Supermarkt-RadioWie Musik bei Rewe, Penny und Co. unser Kaufverhalten lenkt

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Einkaufswagen

Manche Produkte könnten auch dank bestimmter Musik im Einkaufswagen landen.

  • Musik, Angebote, Gewinnspiele: Immer mehr Supermarkt-Ketten beschallen ihre Kunden mit selbst produzierten Inhalten und sogar eigenen Radiosendern.
  • Dabei geht es längst nicht nur gute Laune-Gedudel. Die richtige Musikauswahl kann Kunden zu Impulskäufen anregen oder sie länger im Geschäft halten.
  • Eine Expertin erklärt, was Supermarkt-Musik mit uns macht.

Köln – Gerade wird das Rezept für einen Erdbeer-Rhabarber-Kuchen mit Streuseln vorgestellt, dann folgt ein kurzer Wetterbericht, News aus Showbiz und Sport und dann das Angebot des Tages: zwei Schalen Erdbeeren für 3,99 Euro. So oder so ähnlich kommt es dem Verbraucher zu Ohren, wenn er manche Supermarktfiliale betritt. Doch das, was aus den Lautsprechern kommt, ist weder Radio Köln noch WDR2. Es ist aber auch keine Dudel-Playlist in Dauerschleife. Das Programm wird eigens für die Märkte produziert. Die Rede ist von sogenannten Instore- oder, simpel gesagt, Supermarkt-Radios.

Was vor 20 Jahren noch eine Seltenheit war, läuft heute in 73 Prozent der Filialen des deutschen Lebensmitteleinzelhandels. Produziert werden die Inhalte von verschiedenen Anbietern. Edeka wird von Radio P.O.S. aus Kiel beliefert, Real von Echion aus Augsburg, Penny und Rewe vom konzerneigenen Radio Max aus Wien. Sie alle haben das Ziel, eine Wohlfühlatmosphäre für den Kunden zu schaffen und letztendlich den Verkauf anzukurbeln. „Durch das Instore-Radio haben wir die Möglichkeit, Kunden auf konkrete Produkte aufmerksam zu machen, sie zu unterhalten, aber auch mit den aktuellen News zu versorgen“, sagt Kristina Schütz, Pressesprecherin der Rewe Group.

Zwei Millionen Hörer

Das Tochterunternehmen Radio Max beschäftigt 120 Mitarbeiter. „Wir wissen, was Menschen und Marken am Point of Sale zusammenbringt“, heißt es auf der eigenen Internetseite. Mit „Pennylive“ hat das Unternehmen das erste live moderierte Kunden-Radio hervorgebracht. Seit März 2015 läuft es bundesweit in allen 2200 Märkten der Rewe-Tochter und kommt so am Tag im Durchschnitt auf zwei Millionen Hörer.

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Gestaltet und moderiert wird es zwischen 6 und 20 Uhr von einem neunköpfigen Team. In der Stunde vor Marktöffnung läuft für alle Penny-Mitarbeiter die Morningshow. Unter dem Motto „Wir spielen, was ihr wollt“ können sich die Mitarbeiter zum Start in den Tag ihren Lieblingssong wünschen oder Kollegen grüßen. „In dieser Zeit steht die Bindung sowie die Motivation der Mitarbeiter im Vordergrund“, sagt Schütz. 70 Prozent der Zeit läuft Musik, die anderen 30 Prozent bestehen aus Wortbeiträgen, Gewinnspielen, Produktinformationen, Angeboten oder auch Rezepttipps.

„Das Sendekonzept wird in enger Abstimmung mit Rewe und Penny entworfen, das Musikprogramm ist also auf die jeweilige Zielgruppe genau zugeschnitten“, sagt Schütz. Dabei sei es grundsätzlich so, dass Lieder mit einem natürlichen und positiven Charakter gespielt werden. Auf keinen Fall wolle man Hektik verbreiten. „Auch die Tages- oder Jahreszeit spielt für die Musikauswahl eine Rolle“, so Schütz weiter.

Musik erschafft Wiedererkennungswert

Studien belegen, dass sich mit Musik unsere Markenwahrnehmung und auch unser Kaufverhalten beeinflussen lassen. Monika Imschloß, Juniorprofessorin für Marketing und Handel an der Uni Köln, beschäftigt sich intensiv mit multisensorischem Marketing und hat sich auf die Wirkung von Musik auf den Verbraucher spezialisiert. Die Zielsetzung der Händler, sagt sie, kann durchaus unterschiedlich sein: „Die meisten Händler spielen Musik auf den Verkaufsflächen, um eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen, andere, um ein bestimmtes Markenimage in auditiver Form zu übermitteln“. Die Musik gehöre so zum Marken- und Einkaufserlebnis dazu und schaffe einen Wiedererkennungswert. „Ziel muss also nicht nur das Kaufverhalten sein, sondern auch Loyalität“, so Imschloß. Fühle man sich in einem Laden wohl, dann komme man mit großer Wahrscheinlichkeit auch wieder.

Musik kann den Verbraucher aber auch in gewisser Weise lenken. Für eine Studie der Uni Köln boten Wissenschaftler in mehreren Supermarktfilialen sieben Produkte jeweils aus Italien und Frankreich an, die sich miteinander vergleichen ließen. Ciabatta und Baguette, Pizza und Flammkuchen, Tiramisu und Crème Brûlée. Dann wurde im Laden abwechselnd italienische und französische Musik gespielt. Lief Musik aus Italien, fiel der erste Blick der Konsumenten auf die italienischen Produkte, bei Musik aus Frankreich auf die französischen.

Peter M. Mayr

Moderatoren der Rewe-Tochter Radio Max im Studio

„Das zeigt, dass Musik die Aufmerksamkeit auf gewisse Produkte lenken kann“, schlussfolgert Imschloß. Man könne dadurch aber auch Produktattribute hervorheben. Hört der Kunde in einem Stoffladen sanfte Musik, kommt ihm der Stoff automatisch weicher vor. Auch die Vertrauenswürdigkeit einer Apotheke lässt sich mit der richtigen Musik steigern. „Außerdem verändert auch die Geschwindigkeit der Musik das Verhalten der Kunden. Ist die Musik schnell, gehen sie schneller durch das Geschäft. Ist die Musik langsamer, bleiben die Leute länger und kaufen auch mehr. Durch Musik können auch Impulskäufe verstärkt werden“, sagt Imschloß.

Genau gegen diese Beeinflussung und „Zwangsbeschallung“ wehren sich Initiativen wie der Verein „Lautsprecher Aus!“. Sie sehen sich in ihrer Selbstbestimmung eingeschränkt. „Wir möchten dann Musik hören, wenn wir es wollen und dann auch nur das, was wir wollen“, sagt Geschäftsstellenleiter Peter Michael Lange. Schließlich könne man seine Ohren „nicht zumachen“ und werde an Orten belästigt, die man nicht meiden könne. Auf seiner Website warnt der Verein vor einer Belastung des Nervensystems, einer langfristigen Schädigung der Gesundheit (Ohren, Herz, Kreislauf) und einer Manipulation unseres Verhaltens, besonders zu mehr Konsum.

Uni Köln

Monika Imschloß, Juniorprofessorin für Marketing und Handel 

„Manipulation ist ein krasses Wort“, sagt Imschloß und fügt hinzu: „Musik wird nicht beeinflussen, ob ich mir einen kleinen Zweisitzer oder einen großen SUV kaufe. Es geht eher um kleinere Entscheidungen.“ Die Beeinflussung sei außerdem nicht tiefgreifend. Meist würden die Effekte verschwinden, wenn man sich ihrer bewusst werde. Sie selbst sieht einen externen Impuls nicht zwingend negativ. „In manchen Fällen wird uns die Kaufentscheidung erleichtert, die wir selbst auch manchmal zu faul sind zu treffen.“

Lidl und Aldi verzichten auf Musik

Dass es auch ganz leise geht, zeigen Lidl und Aldi. Die Discounter-Ketten verzichten in ihren Filialen komplett auf Musik. Aber warum? Imschloß: „Weil es einfach nicht zu ihrem Konzept passt. Ich denke aber, dass sich das in Zukunft ändern wird. Man muss den Kunden ein gewisses Erlebnis im stationären Handel bieten. Bei Lebensmitteln ist es vielleicht nicht ganz so extrem wie in anderen Einzelhandelsläden. Aber das Vor-Ort-Erlebnis wird immer wichtiger werden“.

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