Kanzler in der Kölner FloraOlaf Scholz debattiert auf phil.Cologne mit Philosoph über das Arbeitsleben

Lesezeit 3 Minuten
Bundeskanzler Olaf war heute in der Kölner Flora bei einer Veranstaltung der phil.Cologne zu Gast. Oberbürgermeisterin Henriette Reker begrüßte den Bundeskanzler.

Bundeskanzler Olaf war heute in der Kölner Flora bei einer Veranstaltung derphil.Cologne zu Gast. Oberbürgermeisterin Henriette Reker begrüßte den Bundeskanzler.

Bundeskanzler Olaf Scholz sprach am Montagnachmittag bei der phil.Cologne mit Axel Honneth über „Arbeit und Demokratie“.

Kann jemand, der täglich in einer Schlachterei schuftet oder als Pflegekraft mehrere Schichten hintereinander arbeitet, überhaupt am demokratischen Prozess teilnehmen? Sich einen politischen Willen bilden und sich sogar engagieren?

Sehr gut sogar, sagt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der am Montagnachmittag bei der phil.Cologne in der Flora mit dem Philosophen Axel Honneth über „Arbeit und Demokratie“ sprach. Das war ihm wichtig zu betonen, denn die Theorien seines Gesprächspartners könnten anderes nahelegen. Honneth schreibt in seinem Buch: „Der arbeitende Souverän“, dass eine demokratische Gesellschaft neue Rahmenbedingungen für eine Arbeitswelt schaffen muss, in der politische Willensbildung möglich ist. Aber heißt das nicht auch, dass ansonsten keine gute politische Willensbildung möglich ist – zum Beispiel in prekären Arbeitsverhältnissen?

Olaf Scholz diskutiert bei phil.Cologne-Besuch in Köln mit Axel Honneth

Es sei problematisch, „wenn eine Demokratie sich nicht vorstellen kann, dass ein Hilfsarbeiter, der bei Amazon tätig ist, oder eine Verkäuferin, über ein genauso gutes politisches Urteil verfügt wie ein Hochschullehrer.“ Dann bekomme die Debatte eine elitäre Komponente, die für die Demokratie nicht akzeptabel sei, so Scholz.

Axel Honneth versicherte jedoch, dass er das auf keinen Fall so gemeint habe. Und somit war die einzige Meinungsverschiedenheit der Veranstaltung, die die Philosophin Svenja Flaßpöhler moderierte, auch schon wieder vom Tisch. Weniger interessant hat die mangelnde Kontroverse das Gespräch jedoch nicht gemacht.

„Schulterklopfen hilft nicht weiter“

Vor allem Axel Honneths Ausführungen zum ganz neuen Denken von Berufen führten weit hinaus über die üblichen Debatten über Respekt und Anerkennung für schlecht bezahlte und unbeliebte Jobs. „Schulterklopfen hilft nicht weiter“, so Honneth. Vielmehr sei die Frage, wie sich die Berufswelt so organisieren lasse, „dass nicht einige enorm repetitive, mühsame, auch nervlich zehrende Arbeit verrichten und andere für relativ wenig Arbeit ein enormes Einkommen erhalten?“ Das sei ein radikalerer Schritt als er bisher diskutiert worden sei.

„Aber für eine Partei, die für eine faire Arbeit eintrete, würde es sich gut anstehen, sich diese Gedanken neu zu machen.“ Man müsse sich schließlich nicht mit dem heutigen Modell begnügen, das beispielsweise Pflegekraft und Ärzten bestimmte Kompetenzen und Arbeitsbereiche zuteilt. „Es gibt nichts auf dieser Welt, was uns davon abhält, diese Berufe neu zu definieren.“ Natürlich sei das eine langfristige Aufgabe. Aber die Wirtschaft zeige, wie schnell sich Berufsbilder wandeln können – wenn auch eher im Negativen. Honneth nannte den Bahnschaffner als Beispiel, der nun auch noch das Essen servieren müsse. Das sei in dem Fall kein Fortschritt, mache aber deutlich, dass Veränderung möglich ist – auch zum Besseren.

„Wir können das auch. Wir können darüber nachdenken, wie wir die Jobs neu zuschneiden, sodass sie interessanter werden. Vielleicht auch mehr Mitbestimmung ermöglichen. Und dann ist der Respekt nicht mehr einfach nur symbolisch. Dann drückt er sich aus in einer Veränderung unserer Arbeitswelt.“

Kanzler Olaf Scholz in der Kölner Flora optimistisch: „Das müssen wir schaffen!“

Olaf Scholz unterstützte Honneths Forderungen und sprach von einer „ständigen Aufgabe, mit der wir immer wieder neu gefordert sein werden.“ Vor allem müssten wir aber auch „unser eigenes zynisches Wegblicken überwinden“. Es sei beispielsweise „bedrückend“, dass sich erst durch Corona etwas an den Arbeitsbedingungen geändert habe, die   in Deutschland jahrzehntelang in der Fleischindustrie herrschten.

Eine zentrale Frage sei: „Anliegen, die sich aus dem Arbeitsleben und seinen Herausforderungen ergeben, müssen Thema öffentlicher Debatte sein. Wie kriegen wir das hin? Das müssen wir schaffen!“ Doch das sei nicht leicht in einer Gesellschaft, die an entscheidenden Positionen von Angehörigen einer akademisch qualifizierten Mittelschicht geprägt sei – übrigens auch auf diesem Podium, bemerkte Scholz selbstironisch.

KStA abonnieren