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Hymne an die Weinkunde„Ein neues Standardwerk für jede gute Stube“

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Martin Bechler und Sophia Fritz mit ihrem Hund „Rumi“ im Ehrenfelder Café Weltenbummler.

  • Martin Bechler (Fortuna Ehrenfeld) und Sophia Fritz haben zusammen ein Buch über Wein geschrieben - 'Kork'
  • „Dieses Buch ist der Weisheit letzter Stuss und eine Ode an die Önologie“, wirbt der Kanon-Verlag.
  • Die Geschichte zwischen Fiktion und Realität, in der sich die Autoren selbst zu ihren Hauptfiguren gemacht haben, ist vor allem ein Weinführer der besonderen Art.

Ehrenfeld – Mit dem schnüffelnden „Rumi“ kommen Sonnenstrahlen und ein Schwall kalte Luft durch die Tür des Ehrenfelder Café Weltenbummler, an der Hundeleine wird Sophia Fritz hinterhergezogen.

Die junge Frau fährt sich mit der Hand durch die schwarze Haarpracht, schält sich aus dem Wintermantel und bestellt einen Eiskaffee. Martin Bechler, Frontmann und Kopf von Fortuna Ehrenfeld, trifft ein, herzt und bützt den Hund, in den er „schockverliebt“ ist.

Die beiden Autoren haben gemeinsam einen Roman geschrieben, „Kork“, der diese Woche veröffentlicht wird und den sie am 23. März auf der lit.Cologne vorstellen werden.

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„Ein Weinführer der besonderen Art“

„Dieses Buch ist der Weisheit letzter Stuss und eine Ode an die Önologie“, wirbt der Kanon-Verlag. Denn die Geschichte zwischen Fiktion und Realität, in der sich die Autoren selbst zu ihren Hauptfiguren gemacht haben, ist vor allem ein Weinführer der besonderen Art.

Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt: Sophia, Anfang 20, hat ihr Psychologie-Studium abgebrochen und kellnert in der Weinstube „Bacchus“. Doch sie serviert nie den bestellten Wein, sondern den, der ihrer Meinung nach zur Situation des Gastes passt. Einzige Ausnahme: Stammgast Martin, Mitte 40, Musiker. Die beiden krönen sich zu Propheten des Weins und verordnen gemeinsam die richtigen Weine für die falschen Leben der Anderen.

Sophia Fritz (24), Psychologie-Studentin und Autorin für die „Zeit“ und die „FAZ“, hatte gerade ihren ersten Roman „Steine schmeißen“ veröffentlicht. Zu einem Treffen mit Bechler wollte sie Wein mitbringen: „Ich stehe vor dem Weinregal und habe mich darüber aufgeregt, dass ich nicht weiß, was ich kaufen soll. Martin kennt sich mit Wein aus, ich nicht. Chianti? Rioja? Keine Ahnung. Das hat mich so geärgert, weil ich die Geschmäcker auch nicht zuordnen kann. Wenn da steht, schmeckt nach Brombeere im Abgang – ist das jetzt gut oder nicht? So kam die Idee zum Weinratgeber mit Martin zustande. Wir wollten sagen, was man trinken muss. Ich möchte, dass man in den Supermarkt reinkommt und es gibt eine Abteilung traurig, glücklich, verlobt, wütend, Fußball. Der Wein muss zum Anlass passen.“

„Ein neues Standardwerk geschaffen“

Martin Bechler ergänzt: „Man fühlt sich mit klassischen Weinführern oft alleine gelassen. Da steht nur, was man bei der Hochzeit, der Silbernen, der Goldenen, der Bleiernen oder der Uraneren trinkt, aber niemand erklärt dir, was du bei Liebeskummer saufen sollst. Oder wenn dein Fußballverein verliert. Oder wenn die Aliens landen. Wir haben da Lücken geschlossen. Wir haben ein neues Standardwerk geschaffen, was in jede gute Stube gehört.“

Die skurrilen Geschichten sind teils autobiografisch, teils abstrus fiktional. „An manchen Stellen ist es bitter, wenn man sich vorstellt, das könnte jemand für real halten“, sagt Bechler. „Da stellen sich einem die Nackenhaare auf. Es folgt eben der alten Fortuna-Logik, den allerfeinsten Brainfuck verewigt zu haben. So wirr das manchmal ist, die Weinempfehlung ist immer seriös. Wer sich durch dieses Buch gesoffen hat, der weiß Bescheid. Wir haben das Tischtuch ausgewrungen, in das die Leute ihre Tränen weinen, wenn sie abends einen saufen gehen, das ist immer akut.“

„Der Reiz, mit Martin zu schreiben, liegt auch in dem Generationenunterschied“, sagt Fritz. „Ich achte auf andere Sachen beim Trinken als er. Ich trinke eher bei Herzschmerz, und er macht ’ne gute Flasche Wein auf, um mit einem Freund über Aktien zu reden.“ Das sei klischeehaft tatsächlich, aber man habe versucht, das aufzubrechen. „Es ist nicht alles erlebt, aber alles gefühlt darin“, sagt sie. „Vor allem der Schmerz.“ Ein Satz, den sich Wortakrobat Bechler direkt in Bronze gießen würde.

„Keine Rotweinpropaganda“

Ihr Trinkverhalten habe sich eindeutig verbessert, sagt Fritz. „Ich habe erstmal vier Weinratgeber gekauft und mir so ein Grundwissen angelesen.“ Bechler ergänzt: „Wobei sich, bei allem Respekt vor den Kollegen, das so ein bisschen auserzählt hat. Die drehen sich immer noch in diesen immer komplizierter werdenden Geschmacksbeschreibungen zwischen Zindelholz und Dachpappe. Da musste mal ein neuer Ansatz her. Und das ist jetzt keine Rotweinpropaganda geworden, sondern wir gehen auch dahin, wo’s weh tut. Wir benutzen Wein ja auch, um uns zu betäuben, um uns in einer formidablen Alkoholiker und Alkoholikerinnen-Gesellschaft zu sedieren. Wir überschreiten auch die Grenze, wo einem das noch gut tut.“

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Und so spielen neben Wein auch Ibuprofen eine wesentliche Rolle. „Ich fand das sweet. Wir haben das so eingebaut, dass sie immer Schmerztabletten nimmt. Aber eher, um diesen Weltschmerz zu verarbeiten. Immer, wenn Martin Dinge sagt, wo sie denkt Oha! gibt es ’ne 400er Ibu. Sie entwickeln so eine Komplizenschaft.“ Dazu Bechler: „Wir denken, wenn wir ein Problem haben, ob ein Zipperlein oder was Dramatisches, dass es ein Mittel dagegen gibt. Diese Fähigkeit unterstellen wir Wein auch, aber das ist ein großer Irrtum.“

„Alienlandung – frischer Rosé“

Ein Kniff des Romans ist, dass Sophia immer anderen Wein serviert, als den bestellten. „Im Buch fällt Sophias Leben außerhalb der Weinbar auseinander“, erläutert die Autorin. „Aber in diesem kleinen Raum kann sie in ihre Selbstwirksamkeit kommen und sagen: Ich bestimme, was hier gemacht wird. Ich rette die Leute. Auch wenn das natürlich nicht geht. Es ist ein Spiel mit dem bewussten Lügen, um herauszufinden, wie oft mir noch geglaubt wird. Martin steigt ein in dieses Spiel. Wir überlegen, was man wann trinkt. Wenn man aus dem Fenster schaut. Oder im Lotto gewinnt.“ Bechler grinst: „Man könnte sich die Quintessenz auf den linken Unterarm tätowieren, dann ist man vorbereitet: Alienlandung – frischer Rosé…“

Lesung auf der lit.Cologne

Er freut sich auf die Lesung am 23. März auf der lit.Cologne in der Comedia: „Da geht keiner nüchtern nach Hause, vor allem wir nicht. Auch Rumi ist dabei und es gibt einen eigenen Korkwein – selbstverständlich mit Schraubverschluss - und viel Musik.“

Und neue Musik von Martin Bechler. „Mir ist wie zufällig an den ruhigen Tagen des Jahreswechsels ein Soloalbum aus dem Kopf gefallen. Die Lieder sind so eng verstrickt mit den Geschichten des Romans, das ist ein Guss. Ich musste mich nur ans Klavier setzen, und die Songs waren da.“

Eine Kostprobe: „Stell dir vor, die Welten beben/ es wird alles nur noch schlimmer/ hey komm mit, wir gehen für immer/ Pech und Schwefel tapezieren/ stell dir vor, der Teufel kommt uns holen/ und es sieht für den Moment recht finster aus/ Bonny sprach zu Clyde, pass auf, ich bin noch nicht soweit/ komm wir jagen den zu zweit zur Tür hinaus.“

Warum das Fortuna Ehrenfeld solo heißt und nicht Bechler Solo?

„Fortuna Ehrenfeld definiert einen Raum, in dem man auch mal alleine sitzen kann, das habe ich immer gesagt. Aber das hat natürlich auch mit Marketing zu tun, Tonträger zu verkaufen ist schwer genug geworden.“ Die Platte erscheint am 25. März.

Nach der lit.Cologne geht es erstmal mit Fortuna Ehrenfeld weiter. Nach einigen Gigs mit Rainald Grebe geht es nach Österreich, und im Herbst kommt man ins Gloria, rund 45 Konzerte stehen schon fest für dieses Jahr.

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