„Hommage an den Kölner Dom“Interview über das Oratorium zum Jubiläum des Domchores

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Der Kölner Domkapellmeister Eberhard Metternich und Komponist Helge Burggrabe.

  • In der Zeit vom 15. August bis zum 27. September feiert der Kölner Dom die Weihe des gotischen Domchores vor 700 Jahren.
  • Aus diesem Anlass wird es besondere Gottesdienste, Ausstellungen, Führungen, Vorträge und fünf Konzerte geben.
  • Im Interview sprechen Domkapellmeister Eberhard Metternich und Komponist Helge Burggrabe über das eigens für das Jubiläum komponierte Dreikönigsoratorium.

Köln – Herr Burggrabe, der Durchbruch als Komponist gelang Ihnen mit einem Auftragswerk. Jetzt durften Sie zur Weihe des gotischen Domchores vor 700 Jahren wieder ein Stück für ein Jubiläum komponieren. Was ist das Spezielle an solchen Ereignissen?

Burggrabe: Den Auftrag an mich habe ich so verstanden, eine Hommage an den Kölner Dom zu komponieren. Und zwar als Gesamtkunstwerk, aber von großer zentraler Bedeutung an die Reliquie eben auch die Geschichte der Heiligen Drei Könige. Und das in die heutige Zeit zu adaptieren, in Form von einem Kunstwerk – das ja auch eine Hommage an die vielen Musiker und Chöre ist, die hier im Dom eben immer schon aktiv sind. Das ist natürlich für mich eine große Herausforderung gewesen, aber auch eine Ehre. Es hat großen Spaß gemacht.

Und was ist für Sie das Besondere, Herr Metternich?

Metternich: Für mich ist das ein besonderer Auftrag, mich dort noch ein bisschen mehr einzubringen. Ich fühle mich auch als kleines Rädchen, Teil einer langen Geschichte. Und ein solches Jubiläum sollte etwas Nachhaltiges hervorbringen. Jetzt haben wir zum Beispiel das erste Mal überhaupt ein Oratorium, das extra nur für den Kölner Dom komponiert wurde, und das für 700 Jahre. An anderen Stellen gibt es das schon häufiger.

Zur Veranstaltung

Vom 15. August bis zum 27. September feiert der Kölner Dom die Weihe des gotischen Domchores vor 700 Jahren. Aus diesem Anlass wird es besondere Gottesdienste, Ausstellungen, Führungen und Vorträge geben. Neben dem Oratorium wird es vier weitere Konzerte geben. Infos zum Programm und kostenlose Tickets unter: www.koelner-dom.de

Jetzt ist es aber nicht das Jubiläum des ganzen Kölner Doms, sondern des gotischen Domchores, der 1322 fertiggestellt wurde. Was verbindet Sie persönlich damit?

Metternich: Für mich ist auf der einen Seite dieses Jubiläum das letzte, was ich in meiner Dienstzeit miterleben darf. Das nächste große Jubiläum wird 2030 sein, die 150 Jahre Vollendung des Doms. Das wird bestimmt auch eine große Sache, aber da bin ich dann nicht mehr im Dienst. Aber dieses besondere Jubiläum passt mir persönlich sehr gut, weil ich immer diesen Binnenchor als das Herzstück und auch das Spirituellste erfahren habe. Ich habe zum Beispiel in meiner Amtszeit die Reihe der Chor-Konzerte unter dem Titel „geistliche Musik“ am Dreikönigenschrein eingeführt, sodass in diesem Raum Konzerte stattfinden. Deswegen habe ich zu diesem Raum auch einen ganz besonderen Bezug.

Wie kam es denn zu dem Auftrag für Herrn Burggrabe als Komponist?

Metternich: Herr Burggrabe und ich haben schon öfter zusammengearbeitet, ich habe schon zwei seiner Oratorien im Kölner Dom aufgeführt. Bei seinen Sachen bekommt man nicht einfach nur ein Notenstück und dann setzt man die Töne um – sondern man versucht über den reinen Notentext auch eine Gesamtatmosphäre zu konzipieren. Ich habe einfach gespürt, wie spirituell er Texte ausdrücken kann in Musik und wie er gleichzeitig die Atmosphäre eines Raumes mit in seine Kompositionen miteinbezieht und in dieser Kombination war das für mich eindeutig, dass er diesen Auftrag bekommen soll.

Burggrabe: Mein Ansatz ist, dass ich mich mit dem verbinde, was hier lebendig ist. Also es ist nicht einfach nur ein Werk, was in der Form an jedem Ort so stattfinden könnte, sondern es ist dieses Eintauchen in die spezielle Geschichte dieses Ortes. Und aus dem Gesamtkunstwerk Dom ein kleines Gesamtkunstwerk in Form von Klang, Sprache und Licht zu kreieren.

Zu den Personen

Prof. Eberhard Metternich, geboren 1959, ist seit 1987 Domkapellmeister in Köln und musikalischer Leiter des Dreikönigsoratoriums, das im Rahmen des Domjubiläums uraufgeführt wird. Der Komponist des Oratoriums ist Helge Burggrabe, geboren 1973. Er ist Komponist, Blockflötist, Bühnenbildner und Seminarleiter und lebt in Fischerhude bei Bremen

Das Dreikönigsoratorium erzählt von der Wanderung der Heiligen Drei Könige nach Bethlehem zur Geburt Jesu und der Rückkehr in ihre Heimat. Wie setzt man das musikalisch um?

Burggrabe: Also am Anfang muss man eine Textvorlage bauen, das nennt sich Libretto. Diese Textvorlage ist wie für den Architekten der Bauplan für dieses Stück. Und die Gattung Oratorium – das heißt übersetzt geistliche Erzählung – erschien mir als stimmiges Format. Wir erzählen ja eine Geschichte, die jeder Mensch kennt. Und gleichzeitig ist es so unterschiedlich, wo wir Menschen verortet sind, kirchennah, kirchenfern, vielleicht sogar jenseits der Kirche oder atheistisch.

Aber ich habe den Eindruck, dass wir eine universelle Thematik in diesem Dreikönigsthema haben, und zwar die Thematik, dass jeder Mensch immer wieder von neuem aufbricht. Dieses Libretto ist viergeteilt und auf der inneren Ebene erzählt es die Geschichte des Herzens, also dass das Herz eine Sehnsucht hat und berührt werden will, das es aber auch herausgefordert wird oder dass sich etwas verändert. Für mich ist das die Möglichkeit etwas ganz Zeitgemäßes im Dom aufzuführen.

Also ist es ihnen wichtig gewesen, diese alte Geschichte für das Jahr 2022 umzusetzen?

Burggrabe: Genau. Das ist dadurch erreicht, dass es auch heutige Lyrik aufgreift. Der eine rote Faden ist der Bibeltext, der kommt natürlich vor, aber dazwischen kommen Texte von verschiedensten Lyrikern. Manche leben auch noch. Karl Rahner zum Beispiel ist ein Theologe, der interessante Bilder zu den Drei Königen beisteuert. Und beispielsweise fängt der erste Satz, der im Oratorium gesungen wird, an: Wir sind Vertriebene von Anfang an. Und diese Orientierungslosigkeit haben ja derzeit auch viele.

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Auf was muss man bei der Aufführung eines Stücks achten, wenn es in Bauwerken wie eben dem Kölner Dom stattfindet?

Metternich: Zum einen haben wir schon Erfahrungen mit der Klangwirkung und wir wissen, dass schnelle und laute Musik schnell durch den Nachhall verschwimmt. Deswegen muss nach lauten Passagen immer genügend Zeit sein, bis etwas Neues einsetzt. Gleichzeitig hat das auch seinen Reiz, wenn Klänge sich durch den Nachhall so ineinanderschieben. Und wir müssen berücksichtigen, wie die einzelnen Instrumente abstrahlen. Das heißt, Schlaginstrumente können ganz leicht dominieren, weil sie dann sehr laut im Dom sind, da kommt die menschliche Stimme schlecht gegen an.

Was wird die größte Herausforderung bei der Uraufführung am 15. September sein?

Metternich: Dass diese vielen musikalischen Ebenen, also zum Beispiel Streichorchester, die Chöre, Blasinstrumente, oder die Solisten und die Orgel, dass das ausgewogen ist. Und auch die räumlichen Bedingungen. Die Orgel ist sehr weit weg und der Organist hat nur über eine Kamera den Kontakt, und auch bei den sehr feinen solistischen Sachen ist viel Justierungsarbeit nötig.

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