Studieren in KölnWas Menschen aus dem Ausland anlockt und warum sie hier bleiben

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Youssef Mahfouz lehnt in einem Mantel in dunkel-lila und mit gelber Strickmütze vor der Universität zu Köln.

Youssef Mahfouz aus Ägypten setzt sein Studium an der Kunsthochschule für Medien fort.

Sie sind aus dem Ausland nach Köln gekommen, um zu studieren. Und sie sind geblieben. Drei zugezogene Kölnerinnen und Kölner erzählen, wie sie in der Stadt angekommen sind und was sie hier gehalten hat.

Köln stellt sich gern als besonders weltoffen und tolerant dar. Aber wie blicken junge Menschen aus dem Ausland auf die Stadt? Zehn Prozent der Studierenden an der Universität zu Köln haben eine ausländische Staatsangehörigkeit. Köln zieht also an. Doch wie werden diejenigen, die kein Deutsch sprechen, tatsächlich aufgenommen? Und was hält sie hier?

„Köln ist eine extrem weiße Stadt“, sagt Youssef Mahfouz, 32. Er hat seinen Bachelor in Politikwissenschaften in Kanada gemacht, ist zurück in seine Heimat Ägypten gegangen und vier Jahre später, im Oktober 2018, nach Köln gezogen. „Ich war an einem Punkt, an dem ich nicht wirklich glücklich war und verzweifelt rauswollte“, sagt Mahfouz darüber, warum er seinem Bruder, der schon in Berlin wohnte, nach Deutschland gefolgt ist.

Aus Ägypten über Kanada zum Traum-Studium nach Köln

Dass der Ägypter in Köln gelandet ist, war Zufall, die Universität zu Köln hatte ihm als erste eine Zusage für seinen geplanten Quereinstieg in Richtung Literaturwissenschaften gegeben. Aber die Stadt hat sich weiter wohlwollend gezeigt: „Ich hatte nicht wirklich eine Bleibe und konnte kein Wohnheim finden“, erzählt Mahfouz, dem ein eigentlich Fremder daraufhin aushalf: Ein Kölner, bloß über mehrere Ecken mit dem Bruder bekannt, bot ihm ein Zimmer in seiner Wohnung an. Und derjenige war Malte Huck, damaliger Bassist von Annenmaykantereit. „An dem Tag, an dem ich ankam, gab Malte mir die Schlüssel zu seiner Wohnung und sagte: Wir gehen für zwei Wochen auf Tour, fühl dich sich wie zu Hause.“ Nach sechs Wochen in der Drei-Zimmer-Wohnung nahe dem Ebertplatz hat er dann auch über Malte Huck sein eigenes WG-Zimmer beim Produzenten eines Albums der Band gefunden.

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Als kulturelles Zentrum erlebt Mahfouz die Stadt. „Ich finde es gut, dass sie groß genug ist, dass immer etwas los ist, aber auch klein genug, dass man für die meisten Dinge nicht mehr als eine halbe Stunde braucht, um sie zu erreichen“, sagt Mahfouz, der in der zehnmal so großen Kairo aufgewachsen ist, über seine neue Heimat. „Ich weiß jetzt, wo meine Plätze sind und wo nicht“, sagt Mahfouz nun in Kalk wohnend, wo es „etwas diverser“ sei: „Wenn ich auf die andere Seite des Rheins fahre, ist es eher… beige. Das ist eine Herausforderung für mich. Ich wurde mal gefragt, ob ich schwarz sei, ich habe nein gesagt“, erzählt Mahfouz auf einer Treppe in der Uni sitzend, „dann kam die Nachfrage, welche Farbe ich denn habe, und ich war sehr verwirrt. Niemand hat mich jemals zuvor gefragt, welche Farbe ich habe. Das wird einem eher aufgezwungen.“ Aber der Ägypter hat vor, weiterhin in Köln zu bleiben: Er hat im Herbst für sein kreatives Traum-Studium zur Kunsthochschule für Medien wechseln können.

Aus Äthiopien nach Köln zur Junior-Kuratorin

Anders beschreibt Tensae Desta Köln. Sie ist in Addis Abeba aufgewachsen. Nach der Schule hat sie ihre Heimat Äthiopien verlassen und ist alleine nach Deutschland geflogen. „Ursprünglich wollte ich Politikwissenschaften studieren, ich wollte reisen, neue Menschen und andere Denkweisen kennenlernen. Und ich wusste, das werde ich nicht unbedingt können, wenn ich nicht weggehe.“ Ihr Vater hatte in Ost-Deutschland studiert und der Tochter ans Herz gelegt, sich ebenfalls im Ausland zu bewerben. Nach ihrem Bachelor in Bremen ist Desta im Oktober 2019 wegen des Angebots internationaler Studiengänge nach Köln gezogen.

Tensae Desta steht in dunkelblauem Mantel auf einer Rampe neben dem Rautenstrauch-Joest-Museum.

Tensae Desta aus Äthiopien ist als Studentin nach Köln gekommen und nun Junior-Kuratorin im Rautenstrauch-Joest-Museum.

„Chaotisch“ sei die Ankunft gewesen, eine Wohnung zu finden unglaublich schwierig. Den ersten Monat konnte die nun 25-Jährige nur über Airbnb unterkommen. „Als die anderen Studierenden die Orientierungsphase an der Uni hatten, war ich auf ‚WG gesucht‘ und habe Besichtigungstermine gehabt“, erzählt sie. Die Warteliste des Studentenwerks war zu lang. Schließlich fand sie ein Zimmer in Porz. Aber schnell sei der dunkle Winter und dann die Pandemie gekommen. Ein schwieriger Start in einer neuen Stadt und in Porz habe sie nicht viel unternehmen können.

Heute, mittlerweile nach Deutz gezogen, erlebt Tensae Desta Köln ganz anders: „Es ist einladend und vielfältig, es gibt Jobs, bei denen man Englisch sprechen kann, viele verschiedene Menschen, die anders aussehen.“ Und obwohl sich ihr Studium dem Ende zuneigt, bleibt die Äthiopierin vorerst in Köln. Sie ist seit Dezember Junior-Kuratorin im Rautenstrauch-Joest-Museum und arbeitet an der Aktualisierung der Dauerausstellung mit. „Unabhängig davon, wo man lebt, muss man sich Menschen suchen, mit denen man in einer Community leben möchte“, sagt Tensae Desta.

Der Liebe wegen von London nach Köln

James Hargreaves kam nicht nur wegen der Uni, sondern vor wegen der Liebe in die Stadt. Der Brite arbeitete in London in einem Buchladen, als er eine Kölnerin kennenlernte, die dort während ihres Studiums an einer Schule lehrte. Er habe zurück in die Wissenschaft gewollt und vorgehabt, zu promovieren. Da sei ihm klar geworden, das könne er überall. Deshalb habe er sich gesagt, „ich sollte der Frau folgen, die ich liebe“, und ist mit ihr 2015 nach Ehrenfeld gezogen, um Doktorand am Englischen Seminar zu werden.

James Hargreaves sitzt in einem roten Pullover am Laptop vor einem Regal mit Büchern.

James Hargreaves ist der Liebe wegen nach Köln gekommen.

Der Brite musste in Köln schnell einen Job finden, ging an einem Café vorbei und fragte einfach: „Habe ich eine Chance bei Ihnen – trotz meines völligen Mangels an Deutschkenntnissen?“  Die Chefin des „Schwesterherz“ auf der Venloer Straße hat sie ihm gegeben. „Ich habe festgestellt, dass dieses Erlebnis auch Köln widerspiegelt. Köln hat mir eine Chance gegeben.“ Die Bürokratie, das Steuersystem, die Krankenversicherungen seien verwirrend, „aber die Menschen sind sehr entgegenkommend“, sagt der heute 37-Jährige. „Die Stadt hat etwas – auf eine gute Art und Weise – seltsam Provinzielles an sich, denn obwohl sie eine riesige, sich ausbreitende Metropole ist, fühlt sie sich hin und wieder wie ein Dorf an.“

Nun hat James Hargreaves seinen Doktortitel und lehrt Business Englisch an der Hochschule Fresenius. Er erzählt, wie ihm früher der Ruf nachging, „flatterhaft“ zu sein, weil er außer in London schon in Liverpool, Jersey und Paris gelebt habe. Der Brite ist mittlerweile mit seiner Freundin nach Dünnwald gezogen und die zwei haben seit diesem Jahr eine Tochter. In Köln hat James Hargreaves also Wurzeln geschlagen: „Ich habe die feste Absicht, hier zu bleiben.“


Zur Serie „Junges Köln“

Studieren, arbeiten, feiern und lieben: Köln ist ein Magnet für Menschen zwischen 20 und 35 Jahren, die das und mehr hier erleben wollen. Jedes Jahr ziehen Tausende in die Stadt, auf der Suche nach Abenteuer – und einem neuen Zuhause. Aber: Wie sieht ihre Lebensrealität wirklich aus? In unserer neuen Serie „Junges Köln“ wollen wir den Blick auf junge Kölnerinnen und Kölner lenken und davon erzählen, was sie bewegt. So sind wir etwa in der Technoszene unterwegs, versuchen zu erkunden, was die Faszination ausmacht. Oder begleiten Singles beim Dating auf der Suche nach der wahren Liebe.

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