NRW-Ministerin über Öffnung der Unis„Studium lebt vom persönlichen Austausch“

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Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen.

  • Das Ziel von NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen ist es, dass im Wintersemester wieder Präsenzveranstaltungen an den Unis stattfinden.
  • Im Interview spricht sie zudem darüber, was vom Digitalisierungs-Schub bleiben wird.

Frau Pfeiffer-Poensgen, die Hochschulen sind zu einem großen Teil in der Pandemie zu Fernuniversitäten geworden. Wann wird sich das wieder ändern?

Isabel Pfeiffer-Poensgen: Bei aller Wertschätzung für die digitale Lehre, die sehr gut funktioniert, ist es der Wunsch aller, wieder zu einem persönlichen Austausch zueinander zu finden. Digitale Formate sind gerade aktuell sehr wichtig, doch das Studium lebt davon, dass man sich trifft, sich austauscht und miteinander diskutiert – das gilt insbesondere für die Studierenden. Die Inzidenz-Zahlen entwickeln sich gerade positiv. Die Hochschulen haben schon vor Monaten, vor Beginn des Sommersemesters Vorbereitungen für ein hybrides Semester getroffen, also für eine Mischung aus Digital- und Präsenzformaten. Damals konnte man von dieser Perspektive noch ausgehen, doch dann mussten sie doch wieder komplett aufs Digitale umstellen.

Gibt es für die Öffnung eine zeitliche Perspektive? Zum Beispiel, dass vom Wintersemester an die Hochschulen wieder in Präsenz, mindestens aber mit einem Hybridmodell arbeiten können?

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Das ist das große Ziel. Wir haben die berechtigte Hoffnung, dass wir dann so weit sind – im Hinblick auf die Inzidenzen, aber auch auf Impfungen. In Umfragen unter Studierenden ist deutlich geworden, dass sie manche Veranstaltungen in digitaler Form schätzen, weil sie diese zum Beispiel ihrem Zeitplan gemäß abrufen können. Daraus können Hochschulen Schlüsse für eine Fortsetzung solcher Formate auch nach der Pandemie ziehen. Aber die Sehnsucht nach Begegnung ist über inzwischen zweieinhalb digitale Semester hinweg enorm gewachsen. Diese zu ermöglichen, muss im Winter wieder gelingen.

Wie kam es, dass die Hochschulen im Gegensatz zu vielen Schulen den Wechsel ins Digitale gut bewältigt haben?

Auch wenn natürlich niemand mit einer solchen Pandemie gerechnet hat, waren die Hochschulen aus meiner Sicht sehr gut vorbereitet. Bereits 2019 haben wir als Land die Digitale Hochschule ins Leben gerufen – 42 staatliche Hochschulen, die sich zusammengeschlossen haben, um gemeinsame Programme und Projekte zu entwickeln. Das Land stellt dafür pro Jahr 50 Millionen Euro zur Verfügung – dadurch wurde viel in Gang gesetzt, wobei die Digitalisierung auch vorher bereits eine Rolle bei den Hochschulen spielte. Dabei spreche ich nicht nur von Forschung und Forschungsdaten, sondern tatsächlich auch von der Lehre.

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Es konnte nicht alles ins Digitale abwandern, etwa in der Medizin …

Dort war Präsenz immer möglich, aber konsequent unter strengen hygienischen Vorgaben. Die Labore sind auch jetzt die ersten, die wieder verstärkt in den Normalbetrieb zurückkehren. Es gibt Prüfungen und Lehrveranstaltungen, die nicht digital stattfinden können – der Präparierkurs der Mediziner etwa funktioniert nicht am Laptop. Das alles hat die ganze Zeit stattfinden können, unter strengen Auflagen natürlich. Erst die Bundesnotbremse hat uns hier unter Druck gesetzt, weil diese leider in einer nicht ganz hochschuladäquaten Weise konzipiert wurde. Alle 16 Wissenschaftsministerinnen und -minister der Bundesländer haben sich daraufhin sofort an die Bundesregierung gewandt – inzwischen haben wir auch eine Antwort bekommen, die klarstellt, dass bei der anstehenden Novellierung dieser Vorschriften entsprechende Veränderungen zugunsten der Hochschulen vorgenommen werden.

Was wird vom Digitalisierungs-Schub bleiben, was vielleicht sogar fortentwickelt werden?

Nehmen wir als Beispiel eine große Hochschule wie die Uni Köln mit Vorlesungen mit Hunderten von Zuhörern – dass man solche Veranstaltungen teilweise ins Netz verlagert, kann ich mir gut vorstellen, auch weil sie dann dauerhaft für die Studierenden abrufbar sind. Aber Seminare, Praktika, Labortätigkeiten, also alles, was eine größere Nähe zwischen Lernenden und Lehrenden erfordert, das muss in Zukunft wieder analog erfolgen, wenn es verantwortbar ist. Das ist auch für das soziale Leben unglaublich wichtig.

Es geht also auch um die Universität als Lehr-, Lern- und Forschungsgemeinschaft – der Sinn dafür ist gestärkt, gerade weil es so schmerzlich vermisst wurde.

Absolut. Alle, auch wir im Ministerium, waren darauf konzentriert, dass den Studierenden in dieser schweren Situation keine gravierenden Nachteile entstehen – keine Studentin, kein Student sollte ein Semester verlieren. Wir haben in NRW zum Beispiel als erstes Bundesland die individuelle Regelstudienzeit erhöht, was in der Praxis bedeutet, dass man länger studieren kann, ohne den Bafög-Anspruch zu verlieren. Aber das Studium, das sich alle vorstellen, lebt vom persönlichen Austausch.

Gerade auch für Erstsemester, die unter Umständen neu in einer Stadt sind.

So ist es – andere Studierende haben wegen Corona ihr teures Zimmer oder ihre Wohnung in der Stadt aufgegeben, um wieder zu den Eltern zurückzuziehen. Das kann in einem bestimmten Alter keine Lösung sein. Die Studierenden haben in der Pandemie manches Übel in Kauf nehmen müssen – spätestens für das Wintersemester wünsche ich mir, dass sie wieder in Präsenz studieren können.

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