, halte sie für sinnvoll, sagt Ute Ahn, Vorsitzende des Bürgervereins Poll, die ebenfalls dem Beirat angehört.

Eine Bürgerversammlung sei bislang weder von der Nachbarschaft noch von der Politik vor Ort gewünscht worden, sagt Klaus Lüder, Leiter des Fachbereichs Maßregelvollzug beim LVR.

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Klaus Lüder, Leiter des Bereichs Maßregelvollzug beim LVR

„Wenn so eine Versammlung gewünscht wird, werden wir sie machen.“

Ministerium räumt Fehler ein

Fehler bei der Kommunikation räumt Gudula Hommel, Leiterin des Bereichs Maßregelvollzug im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, ein: „Wir haben aus der Kritik gelernt, dass wir besser früher reden als später.“

Der LVR ist sich der Schwierigkeiten, die eine Aufstockung der Patientenzahl auf dem ohnehin kleinen Gelände mit sich bringt, bewusst. „Es besteht Platzknappheit, weil die Anlage ursprünglich für 125 Patienten gedacht war, dann auf 150 erweitert wurde und künftig auf 170“, sagt Schürmanns. „Die Platzknappheit betrifft alle Kliniken, die im Zuge der steigenden Einweisungszahlen erweitert werden müssen. Wir werden die Freiflächenplanung für das Gelände überarbeiten, um den Raum bestmöglich zu nutzen.“

Turnhalle ist marode und geschlossen

Dass sich mit der Halbierung des Sportplatzes die Freizeitmöglichkeiten für die Patienten verringern, fällt auch deswegen ins Gewicht, weil die Turnhalle auf dem Gelände seit vielen Monaten nicht nutzbar ist – der Hallenboden ist verschimmelt und sanierungsbedürftig. Eine Ironie der Geschichte: Als die Forensik für 125 Patienten konzipiert wurde, hatte der damalige Beirat auf einer Turnhalle bestanden. Alternativ war seinerzeit im Gespräch, die jetzt wieder zur Diskussion stehende Brachfläche ebenfalls für die Klinik zu nutzen.

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Chefarzt Christian Prüter-Schwarte

Christian Prüter-Schwarte, Chefarzt der Forensischen Psychiatrie II der Klinik, der auch die neue Station leiten wird, glaubt nicht, dass die eingeschränkten Hallen- und Sportplatzkapazitäten die Behandlungsqualität verringern: „Wir haben hier einen sehr hohen Prozentsatz an schwerstkranken, psychiatrischen Patienten, bei den sich das Sportliche eher auf Bewegungstherapie und Aktivierung beschränkt.“ Weniger Platz bedeute „nicht zwangsläufig, dass weniger Freizeitangebote zur Verfügung stehen“.

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Statt mit einem neuen Gebäude einen Teil des Sportplatzes zu besetzen, hatten der LVR auch überlegt, eins der zwei zweigeschossigen Stationsgebäude aufzustocken. Gegen diese Variante habe gesprochen, dass „das zu neuen Sichtachsen auf das angrenzende Wohngebiet geführt hätte“, so Schürmanns.

Neue Station als Brückenkopf nach Merheim

Die neue Station, erläuterte Chefarzt Prüter-Schwarte, solle „als erweiterter Brückenkopf zur forensischen Reha in Merheim fungieren“. In der Rehabilitation fortgeschrittene Patienten könnten so früher nach Merheim überwiesen werden, wo sie mit geringerem Sicherheitsaufwand untergebracht sind.

Immer mehr Einweisungen in Forensiken

Im Jahr 2016 war der Paragraf 63 StGB, der die Unterbringung psychisch kranker Straftäter regelt, reformiert worden. Die Verhältnismäßigkeit der Unterbringung muss seitdem häufiger überprüft werden. Patienten sollen nach Möglichkeit spätestens nach zehn Jahren wieder entlassen werden. Die Aufenthaltsdauer von Patienten habe sich seitdem „leicht verringert“, sagt Gudula Hommel vom Ministerium.

Ausbauplan des Landes weit hinter Zeitplan

Die Zuweisungszahlen in forensische Kliniken steigen seit Jahren, im Jahr 2020 in NRW beispielsweise um 20 Prozent im Vergleich zu 2018. Das Land NRW hat deswegen bereits vor zehn Jahren einen Ausbauplan für neue forensische Kliniken vorgestellt. Fünf neue Kliniken sollten demnach in den Regionen Bonn, Dortmund, Essen, Münster und Wuppertal entstehen. Die Umsetzung an den meisten Standorten verzögert sich wegen Klagen der Städte und Kreise, in denen gebaut werden soll. Auch deswegen werden Standorte wie Köln-Porz oder Düren jetzt erweitert. Wie das in Porz genau geschieht, steht nach den neuen Einwänden des Kölner Forensik-Beirats nicht fest.

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