NRW-KrankenhausreformSind die Kölner Kliniken „babyfreundlich“ genug?

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Die neuen Kölner erhalten im Krankenhaus St. Elisabeth ein T-Shirt mit der Aufschrift „ich bin ein Hohenlinder“.

Die neuen Kölner erhalten im Krankenhaus St. Elisabeth ein T-Shirt mit der Aufschrift „ich bin ein Hohenlinder“.

  • Laut einem Gutachten ist die Stadt Köln mit Angeboten im stationären Bereich überversorgt.
  • Doch zählt dazu auch die kölsche Geburtsversorgung?
  • Und wo kommen den Gerüchten zufolge nach „echte“ Kölnerinnen und Kölner zur Welt?

Köln – Die Krankenhauslandschaft in Nordrhein-Westfalen wird sich grundlegend ändern. Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann sprach unlängst von der „wohl größten Reform der NRW-Krankenhauslandschaft seit Jahrzehnten“. Mit Spannung wird der neue Krankenhausplan erwartet. Der Entwurf soll Ende des Jahres da sein. Das vorbereitende Gutachten liegt seit Kurzem vor.

Angedacht ist, dass sich die einzelnen Häuser stärker spezialisieren. Zum Beispiel in der Kardiologie, Chirurgie, Orthopädie oder Geburtshilfe. So sollen Ressourcen gebündelt werden. Das betrifft auch die Kölner Kliniken. Laut Gutachten ist die Stadt mit Angeboten im stationären Bereich überversorgt. Mit diesen Spezialisierungen soll die Versorgungsqualität verbessert werden.

Je mehr Routine, desto wahrscheilicher der Erfolg

Schon jetzt müssen Krankenhäuser für komplizierte, aber planbare Operationen feststehende Fallzahlen vorweisen, um den Eingriff durchzuführen. Die Zahlen legt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) fest (siehe „Der Gemeinsame Bundesausschuss“). Unterschreitet die Klinik die Mindestmenge, kann sie die jeweilige Leistung nicht mehr mit den gesetzlichen Krankenversicherungen abrechnen. Die Idee, die hinter dem Konzept der Mindestmengen steht: Je mehr Routine, desto wahrscheinlicher ist der Behandlungserfolg.

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Der gemeinsame Bundesausschuss

Für acht Leistungsbereiche hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) verbindliche Mindestmengen festgelegt: Leber- und Nierentransplantationen, Stammzellentransplantationen, komplexe Eingriffe an den Organsystemen Ösophagus (Speiseröhre) und Pankreas (Bauchspeicheldrüse), Kniegelenk-Totalendoprothesen (Knie-TEP), koronarchirurgische Eingriffe und die Versorgung Früh- und Neugeborener mit einem Geburtsgewicht unter 1250 Gramm.

Der G-BA ist das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen und wird gebildet aus Kassenärztlicher und Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung, Deutscher Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Er legt Richtlinien fest, welche medizinischen Leistungen die 73 Millionen Versicherten beanspruchen können. Darüber hinaus beschließt er Maßnahmen der Qualitätssicherung. (mos)

Tatsächlich wird die Idee der Spezialisierung an Kölner Kliniken in einigen Bereichen bereits umgesetzt wird. Beispiel Geburtshilfe. Von den 18 Kölner Akutkrankenhäusern (ohne die psychiatrischen Kliniken) haben acht eine geburtshilfliche Klinik oder Fachabteilung. Ihren Geburtenzahlen reichen von etwa 1200 bis 1500 Geburten im Jahr 2018 (Evangelisches Krankenhaus Kalk, Evangelisches Klinikum Weyertal und Krankenhaus Porz) bis zu 2000 (Krankenhaus Holweide) und 2350 an der Uniklinik. Jeweils etwa 1800 Geburten verzeichneten das St. Elisabeth-Krankenhaus (Hohenlind), das Krankenhaus der Augustinerinnen (Severinsklösterchen) und das Heilig-Geist-Krankenhaus in Longerich. Insgesamt kamen in Köln im vergangenen Jahr 11 582 Kinder zur Welt. In der Zahl enthalten sind auch Hausgeburten und Entbindungen im Kölner Geburtshaus.

Unterschiede sind gering

Die Unterschiede in den acht Geburtskliniken sind hinsichtlich Ausstattung, Betreuung und Erfahrung der Ärzte, Hebammen und Kinderkrankenschwestern gering. Überall werden verschiedene Entbindungsformen wie Wasser- oder Hockergeburt angeboten. Es stehen Kreißbetten, Geburtsseile oder Entbindungslandschaften zur Verfügung. Zudem werden neben Periduralanästhesien zur Schmerzlinderung alternative Behandlungsformen wie Homöopathie, Akupunktur, Aromatherapien, Entspannungs- und Atmungstechniken, Hypnose oder Lachgas angeboten. Es gibt Geburtsvorbereitungskurse, Hebammensprechstunden, Kreißsaalbesichtigungen und Stillberatungen.

Einige Geburtskliniken punkten mit gefühligen, lokalpatriotischen Extras. So haben zwei Krankenhäuser haben einen „Veedelsbonus“. Wo kommen dem Volksmund nach „echte“ Kölnerinnen und Kölner zur Welt? In Hohenlind und im Klösterchen. Beide Krankenhäuser machen sich dieses durch keine wissenschaftliche Studie untermauerte „Jeföhls-Plus“ zu Nutze. So erhalten in St. Elisabeth die neuen Erdenbürger eigens ein Hemdchen mit der Aufschrift „Ich bin ein Hohenlinder“. Chefarzt Daniel Rein und Monique Nentwich, leitende Hebamme, verweisen aber auch auf handfestere Vorteile der Geburtsstation.

Bindung zwischen Kind und Eltern steht im Vordergrund

So gibt es ein täglich besetztes Hebammentelefon, so dass die Hebammen Fragen rund um die Geburtshilfe und zur Schwangerschaft auch telefonisch beantworten können. Für Kaiserschnitte und Notfälle steht ein in den Kreißsaal integrierter OP-Saal zur Verfügung. „Wir bieten unter anderem eine integrative Wochenbettpflege. Wir sehen Mutter, Vater und Kind als Einheit“, sagt Nentwich. „Auf einen Kindersaal verzichten wir. Die Eltern sollen von Anfang an eine enge Bindung zu ihrem Kind entwickeln und so eine gute Basis für die Bedürfnisse ihres Kindes bekommen“, ergänzt Rein.

Neuer Kreißsaal im Severinsklösterchen

Neuer Kreißsaal im Severinsklösterchen

Rooming-In ist in allen Zimmern möglich, zudem gibt es Familienzimmer. Nicht zu vergessen ist das Patientenzimmer in „Rut und Wieß“. Es enthält FC-Fanartikel wie Fußballtrikot oder einen Geißbock aus Gips. Eltern können das Neugeborene über die Klinik als Mitglied des 1. FC Köln anmelden. Im „Klösterchen“ in der Südstadt kommen die „Kölnerchen“ zur Welt. So heißt auch die neue Baby-App. Sie soll werdende Eltern von der Schwangerschaft über die Geburt bis ins erste Lebensjahr des Kindes begleiten. Die App hält Tipps und Informationen bereit, zusammengetragen von Hebammen, Gynäkologen und Kinderkrankenschwestern. Es gibt ein eigenes Kölnerchen-Lied und die Wortschatz-Erstausstattung kölscher Wörter.

Zertifikat „Babyfreundlich“ ist heiß begehrt

Seit Mai ist der neue Kreißsaal-Bereich im Krankenhaus der Augustinerinnen fertig. Statt bislang vier gibt es nun sechs Kreißsäle und zusätzlich zwei separate Kreißsaal-OPs sowie eine angeschlossene Schwangerenambulanz. „Wir sind ein Veedelskrankenhaus und tief in der Südstadt verwurzelt“, sagt Chefarzt Jan C. Schmolling. Sehr intensiv sei die Zusammenarbeit mit der Elternschule „Neue Kölner“, in der Hebammen und Vertreter aus sozialen, kaufmännischen und medizinischen Berufen die Eltern und ihre Kinder unterstützt.

Das Heilig-Geist-Krankenhaus in Longerich ist die erste und bislang einzige Geburtsklinik in Köln mit dem Zertifikat „Babyfreundlich“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Kinderhilfswerks Unicef. „Dafür gilt es, die intensive Betreuung der Mütter vor und nach der Geburt zu gewährleisten und eine Bindungs- und Stillförderung durchgehend umzusetzen“, sagt Claudius Fridrich, Chefarzt der Frauenklinik. „Ein Schwerpunkt ist die Förderung des Stillens, das unter anderem das Immunsystem des Kindes stärkt.

Unterstützung des natürlichen Geburtsverlaufes

Eine zentrale Rolle spielt zudem das Bonding, das den Hautkontakt unmittelbar nach der Geburt mit einschließt“, sagt die leitende Hebamme Nella Barion. Die Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im Heilig-Geist-Krankenhaus bietet auf Wunsch auch eine ausschließlich hebammengeleitete Geburt. „Dem liegt die Auffassung zugrunde, dass eine unkomplizierte Geburt mit vorausgegangener risikolosen Schwangerschaft keiner hochtechnisierten medizinischen Betreuung bedarf“, so Fridrich. Bei Komplikationen sei ärztliche Hilfe aber sofort verfügbar.

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Die Klinik ist eine von zwölf Krankenhäusern in Deutschland, die an der wissenschaftlichen Studie „Be-Up: Geburt aktiv“ teilnehmen. Diese Studie erforscht, wie der natürliche Geburtsverlauf in der Klinik unterstützt werden kann, und ob sich die Einrichtung des Raumes auf die Geburt auswirkt. Dazu sind im Heilig-Geist alternative Gebärräume eingerichtet worden. In diesen Zimmern ist das Kreißbett nicht mehr das zentrale Element des Raumes, sondern rückt an die Seite. Sitzsack, Schaumstoffelemente oder ein Ball können zur Entspannung genutzt werden.

Wohlfühlfaktoren zur Stressreduktion

Es stehen jeweils ein Bildschirm zum Anschauen von Filmen, Kaffeemaschine, Wasserkocher, kalte Getränke und Snacks zur Verfügung. „Das sind Wohlfühlfaktoren mit dem Ziel, Stress zu reduzieren“, erläutert Barion. „Eine spannende Frage ist, ob sich in dieser veränderten Umgebung eventuell die Zahl der Kaiserschnitt-Geburten verringern lässt“, sagt Fridrich. Die liegt in der Frauenklinik des Heilig-Geist-Krankenhauses bei knapp über 20 Prozent. Im Bundesdurchschnitt lag die Zahl im Jahr 2017 bei etwas über 30 Prozent.

In Köln gibt es zwei Krankenhäuser mit einem Perinatalzentrum der höchsten Versorgungsstufe (Level 1): am Krankenhaus Holweide und an der Uniklinik Köln. Diese Zentren sind Einrichtungen, die auf die Versorgung von Frühgeborenen und reifen Neugeborenen mit schweren Erkrankungen spezialisiert sind. Dazu zählt auch die Betreuung von Frühchen mit einem Geburtsgewicht von unter 1500, teils sogar unter 1200 Gramm. Am Krankenhaus Porz am Rhein sind Frauen- und Kinderklinik als perinataler Schwerpunkt (Level 3) anerkannt. Hier können Risikogeburten und Frühgeborene ab der 32. Schwangerschaftswoche und einem Geburtsgewicht ab 1500 Gramm betreut werden.

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