Weniger „Kölnwahn“Herbert Küppers wirbt mit Meditation und Traktor für den Verzicht

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt (2)

Herbert Küppers vor seinem Traktor 

Köln – Auf dem Schild, das Herbert Küpper hält, steht nicht viel mehr als „weniger“. Einen Punkt hat er noch hinter das Wort gemacht. Das muss reichen, findet der 72-Jährige. „Der Begriff steht für die einfache Lösung von komplexen Problemen.“ Die Bemalung des Wagens, den sein Traktor zieht, macht ein paar Vorschläge für die Praxis: Weniger Bequemlichkeit, weniger Aggression, aber auch weniger Mettbrötchen und Käsekuchen. Küppers wirbt für weniger „Kölnwahn“, weniger Treibstoffverbrauch, weniger Minijobs oder schlicht für weniger „Alles“, „Immer“ und „Überall“.

Dass er mit einem stinkenden Diesel-Traktor protestiert, passt nicht richtig dazu. Das weiß er. Bei den Demos von „Fridays for Future“ muss er sich deshalb schon mal heftige Kritik anhören. Wenn er in Lützerath gegen den Abriss des Dorfes für den Braunkohleabbau demonstriert, stört sich keiner am lauten Gespann des Kölners. Auch bei den Demos für den Erhalt des Zentralwerks der schönen Künste in der ehemaligen Hauptverwaltung von Klöckner-Humboldt-Deutz in Mülheim passte der Traktor prima: Der D4006 mit 34 PS galt lange Zeit als die beliebteste Zugmaschine des KHD-Nachfolgers Deutz AG.

Bei allen möglichen Demos dabei

Es gibt viele Demos und Anlässe, für die Herbert Küppers seinen bemalten Wohnwagen an den Trecker spannt und mit Schildern belädt. Während des Lockdowns fuhr er durch die entvölkerten Einkaufsstraßen, bis ihn die Polizei von der Schildergasse verscheuchte. In den Wochen vor der Bundestagswahl stand er jeden Tag auf einem Platz der Stadt: Chlodwigplatz, Neumarkt oder der Deutzer Ottoplatz waren seine Stationen, um vor der Wahl zum Nachdenken anzuregen. An manchen Tagen schließen sich ihm zwei Dutzend Menschen an, Freunde, Künstlerinnen und andere Mitstreiter. An anderen Tagen steht er mit seinem Schild fast allein im Getümmel der Stadt – wie ein Mahner in der Wüste mit einem Plädoyer für Verzicht in der hektischen Innenstadt voll mit Orten des Konsums.

Neuer Inhalt (2)

Unterstützer von Herbert Küppers versammeln sich zum Protestzug vor

Da wird er bestaunt und vielleicht auch als schräger Idealist bemitleidet. Ein paar bekunden Sympathie. Küppers macht sich nichts vor: Rund 80 Prozent der Menschen, die ihm begegnen, würden nicht verstehen, dass die Botschaft etwas mit ihnen zu tun hat, glaubt er. „Die Menschen sind in einem Wohlfühlmodus und glauben, dass alles gut ist, wenn sie weiter Dinge kaufen und verbrauchen.“ Er selbst habe gelernt, auf vieles zu verzichten – beim Essen, beim Konsum, bei der Kleidung und sogar bei der Körperpflege. Wer will, komme auch ohne eine Dusche aus. Zum Waschen reiche ein Wasserhahn.

Neuer Inhalt (2)

Herbert Küppers bei einer Demo

Küppers ist kein armer Mann. Er ist Miteigentümer von zwei Mehrfamilienhäusern auf dem Eifelwall. Bis 2011 führte er ein gut laufendes Geschäft für Einrahmungen, das er dann verkaufte. Für alternative, ökonomische Konzepte und Ideen habe er sich immer interessiert und engagiert. Er sei bei Greenpeace und Attac gewesen. „Aber das war Zeitverschwendung. Nur Gequatsche statt Bewegung“, sagt er. Irgendwie sei er doch ein Unternehmer geblieben.

„Es geht nicht ohne Verzicht“

Die Idee, sich seiner besonderen Art des Protests zu verschreiben, habe zwei Auslöser gehabt. Zum einen habe er die Eskalation bei den Protesten gegen den G20-Gipfel im Jahr 2017 in Hamburg miterlebt, zum anderen hätten ihn die zunehmenden Berichte über das Insekten- und Artensterben zornig auf den Staat gemacht. Der mache zu viel falsch, während er da, wo er handeln müsste, versagt - egal, ob in der Verkehrs-, Agrar-, Energie- oder Wirtschaftspolitik. Er sei ein „radikaler Grüner“, sagt Küppers über sich. Die Grünen als Partei seien ihm aber zu „luschig“. Wenn sich etwas ändern soll, gehe das nicht ohne Verzicht. „Und das muss man den Leuten auch sagen.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Er selbst tut das nicht. Beim Protest wird nicht geredet. Im Gegenteil: Wenn er sein Schild hält, wird der beredte Mann ganz stumm und stoisch. Dann steht er mit Geist und jeder Faser des Körpers für das „weniger“, das er sich auch auf den rechten Unterarm tätowieren ließ. Die Demo wird zur Meditation, zu einem spirituellen Akt. Es gehe darum, sich „von der Hetze des eigenen Geistes“ zu befreien. Dann komme er zur Ruhe, „das Geklapper im Kopf hört auf“. Jeder habe doch so viel „Gedöns“ im Kopf, an das er immer wieder denken müsse. Dabei gebe es doch „Gewissheit und Frieden in uns, wo die Geschichten verstummen“. Das klingt abgefahren, aber Küppers kann recht überzeugend erklären, dass das alles wenig mit Esoterik oder Träumerei zu tun hat. Er zitiert Philosophen, Naturwissenschaftler und bewundert den viel beachteten israelischen Universalhistoriker Yuval Noah Harari.

„Ich werde das weiter machen, solange es mich treibt“, sagt der meditierende Treckerfahrer. „Und zurzeit treibt es mich ich enorm. Es müssen mehr aufstehen!“ Er wünscht sich Nachahmer, die sich „mit einem Schild irgendwo hinstellen“ und so mit dem Werben für Veränderung selbst schon zu einem Beitrag zur Veränderung werden. Das sei dringend nötig in Stadt und Land.

KStA abonnieren