Toter FilmemacherWie Herbert Achternbusch die Hassliebe zu Bayern beflügelte

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Herbert Achternbusch

München – In den Flankentürmen des  Münchener Isartors befindet sich  seit Ende der 1950er Jahre das „Valentin-Karlstadt-Musäum“, gewidmet dem bayerischen Komiker Karl Valentin und seiner Partnerin Liesl Karlstadt. Nur einen Katzensprung davon entfernt wohnte bis vor kurzem Valentins einzig legitim spinnerte Nachfolger auf Erden, der Poet, Maler, Filmemacher und Grantler Herbert Achternbusch.

Anfang dieser Woche ist Herbert Achternbusch im Alter von 83 Jahren gestorben, wie am Donnerstagabend die „Süddeutsche Zeitung“ meldete.

In München geboren, im Bayerischen Wald bei seiner Großmutter aufgewachsen, konnte man sich Achternbusch in keiner anderen Umgebung als der des Freistaates vorstellen, mit dem ihm eine innige Hassliebe verband, die der wichtigste Motor seiner Kunst war. Hier fand er die fröhliche Anarchie im Maßkrug und die Verkörperung des Bösen in Gestalt der katholischen Kirche, der CSU und ihres Sonnenkönigs Franz Josef Strauß. Warum Achternbusch Bayern treu blieb: „Diese Gegend hat mich kaputt gemacht, und ich bleibe so lange, bis man ihr das anmerkt.“

Scheck verbrannt

Nach Anfängen als Maler veröffentlichte er Anfang der 1970er im Suhrkamp Verlag sein Romandebüt „Die Alexanderschlacht“ und wurde sogleich freudig als junger Avantgardist gefeiert. Den unweigerlich folgenden Eintritt in den Kulturbetrieb verbaute er sich gekonnt, in dem er  den von Hubert Burda  gestifteten Petrarca-Preis auf aktionistische Weise ablehnte: Er verbrannte auf der Preisverleihung einfach den erhaltenen Scheck.

Da hatte die Literaturwelt ihren Skandal und Achternbusch wieder seine Ruhe. Wie er überhaupt Institutionen hasste: „Kaum auf der Welt, suchten mich Schulen, Krankenhäuser und alles Mögliche heim“, schrieb er in seiner Kurzautobiografie. „Ich schrieb Bücher, bis mich das Sitzen schmerzte. Dann machte ich Filme, weil ich mich bewegen wollte.“

Diese Filme funktionierten oft wie ausgedehnte Valentinaden, widersetzten sich den Gesetzen des linearen Erzählens und der restriktiven bundesrepublikanischen  Gesellschaft der 70er und 80er Jahre. Achternbusch konnte wunderbar poetisch und feinsinnig und sagenhaft grob sein, oft fiel das bei ihm in eins. Als er sich etwa als verzweifelter Titelheld in „Der Depp“ im Hofbräuhaus Gift ins Bier schüttet, klaut ihm sein Sitzbanknachbar den Maßkrug und süffelt ihn aus, natürlich sieht er aus wie Franz Josef Strauß.

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Seinen größten Kampf hat er wohl mit dem nächsten Film „Das Gespenst“ ausgefochten: Da steigt der Herrgott einer bayerischen Klosterkirche vom Kreuz und auf die Mutter Oberin. Empörte Katholiken urinierten in Filmtheatern, tausende Pfadfinder traten zur Sühneprozession an, auf der sie um Vergebung für den Sünder Achternbusch baten und der CSU-Innenminister Friedrich Zimmermann strich dem Unliebsamen unrechtmäßig die Fördergelder.

Der Achternbusch-Jesus aber verwandelte sich im Film in eine Schlange  und ließ sich von der Oberin, die nun ein Greifvogel war, davontragen. So waren seine Provokationen stets nur die erste Zündstufe für seine surrealistischen Himmelfahrten.

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