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Zweifel an Kultur-Flatrate„Kulturangebote zu verramschen, kann nicht das Ziel sein“

Lesezeit 5 Minuten
Die Schauspielerin Kristin Steffen liegt auf einem schwarzen Boden, der mit weißer Kreide bemalt ist.

Szene aus 'Die gelbe Tapete' im Schauspiel Köln.

Viele im Kölner Stadtrat wollen ein Kulturticket und auch die Verwaltung plant Angebote für 2023, um das Publikum zu motivieren. In der Kulturszene wird die Initiative aber auch kritisch gesehen.

Der Kartenverkauf läuft oft schleppend, immer wieder bleiben Plätze frei: Das Kölner Kulturleben hat sich noch immer nicht völlig erholt von den Folgen der Corona-Pandemie. Und jetzt kommt auch noch die Energiekrise dazu, wegen derer sich viele die Tickets für Theater, Oper oder ein Museum nicht mehr so locker leisten können. Es wird also kein leichter Winter – vor allem für die freie Kulturszene in Köln.

Kann eine Kultur-Flatrate helfen, das Publikum wieder zurück zu Konzerten, Lesungen und ins Theater zu bringen? Davon sind zumindest große Teile des Kölner Stadtrats überzeugt: Die SPD stellte einen Antrag zur „Stärkung der Kunst und Kulturszene“. Darin schlägt die Fraktion ein „vergünstigtes Ticket in Anlehnung an das bekannte 9-Euro-Ticket“ vor, wie es auch schon CDU und Volt ins Gespräch gebracht hatten. Und der Kölner Kulturdezernent Stefan Charles zeigte sich ebenfalls aufgeschlossen.

Vorbild für die Idee des 9-Euro-Tickets für die Kultur ist das Theater in Hagen. Diese Aktion läuft gerade für die Monate Oktober bis Dezember. Und das sehr erfolgreich, wie Marketing-Leiterin Mareike Hujo erzählt: „Wir haben jetzt schon die Rückmeldung bekommen, dass Zuschauer, die bisher nicht bei uns gewesen sind, ganz begeistert sind und auch in Zukunft weiterhin das Theater besuchen möchten.“ Und damit sei genau das passiert, was man sich mit der Aktion erhofft habe: Plätze, die sonst leer blieben, waren besetzt. Und ein neues, vor allem deutlich jüngeres Publikum hat das Theater kennen und lieben gelernt. Vergleichbar mit den Plänen im Kölner Rat ist Hagen allerdings nicht, denn das Ticket gilt ausschließlich für das Hagener Theater und die Stadt war bei der Aktion gar nicht im Boot.

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Wir haben mit der Aktion neue Zuschauer gewonnen
Mareike Hujo, Theater Hagen

In der Kölner Kulturszene ist die Stimmung eher verhalten, wenn es um das 9-Euro-Ticket oder ähnliche Pläne für die Kultur geht. „Klar, die Kosten steigen im Moment an allen möglichen Ecken und Enden. Aber ob genau das wirklich dazu führt, dass ein kulturinteressiertes Publikum gerade zurückhaltend ist? Oder ob es nicht vielleicht doch daran liegt, dass der Kulturmuskel bei allen ein wenig erschlafft ist?“, fragt sich Bernd Schlenkrich, Geschäftsführer und Co-Leiter beim Theater im Bauturm und Vorstandsmitglied des Vereins für Darstellende Künste Köln (VDK).

Sein Fazit: Natürlich sei es im Moment eine wichtige Aufgabe zu überlegen, wie man das Publikum wieder zurück in die Häuser bekomme. Doch die Pläne seien momentan noch viel zu schwammig – „mal ganz davon abgesehen, dass kein einziges Wort darüber verloren wird, wie das finanziert werden soll.“ Am Ende, sagt er, sei gerade der freien Szene eigentlich immer am besten damit geholfen, wenn man insgesamt in die Struktur investiere, anstatt in kurzfristige Maßnahmen. Für gezieltes Marketing bliebe beispielsweise normalerweise kaum Geld übrig. Im Gegensatz zu den Möglichkeiten, die die städtischen Institutionen haben: „Da liegen Welten dazwischen“.

So konnte das Kölner Schauspiel auch schon mal vorpreschen und verkauft seit dem 11.11 noch bis zum Ende des Monats Tickets für 11 Euro auf allen Plätzen an 11 ausgewählten Vorstellungen im Dezember. Außerdem gibt es als Geschenkidee die „Weihnachtspäckchen“ für 50 (ermäßigt 40) Euro: Dafür gibt es zwei Vorstellungen im Schauspiel Köln und zwei Besuche im Museum Ludwig. Und dazu noch „zwei Heißgetränke nach Wahl“ vor Ort. Im Museum Ludwig würde man auch „eine übergreifende Marketingaktion die unter anderem günstige Ticketpreise für die städtischen Kölner Museen vorsieht“, begrüßen, „da wir denken, dass sie ein gutes Mittel ist, um neue Besucherkreise für die Museen zu erschließen“, so Museums-Sprecherin Sonja Hempel.

„Hochwertige Kulturangebote zu verramschen kann doch nicht das Ziel nachhaltiger Politik sein“, sagt dagegen Reiner Michalke. Deswegen hält der ehemalige Programmchef des Kölner Stadtgartens und Intendant der Monheim-Triennale auch gar nichts von den Plänen für ein vergünstigtes Kultur-Ticket: „Will man damit das Publikum weg vom Kino- oder Restaurantbesuch in die Oper locken, in der Hoffnung, dass die Leute dann wiederkommen, wenn die Preise wieder normal sind?“. Ein 9-Euro Kulturticket würde seiner Meinung nach nur Sinn für bestimmte Einkommensgruppen machen – „zum Beispiel KölnPass-InhaberInnen, Geflüchtete oder Studierende, die damit frei gebliebene Plätze am Tag der Veranstaltung nutzen könnten.“

Hochwertige Kulturangebote zu verramschen kann doch nicht das Ziel nachhaltiger Politik sein
Reiner Michalke, ehemaliger Programmchef des Kölner Stadtgartens

Anders als im Rat möchte man in der Kölner Verwaltung nicht von einem „9-Euro-Ticket“ sprechen, „weil das Ergebnis der Planungen offen ist.“ Aber tatsächlich plane die Kulturverwaltung für das erste Quartal 2023 ein „Marketinginstrument, welches dazu geeignet ist, derzeitige Nichtbesucher*innen von Kölner Kultureinrichtungen wieder zu einem Besuch zu animieren“, so eine Sprecherin. Über die Details diskutiere man gerade – sowohl mit städtischen Kultureinrichtungen als auch mit der freien Szene. Geplant seien zeitlich befristete Angebote, die allen offen stehen sollen. Auch Maria Helmis spricht inzwischen lieber von einem "Kölner Kulturticket". Nach dem Stand der Initiative gefragt, sagt die kulturpolitische Sprecherin der SPD Ratsfraktion, man berate jetzt mit anderen demokratischen Fraktionen darüber, mehrere Varianten eines solchen Tickets  prüfen zu lassen. Es sei eine „Herzensangelegenheit“, dass die Kölner Künstlerinnen und Künstler wieder vor vollen Rängen spielen können.

Auch Bettina Fischer findet den Namen „Neun-Euro-Ticket“ in diesem Zusammenhang schwierig: „Das ruft Erwartungen auf, die am Ende wahrscheinlich nicht erfüllt werden“, sagt die Leiterin des Literaturhauses, die im Vorstand des KulturNetzKöln ist. Eine ganz wichtige Voraussetzung ist für sie, dass ein vergünstigtes Kultur-Angebot mit Kompensationen einhergeht – vor allem für die freie Szene. „Und das ist ganz sicher der Knackpunkt. Publikum ist das eine, Einnahmen das andere …“

Die Kulturschaffenden sollten in die Diskussion mit einbezogen werden
Bettina Fischer, Leiterin des Kölner Literaturhauses

Auf jeden Fall sollte man die Kulturschaffenden in die Diskussion mit einbeziehen, sagt Bettina Fischer. Besonders wichtig ist ihr, dass nicht nur die Kunst das Publikum braucht. Sondern auch andersherum: „Ein schlimme Erfahrung der Corona-Zeit ist ja wirklich das allmähliche Erschlaffen, dass manche bei sich erleben mussten. Wenn wir also wollen, dass Kultur als Energiespender wirkt, dann muss man die Menschen, das Publikum wieder darauf aufmerksam machen, es erinnern und motivieren.“

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