Torsten Burmester hat es mit einem Wahlkampf-Marathon vom stadtpolitischen Nobody zum Oberbürgermeister von Köln gebracht.
Burmester verlor GewichtWie Kölns neuer OB auf Regenbogensohlen zum Sieg marschierte

Torsten Burmester auf seiner Wahlparty in der Malzmühle.
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Sein Wahlkampffinale absolvierte Torsten Burmester nur knapp einen Kilometer Fußweg von jenem Ort entfernt, an dem er vor zehn Monaten als Oberbürgermeister-Kandidat der Kölner SPD vorgestellt worden war. Von einem Seminarraum der „Wohngemeinschaft“ im Belgischen Viertel bis zum Neumarkt – weit ist Burmester nicht gekommen, konnte man am Freitag meinen.
Doch seit Sonntagabend steht fest: Der ehemalige Ministerialbeamte und Sportfunktionär, den noch vor einem Jahr kaum jemand kannte in der Stadt, ist verdammt weit gekommen. Er hat es bis auf den Chefsessel im Kölner Rathaus geschafft. Mit 53,5 Prozent der Stimmen setzte sich der 62-Jährige in der Stichwahl um das Oberbürgermeisteramt gegen die grüne Mitbewerberin Berivan Aymaz (46,5 Prozent) durch.
Weiße Turnschuhe mit Regenbogen-Sohle
Dafür hat Torsten Burmester in den letzten Monaten geschuftet. In den immergleichen Turnschuhen, weiß mit markanter Regenbogen-Farbgebung an der Sohle, ist er in der Stadt unterwegs gewesen. 10.000 Gespräche wolle er führen, hatte er bei seiner Vorstellung im vergangenen November angekündigt. Knapp 12.000 sind es geworden.
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Am Ende sei er immer wieder gefragt worden, wie es seinen Schuhen gehe. Und wie es ihm gehe. „In dieser Reihenfolge“, betont Burmester. Die Schuhe, sie sind aus der Ausstattung von Team Deutschland für die Olympischen Spiele im vergangenen Jahr in Paris, haben gehalten und Burmester über die Ziellinie getragen. Auf Platz eins. Woran er öffentlich niemals gezweifelt hat. „Nur so konnte ich überzeugen“, sagt er.

Berivan Aymaz war am Wahlabend sichtlich berührt.
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Geboren in Niedersachsen und aufgewachsen in Remscheid kam Burmester zum Sportstudium nach Köln. Seither bezeichnet er die Stadt als seine Heimat, er lebt mit seiner Frau und den zwei Töchtern in Bayenthal. Sein beruflicher Lebensmittelpunkt war Köln aber nie, er war in Berlin, Bonn, Düsseldorf und zuletzt Frankfurt tätig. Damit kann ihm Unerfahrenheit in der Kölner Stadtpolitik zugeschrieben werden. Oder auch ein unvoreingenommener Blick von außen, den es vielleicht braucht, um den festgefahrenen Stillstand in Köln aufzulösen.
Burmester hat sich neben dem Mieterschutz und dem Bau neuer Wohnungen vor allem eine Verbesserung der Situation auf und um den Neumarkt ganz nach oben auf die To-do-Liste als neuer Oberbürgermeister geschrieben. Und so war es dann der in der Kölner Verwahrlosungs-Debatte zum Symbol gewordene Neumarkt, auf dem er am vergangenen Freitag den kühlen Temperaturen trotzte und wo er mit regelmäßiger Händedesinfektion Keime fernhielt. „Das mache ich schon den ganzen Wahlkampf und ich bin gesund“, sagt er.
Torsten Burmester hat im Wahlkampf „ein paar Kilo abgenommen“
„Ein paar Kilo abgenommen“ habe er auch von dem ganzen Gerenne von einem Termin zur nächsten „Veedelsschicht“, wie er sein Kennenlern-Mitarbeiten bei Kölner Unternehmen nennt. In der Gepäckabfertigung am Flughafen sei ihm sogar eine Vollzeit-Festanstellung angeboten worden, erzählt Burmester. 40-Kilo-Koffer von einem Antalya-Flug mussten aufs Fließband gewuchtet werden und er stellte sich wohl nicht ganz ungeschickt an. Mangelnden Einsatz, so viel ist klar geworden im Wahlkampf, kann Burmester niemand vorwerfen.
Am Freitag gab er kurz vor der Stichwahl nochmal richtig Gas: Zwölf Stunden lang diskutierte Burmester auf dem Neumarkt mit Gästen und stand potenziellen Wählerinnen und Wählern zu Gesprächen zur Verfügung. Ein Paar sicherte dem SPD-Kandidaten seine Unterstützung zu, obwohl beide eigentlich Anhänger einer anderen Partei sind. „Aber tun sie auch was!“, sagte die Frau mit Nachdruck. „Wenn nicht, kommen sie zu mir ins Rathaus“, antwortete Burmester. Die zwei lächelten milde. Das meint der ja ohnehin nicht ernst, sagten ihre Blicke. Oder etwa doch? Burmester versicherte ihnen, es genauso zu meinen – und daran wird er sich nun wohl messen lassen müssen.
Jochen Ott: „Er hat sich nicht hofieren lassen“
Jochen Ott, SPD-Fraktionsvorsitzender im NRW-Landtag, sagte dort auf dem Neumarkt über Burmester: „Er hat sich nicht hofieren lassen, er hat gearbeitet.“ Verglichen mit Burmesters Stichwahl-Konkurrentin Berivan Aymaz sieht er die Rollen so: „Er ist Maschinenraum, sie ist Sonnendeck.“ Und weil in Köln aktuell „nichts mehr funktioniert“, brauche die Stadt dringend Maschinenraum, also Burmester. Es ist das Narrativ vom „Macher mit Herz“, der „anpackt und verändert“, das Burmester und die Kölner SPD seit seiner Vorstellung strikt verfolgten. Der 62-Jährige sprüht nicht unbedingt vor Charme oder Wortwitz. Es ist diese Nahbarkeit, mit der er punktet. Ihm will man gern glauben, verlässlich zu sein und Dinge regeln zu können.
Beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), seinem vorherigen Arbeitgeber, sagt man über ihn, er sei ein umgänglicher Typ. Einer, der sachlich und stringent schaltet, ausgleichend waltet, Konflikte beruhigen kann. Burmester war Vorstandsvorsitzender des DOSB, und wie zu hören ist, hätte man ihn gern behalten. Dass dem Präsidium dann aber über die Medien zu Ohren kam, dass Burmester möglicherweise Oberbürgermeister von Köln werden will, hat für reichlich Porzellan-Bruch gesorgt. Man trennte sich, offiziell einvernehmlich, aber hinter den Kulissen waren beide Seiten reichlich angefasst. Burmesters Vertraute sagen bis heute, dass doch völlig logisch gewesen sei, dass er seinem Arbeitgeber nicht von der Kandidatur erzählte, bevor diese überhaupt feststand.

Otto Fricke ist der neue Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).
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Die Vergabe der World Games 2029, in deren Verlauf der DOSB-Vorstand unter Burmesters Leitung nach Ansicht der Ethikkommission des Verbands „unprofessionell“ vorgegangen war, scheint keine Rolle gespielt zu haben beim Zwist zwischen Burmester und dem DOSB-Präsidium. Es sei lediglich um ein Empfehlungsschreiben gegangen und nicht um die eigentliche Vergabe, sagte Burmester schon bei seiner Vorstellung als OB-Kandidat: „Wir haben die Kritik an uns veröffentlicht und die Empfehlung der Ethikkommission, uns zu entschuldigen, umgesetzt.“ Dass er als Chef die Verantwortung für eine solche Panne übernimmt, bezeichnete Burmester als „positive Fehlerkultur“. Genauso wolle er es als Oberbürgermeister bei Fehlern der Verwaltung handhaben. Noch ein Punkt, an dem er sich wird messen lassen müssen.
Bevor er zum DOSB kam, war Burmester Generalsekretär des Deutschen Behindertensportverbandes. Mit dem Wechsel in den Sport entkam er der schwarz-gelben Landesregierung unter Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und seinem Stellvertreter Joachim Stamp (FDP). Unter der SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hatte Burmester seit 2010 als Abteilungsleiter zunächst im Schul- und später im Wirtschaftsministerium NRW gearbeitet. Vorher war er persönlicher Referent für Sportpolitik des damaligen SPD-Bundeskanzlers Gerhard Schröder und anschließend stellvertretender Leiter der Sportabteilung im Bundesinnenministerium. „Verwaltung kann er“ – heißt es daher gemeinhin über Burmester. Er gilt als jemand, der in der Lage sein sollte, die 22.000 Mitarbeiter der Kölner Stadtverwaltung zu führen.
Aber das allein wird nicht reichen. Burmester will den Neumarkt sicherer machen und dabei gute Lösungen finden für die hilfsbedürftigen Menschen dort. Er will mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen, die KVB fit für die Zukunft machen und Köln als Wirtschaftsstandort stärken. Das kann kein Oberbürgermeister allein. Dafür braucht es Mehrheiten im Stadtrat und eine Verwaltung, die mitzieht. „Der neue Oberbürgermeister wird zusammenführen müssen“, sagte Burmester kurz vor der Stichwahl: „Er wird dafür sorgen müssen, dass grundsätzliche Entscheidungen gemeinsam getroffen werden.“ Dieser neue Oberbürgermeister ist Torsten Burmester jetzt. Er ist am Zug, seine Versprechen umzusetzen.